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Einlagensicherung in Europa
Sparkassenverband warnt vor Transferunion

Der Präsident des Rheinischen Sparkassen- und Giroverbandes, Breuer, kritisiert, dass sich die Regierung nicht deutlich gegen eine Transferunion positioniert haben. Es könne nicht sein, dass die Bundesrepublik für den Zusammenbruch ausländischer Institute geradestehen müsse.

Michael Breuer im Gespräch mit Jürgen Zurheide |
    Michael Breuer, Präsident des Rheinischen Sparkassen- und Giroverbandes
    Michael Breuer, Präsident des Rheinischen Sparkassen- und Giroverbandes, sagte im Dlf, Europa müsse vieles sein, aber keine Transferunion (imago stock & people)
    Jürgen Zurheide: Beim jüngsten europäischen Gipfel ging es hinter verschlossenen Türen um Europas Zukunft und die dazu notwendigen Veränderungen. Vor allem der französische Präsident Macron hat in der Vergangenheit ja etliche Vorschläge skizziert, die aus seiner Sicht notwendig sind.
    Dabei geht es dann vor allem auch um Geld, zum Beispiel das im Falle von neuen ökonomischen Krisen bereitsteht oder aus Macrons Sicht bereitstehen müsste. Darüber wird allerdings mächtig gestritten. Zum Beispiel geht es dann um die Frage, ob die europäischen Krisenfonds gemeinschaftlich haften für notleidende Banken. Gerade in Deutschland regt sich dagegen Widerstand. Nicht zuletzt die Kanzlerin hat sich gerade jetzt, zu Ostern, dazu auch noch mal kritisch geäußert. Darüber wollen wir reden mit Michael Breuer, dem Präsidenten des Rheinischen Sparkassen- und Giroverbandes. Guten Morgen, Herr Breuer!
    Michael Breuer: Guten Morgen, Herr Zurheide!
    Zurheide: Herr Breuer, Sie waren ja mal in einem früheren Leben Europaminister, sind bekennender Europäer, das kann ich, glaube ich, vorwegschicken. Sie haben den Koalitionsvertrag in Berlin und die Überlegungen zum Bankenfonds allerdings heftig kritisiert. Wie passt denn das nun zusammen?
    Breuer: Es ist richtig, dass im Koalitionsvertrag zunächst mal ein notwendiger neuer Schub für die wichtige europäische Zusammenarbeit postuliert wird. Das haben die drei Spitzen sich ja auch selbst auf die Fahne geschrieben. Allerdings fehlt aus unserer Sicht ein deutliches, klares Bekenntnis, dass Europa vieles sein muss, aber keine Transferunion. Denn es ist so, wie es die drei Spitzen dort formuliert haben, wie es dann auch die Parteitage abgesegnet haben, dass Europa viele Herausforderungen hat, aber die Transferunion gehört ganz sicherlich nicht dazu.
    "Wir haben eine Bankenunion verabredet, die letztendlich auf drei Säulen basiert"
    Zurheide: Und Sie sehen genau so was bei einer möglichen Bankenunion. Andere sagen ja, die das befürworten, die Bankenrisiken in der Europäischen Union müssen reduziert werden. Da ist man sich wohl einig. Und dann kommt die Frage, ist es nicht preiswerter, das gemeinsam zu machen und eventuell gemeinsam zu helfen, als möglicherweise einen Bankencrash zu riskieren? Sehen Sie das nicht so?
    Breuer: Wir tun das ja. Wir haben eine Bankenunion verabredet, die letztendlich auf drei Säulen basiert. Die erste Säule ist die gemeinsame Aufsicht. Das tut die EZB mit ihren nationalen Kontrahenten, mit ihren nationalen Subaufsichtsbehörden. Das ist die Säule eins. Das klappt seit jetzt gut drei Jahren sehr ordentlich. 130 systemrelevante Banken in Europa werden gemeinschaftlich beaufsichtigt. Die zweite ist der sogenannte Rettungsfonds für Banken, das ist die zweite Säule. Auch da zahlen wir ein in die sogenannten Rettungsfonds, auch wenn wir zum Beispiel als Sparkassen oder Genossenschaftsbanken nicht mehr davon profitieren werden. Und das Dritte ist die gemeinsame Einlagensicherung. Das ist das Versprechen, dass jeder Einleger in Europa 100.000 Euro und mehr abgesichert bekommt im Falle einer Bank, die nicht mehr bereit ist, das nicht mehr kann.
    Wir haben in Deutschland das sehr gut organisiert. Wir haben eine gemeinsame Sicherungseinrichtung in der deutschen Sparkassenfamilie. Die Privatbanken haben etwas Vergleichbares, und die Genossenschaftsbanken ganz genauso. Und wir sind davon überzeugt, dass diese Einlagensicherung auch funktioniert und hilfreich ist.
    "Wir müssen aufpassen auf unsere Vorstände und auf unsere Geschäftsrisiken"
    Zurheide: Die Frage ist, wenn ich dazwischengehen darf, Herr Breuer, ob das aber auch in Europa immer so funktioniert, und dann sind wir natürlich bei der Frage, gibt es dann deutsches Geld, das für Haftungen zurückgelegt wird, das woanders hinfließt. Das ist das Risiko, das Sie sehen. Andere sagen, das ist aber preiswerter als ein Bankencrash zum Beispiel zu provozieren. Ist der Gedanke so falsch?
