Die Grünen-Politikerin Rebecca Harms ist eine scharfe Kritikerin der russischen Regierung und darf bereits seit September 2014 nicht mehr in Russland einreisen. Für sie hat "die Liste in Russland eher symbolische Bedeutung".
Eine wirkliche Logik könne man in der Auswahl der Personen auf der Liste nicht erkennen, sagte Harms im DLF. Am wichtigsten sei jetzt, die Sanktionen, die die EU bereits gegen Russland beschlossen habe, auch durchzuhalten.
Peter Kapern: Vor einer Woche, da hat der CDU-Bundestagsabgeordnete Karl-Georg Wellmann erfahren, dass er nicht mehr nach Russland einreisen darf, als er nämlich auf einem Moskauer Flughafen wie ein Verbrecher behandelt wurde, wie er selbst sagte, und nach Deutschland zurückgeschickt wurde. Was wir bis gestern Abend nicht wussten: Seiner ist nur einer von 89 Namen auf einer schwarzen Liste des Kreml. 89 Namen von Politikern, die nicht mehr nach Russland einreisen dürfen. Dazu zählen Guy Verhofstadt, der liberale Fraktionschef im Europaparlament, Polens Ex-Ministerpräsident Buzek und die grüne Europaabgeordnete Rebecca Harms. Guten Morgen!
Rebecca Harms: Guten Morgen!
Kapern: Frau Harms, John McCain, der hat, als er vor einiger Zeit schon mit einem Einreiseverbot nach Russland belegt wurde, reagiert mit dem Satz, er habe eh nie vorgehabt, in Sibirien seinen Osterurlaub zu verbringen. Nehmen Sie es auch so lakonisch hin?
Harms: Es wird ja seit gestern heftig darüber diskutiert, dass das alles eine Sache der Ehre ist und diese Liste eine Liste der Ehre. Also für mich ist das schon ein harter Schnitt gewesen, dass ich das, was ich eigentlich vorhatte, als mir dieses Verbot erteilt wurde, dass ich das nicht mehr machen kann. Ich halte eigentlich Kontakte zu Bürgerinnen und Bürgern Russlands gerade auch in die Zivilgesellschaft für unbedingt erforderlich, weil ich glaube, dass das direkte Gespräch darüber, was die Europäer eigentlich machen, was sie denken, was sie wollen, nicht nur in der Ukraine, sondern auch bei sich zu Hause, das halte ich für wahnsinnig wichtig gegenüber der Propaganda, die vom Kreml organisiert wird.
Die Liste mit den Namen der europäischen Politiker, für die Russland ein Einreiseverbot ausgesprochen hat, liegt dem DLF vor. "Sperrliste" des russischen Außenministeriums
"Eine Logik kann ich nicht erkennen"
Kapern: Nun zählen Sie ja in der Tat zu den, sagen wir mal, am deutlichst vernehmbaren Kritikern und Kritikerinnen der Kreml-Politik gegenüber der Ukraine. Hat Sie diese Entscheidung überhaupt überrascht?
Harms: Also als mich das getroffen hat auf dem Flughafen von Scheremetjewo, da hat mich das überrascht. Das war auch eine Situation, in der alle Beteiligten, auch die Grenzbeamten, irgendwie durcheinander und überrascht wirkten bei der Durchsetzung dann dieses Verbotes. Und im Nachdenken dann darüber hat es mich aber nicht mehr überrascht, und seither habe ich ja auch immer wieder gesagt, die sollen nicht irgendwie so à la carte entscheiden, sondern sollen jetzt mal diese Liste vorlegen, damit wir uns einen Eindruck davon machen können, wie weitreichend dieses Reiseverbot, also diese Sanktion, gegenüber dann den Politikern des Westens ist, und das ist halt gestern passiert.
Kapern: Warum gestern, warum jetzt, warum geht der Kreml jetzt diesen weiteren Eskalationsschritt, wenn es denn einer ist?
Harms: Ich weiß ja nicht, wie lange es diese Liste schon gegeben hat. Als ich damals betroffen war von dem Verbot, da wurde darüber spekuliert, ob die vielleicht gerade gemacht wird. Ich hab jetzt gestern Nacht auch versucht, als ich die Liste bekommen habe, sie zu verstehen. Sie erschließt sich mir noch nicht so ganz, muss ich sagen.
