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Einwandungspolitik in Frankreich
Macrons heikler Spagat

Frankreichs Staatspräsident Macron will als Reaktion auf die Ängste vieler Bürger die Einwanderungspolitik seines Landes verschärfen. Damit greift er ein Thema auf, mit dem bislang vor allem die Rechtspopulisten um Marine Le Pen punkten. Das Vorhaben ist umstritten.

Von Anke Schaefer |
Flüchtlinge in der französischen Präfektur Grande-Synthe stehen in einer Reihe vor einem Versorgungstransporter an
Emmanuel Macron will die Einwanderungspolitik in Frankreich neu justieren. Im Moment sei sie weder human noch effektiv (PHILIPPE HUGUEN / AFP)
Sollen illegale Einwanderer in Frankreich auch zukünftig noch eine kostenlose ärztliche Grundversorgung bekommen, die das Land – laut Parlament – im Jahr ca. eine Milliarde Euro kostet? Seit Anfang des Jahres haben über 300.000 Menschen diese Leistungen in Anspruch genommen. Kann das so bleiben? Das sind Fragen, die heute in der französischen Nationalversammlung debattiert werden.
Präsident Emmanuel Macron will seine Einwanderungspolitik neu justieren. Er weiß aber, dass das schwierig wird. Am Rande des UN-Klimagipfels hat er gesagt:"Wir sind in dieser Frage bisher weder human noch effektiv. Also, ich habe vor, ganz ruhig über die Einwanderung zu sprechen."
Auftakt zum Wahlkampf
2022 sind Präsidentschaftswahlen, nächstes Jahr im März Kommunalwahlen. Der Präsident und seine Partei, La République en Marche, wollen weiterregieren, und weil eine Umfrage ergeben hat, dass sich 64 Prozent der Befragten im eigenen Land nicht mehr "wie früher zuhause fühlen" besteht also – aus Macrons Sicht - Handlungsbedarf.
"Frankreich kann nicht alle aufnehmen, wenn wir die Menschen gut aufnehmen wollen. Wir dürfen kein Land sein, das zu attraktiv ist. Wir müssen schnellstmöglich denjenigen Asyl geben, die unseren Schutz brauchen. Die, die nicht bleiben dürfen, weil sie illegal eingewandert sind oder kein Recht auf Asyl haben müssen viel effektiver zurückgeführt werden."
2017 hatte Emmanuel Macron noch einen ganz anderen Ton angeschlagen. Damals sagte er, man erlebe keine Welle der Einwanderung, das Thema brauche die Franzosen nicht zu beunruhigen. Doch 2018 haben in Frankreich 123.000 Menschen Asyl beantragt, insgesamt ein Anstieg um fast 22 Prozent und ein Rekord. Im Vergleich zu Deutschland sind das zwar immer noch wenig, da waren es 2018 nämlich knapp 186.000 Antragsteller. Doch in Frankreich ist zusätzlich zu den Asylantragstellern die Zahl der illegal einwandernden Menschen seit jeher relativ hoch.
Macrons Gegenspielerin, Marine Le Pen vom rechtsextremen Rassemblement National schlägt aus diesen Zahlen seit langem Kapital. Sie erwartet wenig von Macrons neuer Immigrationspolitik:
"Emmanuel Macron wird irgendwelche Mini-Maßnahmen ergreifen, die das Problem nicht lösen werden. Wir müssen die Familienzusammenführung beenden, wir müssen die Leute, die illegal hier sind, zurückschicken. Wir müssen all das einstellen, was unser Land für illegale Einwanderer attraktiv macht, zum Beispiel die kostenlose medizinische Grundversorgung. Aber das will Macron nicht tun. Leider, denn die Situation verschlimmert sich von Jahr zu Jahr."
Kritik von der Opposition
Emmanuel Macron will Marine Le Pen das Feld nicht überlassen. Wie kann man also die illegal Ankommenden menschenwürdig unterbringen und dann dafür sorgen, dass sie das Land auch wieder verlassen? Emmanuel Macron sagte, man müsse dem Problem ins Auge sehen. Genau das fordert nun die Opposition – z.B. Damien Abad, Abgeordneter der Républicains, also der Partei des früheren Präsidenten Sarkozy:
"Bisher hat der Präsident der Einwanderung nicht ins Auge gesehen. Die Zahl derer, die eine Aufenthaltserlaubnis bekommen haben, ist gestiegen. Die Zahl der Antragsteller auf Asyl ist gestiegen wie nie zu vor in unserem Land. Und der Staat gibt sogar mehr Geld für medizinische Unterstützung aus. Worte haben wir genug gehört. Jetzt brauchen wir konkrete Taten! Aber das wird schwierig, wenn man das mit der Linken durchsetzen will, das haben wir ja schon 2018 beim neuen Asyl- und Einwanderungs-Gesetz gesehen: keine unserer Forderungen war durchzusetzen!"
Was genau Emmanuel Marcon nun heute ankündigen wird, ist noch unklar. Das kritisieren die Kommentatoren der Zeitungen. Die Pariser Zeitung "L'Opinion" schrieb z.B. - Zitat: "Wer sich auf solch unsicheres Terrain begibt, ohne sich seiner Leitlinien und seines politischen Rückhalts sicher zu sein, geht das Risiko ein, abgehängt zu werden. Sowohl von den Rechten als auch von den Linken".