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Polizei und Fußball-Fans
Neue Strategien für weniger Konflikte

In dieser Bundesliga-Saison ist die Polizei wegen unverhältnismäßiger Einsätze kritisiert worden. Das hat die Diskussion um deren Einsatzstrategien befeuert. Diese wird in den Bundesländern unterschiedlich gehandhabt.

Von Torsten Poppe |
Die Fans des Hamburger SV gehen von der Polizei begleitet zum Stadion und brennen Pyrotechnik ab.
Die Zwischenfälle in dieser Saison haben das ohnehin schon schwierige Verhältnis zwischen Fans und Polizei nochmals belastet (picture alliance / dpa / Daniel Bockwoldt)
Mitte Oktober beim Hamburger Derby zwischen dem FC St. Pauli und dem HSV. Ein Video dokumentiert, wie Bundespolizisten massiv gegen einige Anhänger vorgehen – ein Fan liegt am Boden, ein Polizist drückt sein Knie in den Nacken des Mannes und schlägt ihn mehrmals in die Bauchregion. Danach zog der zuständige Innensenator Andy Grote von der SPD die Verhältnismäßigkeit des Einsatzes in Zweifel. Gegen vier Beamte wird aktuell ermittelt.

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Kein Einzelfall. Das zeigt ein Forschungsprojekt an der Ruhr-Universität Bochum, das sich dem Thema Polizeigewalt widmet. Forscherin Laila Abdul-Rahman hat für ihre Studien unter anderem untersucht, wann Menschen Polizeigewalt erlebt haben. „Fast ein Viertel der Befragten hat angegeben, im Rahmen eines Fußballspiels mit rechtswidriger Polizeigewalt in Kontakt gekommen zu sein. Und dabei handelt es sich vor allen Dingen um junge Männer Mitte 20, der der aktiven Fanszene angehören.“

Einkesselung von Fans, Griffe in den Intimbereich

Schon zu Anfang der Saison hatte eine überzogene Maßnahme eine Debatte über das Verhalten der Polizei ausgelöst. Am ersten Spieltag kesselt die Polizei in Wolfsburg Bremer Auswärtsfans ein, will alle Anhänger auf Pyros durchsuchen. Es gibt Berichte von Griffe in den Intimbereich, viele Ultras fahren zurück nach Bremen. Am Ende musste sich für dieses Vorgehen sogar der damalige niedersächsische SPD-Innenminister Boris Pistorius öffentlich entschuldigen.
Die Zwischenfälle in dieser Saison haben das ohnehin schon schwierige Verhältnis zwischen Fans und Polizei nochmals belastet, so die Einschätzung der sozialpädagogischen Fanprojekte. Die Projekte hoffen, das Verhältnis wieder bessern zu können.
„Dazu leistet sozialpädagogische Prävention einen wichtigen Beitrag. Die Fans engagieren sich vielfältig und auch die Polizei als Inhaber des staatlichen Gewaltmonopols muss sich nachvollziehbar und deeskalierend verhalten“, gibt Patrick Arnold im Gespräch mit dem Deutschlandfunk zu bedenken. Er leitet in Nordrhein-Westfalen die Landesarbeitsgemeinschaft der Fanprojekte:
„Natürlich wünschen wir uns alle einen gewaltfreien Fußball. Wichtig ist aber dennoch ein besonnenes Vorgehen. Auch von Einsatzkräften, sollte es mal zu Konflikten kommen. Kollektivstrafen oder die Forderung nach Stadionverboten, die nach dem Gießkannenprinzip verteilt werden, sind überholt.

Zahl der Strafverfahren geht zurück

Die Polizei betont dagegen, dass sich die Sicherheitslage rund um Fußballspiele nicht entspanne. Dabei geht die Zahl der Verletzten und auch die Zahl der eingeleiteten Strafverfahren stetig zurück. Waren es in der Saison 2018/19 mehr als 6.000 eingeleitete Strafverfahren, sind es in der letzten Spielzeit noch 3.627 gewesen.   
Da den einzelnen Bundesländern die Polizei untersteht, gibt es auch unterschiedliche Einsatzstrategien. Bisher einzigartig in Deutschland sind die sogenannten Stadionallianzen in Baden-Württemberg. Hier ist das Ziel des Innenministeriums, nicht nur die Zahl der Einsatzkräfte bei einem Bundesligaspiel zu reduzieren, sondern mit allen relevanten Sicherheitspartnern im Vorfeld eine für jedes Spiel angepasste Strategie zu vereinbaren.
„Alleine als Sicherheitsakteur werden Sie dieser komplexen Vorgänge einfach nicht Herr. Es kann der Verein nicht alleine schaffen, es kann aber auch die Polizei nicht alleine schaffen“, sagt der Leiter der Landesinformationsstelle Sporteinsätze in Baden-Württemberg, Uwe Stahlmann. „Wir werden in diesen Bereichen eben nicht die Situation verbessern, indem wir uns gegenseitig den Finger zeigen und gegenseitige Schuldzuweisungen machen. Sondern dort können wir nur dann Verbesserungen erzielen, wenn wir gemeinsam agieren und gemeinsam auch Lösungen suchen.“

Stadienallianzen ersparen zehntausende Polizei-Einsatzstunden

Den Kern dieser Stadionallianzen bildet eine intensivierte spieltagsbezogene Zusammenarbeit von Klubs, Fanprojekten und der Polizei, so die offizielle Definition. Die Zahlen sprechen durchaus für sich. Laut Innenministerium konnten mit Hilfe der Stadionallianzen seit 2017 zehntausende Polizei-Einsatzstunden eingespart werden – eine Ersparnis von zwei Millionen Euro jährlich.
Mehr als 80 Prozent der Spiele in Baden-Württemberg verlaufen dabei vollkommen störungsfrei und friedlich. Maximal 2 Prozent aller Spiele sind laut Uwe Stahlmann mit Vorkommnissen und Störungen bis hin zu Ausschreitungen betroffen: „Vor Corona kann ich das mit statistischen Zahlen belegen, dass wir eine Beruhigung der Situation hatten. Und klar bin ich auch die Überzeugung, dass sich das auf die Fanszene überträgt, wenn wir eben besonnen reagieren und uns entsprechend aufstellen. Es ist mir auch relativ klar, dass wir das nicht völlig zurückdrängen können bis auf Null, aber eine Verbesserung der Situation, das ist für uns natürlich erstrebenswert.“  
Die Stadionallianzen aus Baden-Württemberg sollen nach Informationen des Deutschlandfunks demnächst auch fest in Niedersachsen angewendet werden. Andere Bundesländer könnten folgen, damit das angespannte Verhältnis zwischen Fans und Polizei nachhaltig befriedet werden kann.