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Einweihung vor 50 Jahren
Die "Urania-Weltzeituhr" auf dem Berliner Alexanderplatz

Die Weltzeituhr, 1969 zum 20. Jahrestag der DDR-Staatsgründung errichtet, sollte den wissenschaftlich-technischen Fortschritt demonstrieren. Ihre Gestaltung wies von Anfang an über die Grenzen des eingemauerten Berlins hinaus, 1989 wurde sie zu einem der Schauplätze für die Revolutionsbewegung.

Von Andrea Westhoff |
    Weltzeituhr am Alexanderplatz in Berlin
    Vor 50 Jahren eingeweiht: Weltzeituhr am Berliner Alexanderplatz (dpa / Bildagentur-online)
    Der Berliner Alexanderplatz war in den 1960er-Jahren immer noch eine Kriegsbrache, aber zum 20. Jahrestag der DDR-Gründung im Oktober 1969 sollte er in neuem Glanz erstrahlen. Architekten und Stadtplaner wurden mit der Neugestaltung beauftragt, außerdem gab es einen Wettbewerb für Kunstobjekte auf dem "sozialistischen Platz".
    "Man hatte die Vorstellung, eine Urania-Säule wieder aufzustellen, und die sollte als Säule darstellen den wissenschaftlich-technischen Fortschritt."
    Solche meterhohen, gusseisernen Säulen hatten im Kaiserreich auf vielen Plätzen Berlins gestanden. Ausgestattet mit Thermometer, Barometer und einer Uhr obendrauf, galten sie als Symbole der Moderne, erzählt Erich John, der inzwischen 87-jährige "Vater der Weltzeituhr". Den Dozenten für Industriedesign an der Kunsthochschule in Berlin-Weißensee reizte die Aufgabenstellung, aber einfach eine große Uhr zu bauen, schien ihm zu banal:
    "Dann hab ich mir überlegt: die 68er-Bewegung in der Bundesrepublik, in der Tschechoslowakei der Dubček, und ich hab gedacht - die Mauer war da, mit der ich auch nicht einverstanden war - ich muss etwas machen, was über diese Grenzen hinausgeht: Ich muss die Zeit darstellen."
    Weltzeituhr als Symbol für Freiheit
    Und zwar in Form einer Uhr, die die Zeit überall auf der Welt anzeigt. Ein bisschen Provokation war auch dabei, den Menschen im eingemauerten Berlin zu zeigen, wie spät es in Städten ist, in die sie nicht reisen dürfen.
    Erich John: "Ich hab nie damit gerechnet, dass mein Entwurf angenommen wurde."
    Und doch geschah genau das.
    Erich Johns Weltzeituhr besteht aus drei Elementen: Die Basis ist tatsächlich eine Urania-Säule, die auf einem Steinmosaik in Form einer Windrose steht. Oben dreht sich ein Metallgestell aus Planetenkugeln und Umlaufbahnen, eine vereinfachte Darstellung des Sonnensystems. Und in der Mitte die eigentliche Uhr: Sie sieht aus wie eine dreischichtige Torte, deren 24 Abschnitte die Anzahl der Stunden eines Tages und der Hauptzeitzonen der Welt repräsentieren, erklärt Erich John:
    "Und es ist so, dass in der Mitte der Stundenring sich bewegt, und oben und unten die Wiedergabe der Erdkugel dadurch gegeben ist, dass dort die Namen stehen von verschiedenen Orten. Und nun bewegt sich die 24-Stunden-Skala in diese Weltzeitzonen hinein."
    Kugellager für Rotunde kam aus dem Westen
    Für den Bau seiner Uhr hatte Erich John allerdings denkbar wenig Zeit - nur neun Monate. Doch schnell fand er 120 Mitstreiter, die meisten aus den optischen Werken in Rathenow, die als Feierabend-Brigaden antraten. Überhaupt machte das Prestige-Projekt vieles Undenkbare möglich: zum Beispiel, als keine DDR-Firma in kurzer Zeit die riesigen Kugellager für die Drehung der Rotunde liefern konnte, aber eine Westfirma:
    "Und dann hab ich einen Brief geschrieben und sagte, entweder ich kriege jetzt die 10.000 West und ich kauf die Kugellager bei Rothe Erde Dortmund - oder es ist Schluss mit der Uhr."
    Das wollte natürlich niemand, und so war auch ein kleines Stückchen Westen dabei, als am 2. Oktober 1969 die 10 Meter hohe und 16 Tonnen schwere Weltzeituhr auf dem Alexanderplatz mit der Schlüsselübergabe eingeweiht wurde.
    "Am Ende war ich natürlich stolz, und alle waren stolz, nicht nur ich, wir hatten da ne schöne Feier, da haben die Kollegen aus Rathenow mich gepackt und hochgeschmissen" (lacht), "so wie es unter Stahlarbeitern so üblich ist, das war der aufregendste Job meines Lebens, ja."
    Treffpunkt der Bewegung im Herbst 1989
    "Wir treffen uns an der Weltzeituhr!" war seither ein geflügeltes Wort für Verabredungen in der Mitte Ost-Berlins und viele, vor allem junge DDR-Bürger verabredeten sich unter der Rotunde mit Freunden aus dem Westen. Deshalb hatte die Stasi die Uhr auch stets im Blick.
    Und mehr als einmal wurde die Weltzeituhr auch ein Treffpunkt für die, die 1989 auf bessere Zeiten warteten - oder nicht mehr warten wollten.
    Auch die Uhr selbst war vom Wandel der Zeiten betroffen: Zwar brauchte die Konstruktion nur wenig Renovierung: Der Elektromotor wurde ausgetauscht, das umgebaute Trabi-Getriebe läuft jedoch immer noch. Aber statt "Leningrad" steht heute "St. Petersburg" auf einer der Weltzeitzonentafeln, und ein paar Städtenamen, wie etwa Jerusalem, wurden hinzugefügt.