"Cohn-Bendit zum Beispiel – der ist nie gerne nach Russland gereist"
Kapern: Was daran nicht?
Harms: Ich finde sehr unterschiedliche Persönlichkeiten, die da aufgelistet sind. Es sind die Länder der Europäischen Union ja auch sehr unterschiedlich abgedeckt mit dieser Liste. Ich hatte den Eindruck, es sind extrem viele Balten zum Beispiel da drauf, aber so eine richtige Logik kann ich noch nicht erkennen, insbesondere auch nicht, was die tatsächliche Arbeit zur Krim, zum Donbass oder zur Ukraine angeht im Europäischen Parlament. Da denke ich dann eher, dass die noch sehr lückenhaft ist, diese Liste, weil sehr viel mehr Kollegen, als da auf der Liste sind, sich sehr stark engagieren. Ja, und ist das eine neue Eskalation? Ich glaube eben, diese Liste gibt es schon länger, und sie hat in Russland vielleicht auch mehr symbolische Bedeutung als tatsächliche, weil da viele Leute dabei sind, wie Cohn-Bendit zum Beispiel – der ist nie gerne nach Russland gereist, also den mussten wir immer treiben, damit er da mal mit uns eine Veranstaltung gemacht hat, der mag halt diese alten totalitären, totalitär geprägten Systeme überhaupt nicht. Aber ich glaube, dass über Eskalation zu reden falsch ist, und also Eskalation ja oder nein, ich glaube, da muss man eher gucken, wird jetzt endlich das Minsk-Abkommen eingehalten, wird dafür in Russland mehr getan oder drohen tatsächlich weitere Eskalationen in dieser Auseinandersetzung im Donbass.
"Wir sollten die Sanktionen durchhalten"
Kapern: Das heißt, wenn ich noch mal nachfragen darf, die Publikation dieser Liste von 89 Politikern, die nicht mehr nach Russland einreisen dürfen, ist kein Anlass, jetzt mit einer Gegenliste, mit Gegensanktionen zu antworten?
Harms: Es gibt ja schon gezielte Sanktionen gegen einzelne Personen und Politiker in Russland, darunter sind auch Ukrainer. Die Liste ist sehr gezielt gemacht worden. Da sind Personen drauf, die den Bruch des Völkerrechtes auf der Krim offensiv von Anfang an gerechtfertigt haben. Da sind Personen drauf, die die Gewalt in der Ukraine gerechtfertigt haben, da sind Personen drauf, die auch finanziell da beteiligt sind, die Vorteile durch die Annektierung der Krim haben. Das sind Personen, die über Europa sehr schlecht reden, die diese antieuropäische Propaganda machen, aber ihr Vermögen in der Europäischen Union vermehren, ihre großen Vermögen hier vermehren. Also diese Liste hat meiner Meinung nach eine andere Systematik.
Kapern: Und noch mal nachgefragt: Es besteht kein Grund für die EU, jetzt draufzusatteln?
Harms: Also ich finde, dass wir die Sanktionen, die wir beschlossen haben, dass wir die durchhalten sollen, und zwar alle, und ich glaube, dass die Europäische Union nicht nachgeben soll mit diesen Sanktionen, solange die wesentlichen Punkte von Minsk-2 nicht erfüllt sind, da muss ein verbindlicher Zusammenhang geschaffen werden. Und ansonsten ist es wichtiger, in der Europäischen Union dafür zu sorgen, dass auch die Wirtschaftssanktionen, dass die durchgestanden werden können. Da muss man zum Beispiel gucken, wirtschaftliche Sanktionen, wenn die bei uns wirken, muss man da stützend was tun für die Länder, die dann auch bei uns in Mitleidenschaft gezogen werden. Ich glaube nicht unbedingt, dass man mit einer Verschärfung weiterkommt im Moment.
Kapern: Sagt die grüne Europaabgeordnete Rebecca Harms heute früh im Deutschlandfunk. Frau Harms, danke, dass Sie Zeit für uns hatten, ich wünsche Ihnen einen schönen Samstag!
Harms: Auf Wiederhören!
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