Seit Beginn des Jahres haben bereits mehr als 1.500 Menschen die Fahrt über die oft stürmische See nach Europa gewagt. Viele fliehen vor Diktatur und Krieg aus Eritrea, dem Sudan und Syrien. Der sizilianische Anwalt Carlo Emma schildert die Odyssee seiner Mandanten, es sind die wenigen Überlebenden der Schiffskatastrophe vom vergangenen 3. Oktober vor Lampedusa, bei der 356 Eritreer ertranken:
"Auf ihrer Flucht wurden sie in Libyen immer wieder eingesperrt, oft in richtige Gefängnisse mitten in der Wüste. Immer wieder hat man sie gefoltert, damit sie Lösegeld bezahlen. Erst danach hat man sie weiter an die Küste gelassen, von wo aus sie nach Sizilien fliehen wollten. Leider wissen wir, wie ihre Überfahrt endete."
Auf Lampedusa wurden die Überlebenden wochenlang in menschenunwürdigen Unterkünften untergebracht, bis ein heimlich gedrehtes Handyvideo skandalöse Entlausungsaktionen nackter Menschen auf dem Lagerhof enthüllte. Offiziell ist das Lager auf Lampedusa inzwischen geschlossen, die Neuankömmlinge der vergangenen Tage hat die italienische Küstenwacht zum größten Teil in den sizilianischen Industriehafen Augusta gebracht. Doch die weitere Verteilung ist problematisch. Die Lager sind überfüllt. Vor einigen Wochen schon hatte Italiens Innenminister Angelino Alfano Besserung versprochen:
"Wir werden die Bearbeitung der Asylanträge beschleunigen und die Prüfungskommissionen verstärken. Und die Kapazität der Aufnahmelager auf insgesamt 16.000 Plätze erhöhen."
Getan hat sich bisher nichts. In Mineo, dem größten Asylbewerberlager Europas, befinden sich derzeit mehr als 4.000 Menschen, dreimal so viele wie eigentlich Platz haben. Die langen Wartezeiten und die schlechte Unterbringung machen die Menschen krank, obwohl der Staat jährlich 800 Millionen Euro investiert. Geld, das allerdings weniger den Flüchtlingen zugute kommt, als vielmehr den Hilfsorganisationen, die die Lager betreuen. Und trotzdem wächst im krisengeplagten Land der Unmut gegen die Flüchtlinge. Die rechtsgerichtete Lega Nord organisiert Kampagnen gegen Cecile Kyenge, Ministerin für Integration und afrikanischer Herkunft.
Da fliegen Bananen, die Ministerin wird als das "Schwarze Schaf" der römischen Regierung verunglimpft und Lega-Abgeordnete schmieren sich im Parlament voller Hohn schwarze Farbe ins Gesicht. Rassismus mache sich breit, sagt der Parlamentsabgeordnete Khaled Chouki, auch er einst Einwanderer aus Marokko.
"Es handelt sich um eine gezielte Strategie der Lega Nord, mit der die Zukunftsängste in der Gesellschaft geschürt werden sollen. Die Immigranten sind die Sündenböcke, die für die Probleme in unserer Gesellschaft verantwortlich gemacht werden."
Die Lega behauptet, der Staat könne die Sozialkosten für die Immigranten nicht mehr tragen. Eine glatte Lüge, empört sich Pietro Basso, Soziologe an der Universität Venedig.
"Es heißt immer, dass die Immigranten vom europäischen Sozialsystem profitieren. Dabei geht aus allen Statistiken eindeutig hervor, dass ihre Sozialabgaben viel höher sind, als die Summe, die man für sie ausgibt."
Die italienische Lega Nord arbeitet derzeit massiv an einem Schulterschluss mit rechtsgerichteten Parteien in Frankreich und den Niederlanden und will die zunehmend ausländerfeindliche Stimmung in erhebliche Stimmengewinne bei den kommenden Europawahlen ummünzen. Die deprimierende Lage der Immigranten - speziell in Italien - komme der Lega dabei auch noch zugute, sagt Professor Basso.
"In den Lagern werden Menschen eingesperrt, ohne dass sie irgendwas Schlimmes getan hätten. Menschen, die nur um Asyl suchen und sich dann hinter Gittern wiederfinden. Wozu führt diese Diskriminierung durch die Behörden? Dazu, dass die einfachen Bürger glauben, das gehe in Ordnung und die Immigranten hätten es nicht anders verdient".