    Breuer: Ja, der Gedanke ist aus meiner Sicht ganz falsch, weil es funktioniert, wenn wir subsidiäre Haftungssysteme aufstellen. Das heißt, diejenigen, die kontrollieren, diejenigen, die auch Geschäftsrisiken eingehen, die müssen auch dafür haften. So ist das in Deutschland geregelt. Wir sind ein System, in dem wir genau aufpassen müssen, welche Geschäftsrisiken unsere Banken eingehen, und die Säule beziehungsweise die Einrichtung, die das auch begleitet und kontrolliert, die muss im Zweifel auch dafür geradestehen. Das kann uns gelingen.
    Unsere Sparkassen im Rheinland, unsere Sparkassen in Nordrhein-Westfalen, unsere Sparkassen in Deutschland haben so ein System. Wir müssen aufpassen auf unsere Vorstände und auf unsere Geschäftsrisiken, und wenn es schief geht, stehen wir dafür gerade. Wir können aber nicht dafür geradestehen, wenn es Banken trifft, auf deren Geschäftsmodell und auf deren Haftung und Management wir keinen Einfluss haben. Und das ist das, was im Moment geplant wird. Und deshalb glauben wir, oder besser gesagt, sind wir überzeugt, dass diese Bankenunion eigentlich jetzt abgeschlossen ist, und jeder, der mehr will, will eigentlich, dass wir in Deutschland für Risiken und Geschäftsrisiken haften, die wir nicht kontrollieren können. Also, Haftung und Risikokontrolle wird auseinandergezogen.
    "Ich glaube schon, dass wir die gemeinsamen Regeln sehr hochhalten"
    Zurheide: Jetzt will ich noch mal insistieren: Eine gemeinsame Währung heißt ja aber auch gemeinsame Regeln für die Banken. Und gehört das dann nicht alles zusammen? Das ist ja dei Frage, die diejenigen immer wieder stellen, die das befürworten. Oder sind das alles nur Leute, die dieser sogenannten Transferunion angehören? Das ist ja die Sorge, die in Deutschland immer besonders hochgehalten wird.
    Breuer: Nein. Ich glaube schon, dass wir die gemeinsamen Regeln sehr hochhalten müssen. Ich glaube auch, dass es notwendig ist in einem europäisch Binnenmarkt, den Verbrauchern, den Kunden zu sagen, egal wo du bist in diesem Binnenmarkt, du hast Regeln, auf die du dich verlassen kannst.
    Und wenn dann deine Bank in Schieflage gerät, hast du diese 100.000 Euro – in Deutschland ist es ja deutlich mehr – sicher. Ich glaube, das ist notwendig. Aber die Umsetzung ist was ganz anderes. Ich will das vergleichen mit einer anderen Branche. Nehmen wir mal die chemische Industrie. Selbstverständlich muss auch in der chemischen Industrie aufgepasst werden, dass nichts schief geht, dass nichts Toxisches in die Luft geht. Selbstverständlich gibt es dafür einvernehmliche Regeln, Standards. Die müssen überwacht werden von der örtlichen Behörde, von der überregionalen Behörde. Aber von einem Chemieunternehmen wird man nicht verlangen können, dass es für die Risiken in Spanien, in Zypern, in Griechenland haftet, und von deren Kunden schon gar nicht.
    "Ein typischer französischer Vorschlag"
    Zurheide: Was ist denn, wenn wir den Gedanken etwas erweitern und wenn wir sagen, dieser Europäische Rettungsfonds oder ESM, der da ist im Falle von Schieflagen bei Ländern – wir haben das mit Griechenland erlebt –, wenn wir da den Schwerpunkt verändern und sagen, der soll wie ja zum Beispiel IWF-Chefin Lagarde fordert, eine Europäerin, der soll Schwerpunkte setzen, dass man künftig nicht nur rettet, sondern dass man auch bei Investitionen hilft, damit Länder möglicherweise eher die Chance kriegen, wieder in die richtige Spur zurückzukommen. Denn in der Vergangenheit haben wir häufig ja nur Banken und Gläubiger gerettet – Klammer auf, das waren wir dann oft mit unserem Geld. Wenn wir mehr investieren in die Zukunft, sehen Sie so was positiver, wenn das quasi von der Haftungsfrage, über die wir jetzt die ganze Zeit gesprochen haben, loslösen?
    Breuer: Nein, auch das sehe ich nicht positiv. Es ist ein typischer französischer Vorschlag, der ein Stück weit von Staatsgläubigkeit ausgeht. Es wird alles von dem Gedanken getragen, wir müssen in Europa was Staatsähnliches organisieren, weil der Staat es besser kann als die Privaten, besser steuern kann, auch besser ausgleichen kann. Ich bin nicht überzeugt, dass das richtig ist. ich glaube, wir müssen kontrollieren, begleiten, beaufsichtigen, gemeinsame Gesetze haben, gemeinsame Standards. Aber die Verantwortlichkeit, die wächst, indem man nahe dran bleibt, und sie verschwindet, indem man das höher delegiert.
    Und genauso ist der Kern auch von Lagardes Vorschlag zu bewerten. Die wollen natürlich, insbesondere die französische Lesart, die wollen schon die Staatsgläubigkeit und das Hochholen auf eine große Ebene als Rettungsanker für die europäische Idee sehen. Wir in Deutschland, ich persönlich, glaube aber, dass das genau der falsche Weg ist. Die Subsidiarität, also die Verantwortlichkeit des Einzelnen, auch die Wertschätzung des Einzelnen, ist sehr wichtig und als Anreizsystem dem anderen überlegen.
    Zurheide: So weit Michael Breuer, der Präsident des Rheinischen Sparkassen- und Giroverbands. Wir haben das Interview kurz vor der Sendung aufgezeichnet.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.