Taurus-Abhöraffäre
"Einmaliger Vorgang oder strukturelles Problem?"- Forderungen nach Aufklärung mehren sich

Nachdem ein Geheimgespräch von Bundeswehroffizieren über mögliche Taurus-Lieferungen an die Ukraine von Russland abgehört wurde, fordern Politiker mehrerer Parteien Aufklärung. Der Fall wirft auch Fragen auf, wie es um die Sicherheit der militärischen Kommunikation bestellt ist.

    Ein Taurus-Marschflugkörper im Flug
    Der Taurus-Marschflugkörper kann Ziele in bis zu 500 Kilometern Entfernung erreichen. (Uncredited / south korea defense ministry)
    Der CDU-Außenpolitiker Röttgen sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe, es müsse schnellstens aufgeklärt werden, welche Sicherheitsvorkehrungen bei dem geleakten Gespräch eingehalten, beziehungsweise nicht eingehalten worden seien. Zudem müsse gegenüber Parlament und Öffentlichkeit klargestellt werden, ob der Inhalt des Gesprächs sachlich zutreffend sei und ob das Waffensystem von der Ukraine ohne Beteiligung deutscher Soldaten eingesetzt werden könne oder nicht.
    Auch der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums, von Notz, forderte von der Bundesregierung Auskünfte über den Sachverhalt. Man werde für die kommende Sitzungswoche entsprechende Berichte in den zuständigen Ausschüssen und anderen Gremien beantragen, erklärte der Grünen-Politiker. Schnellstmöglich müsse geklärt werden, ob es sich bei dem Abhörskandal um einen einmaligen Vorgang oder ein strukturelles Problem handele.
    Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Strack-Zimmermann - FDP - , sagte, es sei weder überraschend noch verwunderlich, dass Gespräche abgehört würden. Deutschland müsse dringend die Sicherheit und Spionageabwehr erhöhen, denn man sei auf diesem Gebiet offensichtlich vulnerabel.
    Die Sicherheitsexpertin der Grünen, Brugger, hält die Veröffentlichung des Mitschnitts zum jetzigen Zeitpunkt nicht für einen Zufall. Die Ereignisse der letzten Tage zeigten, wie Russlands Präsident Putin versuche, gerade in Deutschland durch Desinformation, Destabilisierung und Spionage negativen Einfluss auf die offene Gesellschaft zu nehmen, sagte Brugger dem "Spiegel". Man müsse sich darauf vorbereiten, dass dies noch zunehmen werde.
    Bundeskanzler Scholz sicherte eine Aufklärung des Vorfalls zu. Er sprach während eines Besuchs in Rom von einer "sehr ernsten Angelegenheit". Deshalb werde der Fall jetzt sehr sorgfältig, sehr intensiv und sehr zügig aufgeklärt.

    Verteidigungsministerium bestätigt Echtheit des Audios

    Das Bundesverteidigungsministerium hatte zuvor bestätigt, dass der im Internet kursierende Mitschnitt authentisch ist. Das Audio der Unterredung zwischen mehreren hochrangigen Luftwaffen-Offizieren war gestern von russischen Staatsmedien veröffentlicht worden. Bei dem am 19. Februar geführten Gespräch in einer Internet-Konferenz sollte offenbar eine Stellungnahme für Bundesverteidigungsminister Pistorius vorbereitet werden.
    Konkret ging es Berichten zufolge um theoretische Möglichkeiten eines Einsatzes deutscher Taurus-Marschflugkörper durch die Ukraine. Unter anderem wird darin überlegt, ob auch die Kertsch-Brücke getroffen werden könnte, die die Halbinsel Krim mit dem russischen Festland verbindet.
    Mehrere Details des Gesprächs sind pikant. So gehen die Offiziere offenbar davon aus, dass die Ukraine die Marschflugkörper auch ohne deutsches Personal bedienen könne. Dies widerspricht Äußerungen des Bundeskanzlers, der davor gewarnt hatte, dass eine Taurus-Lieferung Deutschland zur Kriegspartei machen könne. Zudem war in dem Gespräch die Rede davon, dass Großbritannien militärisches Personal in der Ukraine einsetze, was London bestreitet.

    Russland empört

    Der russische Außenminister Lawrow sagte im türkischen Antalya, das nun veröffentlichte Gespräch der Luftwaffen-Offiziere zeige, "dass das Kriegslager in Europa immer noch sehr, sehr stark ist". Dieses wolle Russland eine "strategische Niederlage auf dem Schlachtfeld zufügen". Seine Sprecherin forderte eine Erklärung von Deutschland.

    Weiterführende Informationen

    Was bisher über den Fall bekannt ist, erfahren Sie hier.
    Diese Nachricht wurde am 02.03.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.