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Einschnitt in Fluggastrechte

Der Europäische Fahrgastverband berät über eine Novelle der EU bei Fluggastrechten. Diese sieht vor, dass Reisende erst bei längeren Verspätungen als bisher Entschädigungszahlungen geltend machen können. Dies bedeute einen rechtlichen Einschnitt in die Ansprüche der Fluggäste, so der Verband.

Von Verena Kemna |
    Das Urteil des Fahrgastverbandes ist eindeutig: Die geplanten Änderungen bedeuten eine Verschlechterung für den Verbraucher. Eine seit 2004 geltende EU-Verordnung regelt unter anderem das Recht auf Ausgleichszahlungen für Fluggäste. Wenn etwa ein Flug überbucht ist, annulliert werden muss, der Fluggast den Zielflughafen erst mit einer dreistündigen Verspätung erreicht, dann können Verbraucher bei den Fluglinien ihre Rechte einfordern. Noch gelten folgende Ausgleichszahlungen:

    250 Euro Entschädigung gibt es bei einer Flugstrecke bis zu 1500 Kilometern, 400 Euro erhält der Fluggast bei einer bis zu dreieinhalbtausend Kilometer langen Flugstrecke. Für Langstreckenflüge besteht ein Ausgleichsanspruch von immerhin 600 Euro. Derartige Ansprüche sind in einer Novelle der EU-Verordnung nicht vorgesehen. Was derzeit im Brüsseler Parlament verhandelt wird, bedeutet einen Einschnitt in die rechtlichen Ansprüche der Fluggäste, erklärt Ronald Schmid, Rechtsanwalt für Fluggastrechte.

    "Was ich beanstande, ist, dass die Auslösegrenze, die bisher bei drei Stunden lag, also, wenn ein Passagier mehr als drei Stunden verspätet am Zielort ankam, dann hat er bereits Ansprüche gehabt. Das soll angehoben werden auf fünf Stunden, bei Mittelstreckenflügen auf neun Stunden und bei Langstreckenflügen sogar auf 12 Stunden."

    Die Novelle der EU-Verordnung sieht also vor, dass Flugreisende erst nach einer deutlich längeren Verspätung als bisher Ansprüche auf Entschädigung haben. Erstmals geregelt werden sollen Entschädigungsansprüche, wenn Flugreisende, die im Flugzeug sitzen, stundenlang auf den Start der Maschine warten müssen. Ronald Schmid befürwortet eine entsprechende Anspruchsregelung, die Details allerdings seien für Fluggäste unzumutbar.
    "Was aber schlimm ist, dass der Passagier fünf Stunden warten muss, bevor er überhaupt erst mal einen Anspruch geltend machen kann. Man erwartet von ihm, dass er es hinnimmt, fünf Stunden im Flugzeug zu sitzen, um dann einen Zwölf-Stunden-Flug anzutreten. Wenn man da überhaupt eine Regelung treffen will, dann kann es nicht mehr als drei Stunden sein, dann muss man den Anspruch haben, wieder aussteigen zu können."

    Auf dem Internetportal "Angry Passenger" werden entsprechende Nachbesserungen des Entwurfs der Fluggastrechteverordnung gefordert. Dahinter steht auch Josef Schneider vom Europäischen Fahrgastverband. Er beklagt, dass auch die Betreuung der Fluggäste sich künftig verschlechtern könnte. Noch sind Airlines verpflichtet, den Fluggast bis zum Zielort zu betreuen. Das heißt, im Fall von Verzögerungen werden Übernachtungskosten, Taxifahrten, Telefonkosten übernommen. Im neuen Entwurf muss sich der Fluggast mit 100 Euro Entschädigung pro Tag begnügen.

    "Von den hundert Euro muss ich mir dann mein Hotel, mein Zimmer finanzieren, muss mich verpflegen, muss zu Hause anrufen, dass es nicht funktioniert, muss mich gegebenenfalls fahren lassen zu dem Hotel, das ich dann finde. Das ist ein Betrag, der in vielen Destinationen völlig unauskömmlich für die Fluggäste ist."

    Der Kostenfaktor Fluggastrechte innerhalb der EU sei ein Nachteil im globalen Wettbewerb, so das Argument der Airlines. Josef Schneider vom Europäischen Fluggastbetrieb beurteilt die Situation anders:

    "Na, ich denke, im Wesentlichen ist es so, dass die Flugzeugindustrie einfach eine gute Lobbyarbeit in Brüssel betreibt. Es gibt wenig Lobbyarbeit zugunsten der Fluggäste, zugunsten der Kunden, und das sind dann einfach die Auswirkungen im politischen Alltagsbetrieb."

    Der EU-Parlamentarier Michael Cramer, Sprecher der Grünen im Verkehrsausschuss, fordert mindestens eine Gleichbehandlung von Flugverkehr und Bahn zugunsten der Verbraucher.

    "Das wird im Parlament beraten, ich hoffe, wir werden Änderungen durchsetzen, wir werden eine Mehrheit dafür kriegen. Vor allem für den fairen Wettbewerb. Man kann doch nicht sagen, bei den einen ist erst nach fünf Stunden eine Entschädigung fällig und bei den anderen schon nach einer Stunde. Das ist doch unfair, das schreit zum Himmel!"

    Nach Ansicht des Europäischen Fahrgastverbandes gehen fast alle der geplanten Änderungen zulasten der Passagiere. Wenn sich die EU-Kommission durchsetzt, dann würden mehr als zwei Drittel der Passagiere, die derzeit Entschädigungen fordern können, künftig leer ausgehen.