"Es gibt unter Jugendlichen viel Ablehnung gegenüber dem Islam. Gleichzeitig verfügen die jungen Menschen über Wissen zum Islam", sagte Lamya Kaddor im Dlf. "Man kann nicht sagen: Es sind eingefleischte Islamhasser, aber sie bedienen bestimmte Stereotype." Die Religionspädagogin leitet ein Forschungsprojekt der Universitäten Duisburg-Essen und Bielefeld zum Thema "Islamfeindlichkeit unter Jugendlichen", das von der privaten Mercator Stiftung gefördert wird. Befragt wurden dafür rund 480 Schülerinnen und Schüler in Nordrhein-Westfalen.
Vorstellung von Geschlechterrollen scheint weitverbreitet
Die Studie nennt acht Themen, die für junge Leute im Islam-Diskurs wichtig seien: die Geschlechterfrage, Gewalt, "Unzivilisiertheit", Benachteiligung, Segregation, Zugehörigkeit, Religion und Glaubenspraxis sowie Politik (Verhalten "islamischer Staaten"). Durch qualitative Befragungen wurden vier verbreitete Narrative identifiziert: Angst vor Islamismus, die Angst vor Unterdrückung, Angst vor einer Parallelgesellschaft und die Sorge um die eigene Identität. "Am stärksten haben Jugendliche angeschlagen beim Narrativ der Unterdrückung, die Vorstellung über Geschlechterrollen im Islam scheint besonders weit bei Jugendlichen verbreitet zu sein", sagte Kaddor. Bei Erwachsenen hingegen sei die Angst vor Islamismus und Islamisierung besonders ausgeprägt.
Ein Teil der Jugendlichen habe eine differenzierte Sicht und unterscheide zum Beispiel zwischen verschiedenen Strömungen im Islam sowie zwischen praktizierenden und säkularen Muslimen. Auffallend sei, dass Jugendliche, die ein eher negativ konnotiertes Wissen über den Islam haben, die muslimische Lebensrealität dennoch positiv bewerten könnten. In Tiefeninterviews fielen zum Beispiel Sätze wie: "Das Kopftuch ist ein Zeichen für die Unterdrückung der Frau", aber wenn die muslimische Freundin ein Kopftuch trage, dann werde gesagt, sie habe sich freiwillig dafür entschieden. "Offenbar besteht ein Unterschied darin, ob der Islam als Religion bewertet wird oder ob Muslime bewertet werden", sagte Kaddor.
Das meiste Wissen über den Islam bezögen die Jugendlichen aus den Massenmedien. Auf ein "beunruhigendes Ergebnis" der Studie wies Kaddor hin. Jugendliche, die in der Schule Kontakt zu muslimischen Mitschülerinnen und Mitschülern haben, seien insgesamt nicht aufgeschlossener. "Wir würden uns wünschen, dass Lehrerinnen und Lehrer stärker das Gespräch und die Begegnung suchen, die Jugendlichen suchen das nicht von allein aus", so Kaddor.