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Große Shoppingcenter in der Kritik

Überall in Deutschland gibt es Shoppingcenter. Bei Neuplanungen stoßen die Initiatoren aber immer mehr auf Widerstand. In Mainz verhinderten die Gegner einen Neubau mitten in der Innenstadt - aber auch grundsätzlich werden solche Malls immer mehr in Zweifel gezogen.

Von Monika Dittrich und Helmut Frei |
    Kunden laufen durch das Einkaufszentrums "Limbecker Platz" in Essen. Auf insgesamt 70 000 Quadratmetern Fläche sind mehr als 200 Geschäfte und Restaurants untergebracht, wie der Hamburger Betreiber ECE erklärt.
    Blick in den "Limbecker Platz", Essen: ECE betreibt hier ein 70.000 Quadratmeter großes Shoppingcenter. (picture alliance / dpa / Julian Stratenschulte)
    "Sehen Sie mal die Straßen, die kleinen Häuser hier! Dazwischen die Bäume, Brunnen, das ist das, was man sich wünscht."
    Wenn Hartwig Daniels durch die Mainzer Altstadt spaziert, dann gerät er ins Schwärmen. Er zeigt wuselige Gassen und gemütliche Weinstuben, wieder hergestellte Fachwerkhäuser und die typischen Mainzer Plätze. Er parliert über Architektur und Geschichte und immer wieder blickt er auf das Wahrzeichen der Stadt.
    "Von praktisch allen wichtigen Punkten der Stadt sieht man den Dom. Und das ist auch eine Herzensangelegenheit der Mainzer, dass man den bitteschön immer sehen möge."
    Für Hartwig Daniels ist es unvorstellbar, diesen Domblick zu verbauen und ein großes Einkaufszentrum mitten in die kleinteilige Mainzer Altstadt zu pflanzen. Als er vor vier Jahren von diesen Plänen hörte, begann sein Feldzug gegen den Bau eines solchen Shoppingcenters.
    "Shoppingcenter sind in sich selbst genügsame Kolosse, sie wenden sich mit glatten Außenfassaden von der Stadt ab, sie wehren die Stadt geradezu ab."
    Daniels, 65 Jahre alt, ist ein agiler Rentner, studierter Soziologe, früher war er selbstständig mit einer Firma für Medizintechnik. Heute ist er Kopf, Herz und Hand der Bürgerinitiative Ludwigstraße, einer Vereinigung mit 700 Mitgliedern, die sich in beispielloser Weise in die Mainzer Stadtplanung eingemischt hat – und so wohl maßgeblich dazu beitrug, dass es die ursprünglich geplante Mall in der rheinland-pfälzischen Stadt niemals geben wird. Daniels und seine Mitstreiter haben einen Kampf geführt, von dem noch zu erzählen sein wird. Den Vergleich mit David gegen Goliath findet Hartwig Daniels jedenfalls zutreffend:
    "Wir haben sicherlich einen Anteil daran, dass in der Bevölkerung die Stimmung gekippt ist. ECE versucht deshalb immer, so schnell wie möglich die Planungen durchzusetzen, in der Verwaltung Zustimmung zu finden, Verträge zu schließen, mit dem OB, mit der Verwaltung. Denn sie haben feststellen müssen, je länger die Diskussion um die Ansiedlung in einer Stadt dauert, umso mehr geht die Stimmung gegen ECE, weil die Leute sich bewusst werden, was auf sie zukommt für ein Koloss."
    ECE entwickelt seit 50 Jahren Shoppingcenter
    ECE: Das ist in diesem Fall Goliath. Ein perfektes Feindbild für Leute wie Hartwig Daniels. ECE steht für Einkaufs-Center-Entwicklungsgesellschaft, gegründet vor 50 Jahren von Werner Otto, der zuvor schon seinen Otto-Versand groß gemacht hatte. 1969 eröffnete er die erste Shoppingmall nach amerikanischem Vorbild: das Franken-Zentrum in Nürnberg. Heute ist ECE europäischer Marktführer für Entwicklung und Betrieb von Shoppingcentern. Knapp 200 Center verwaltet ECE, etwa 60 davon im Ausland. Es sind Paläste aus Glas und Marmor mit jeweils zehntausenden Quadratmetern Verkaufsfläche, mit Restaurants, Springbrunnen, Rolltreppen. Zu den bekanntesten gehören die Potsdamer Platz Arkaden in Berlin, die Kö-Galerie in Düsseldorf oder das Milaneo in Stuttgart. 3.600 Mitarbeiter hat ECE, 1.500 allein auf dem Hamburger ECE-Campus, wie sie die Zentrale hier nennen.
    Der Mann, der dieses Imperium regiert, ist Alexander Otto, der jüngste Sohn des Unternehmensgründers. 48 Jahre alt, Harvard-Absolvent, Milliardär, Mäzen. Ein hochgewachsener Mann mit grauem Haar und feinen Gesichtszügen, randlose Brille. Er spricht zurückhaltend; fast leise zählt er auf, welche Vorteile eine Stadt von einem Shoppingcenter hat.
    Alexander Otto, der Sohn des Otto-Versand-Gründers Werner Otto
    Alexander Otto, der Sohn des Otto-Versand-Gründers Werner Otto (Imago / Wolf P. Prange)
    "Da hat man eine interessante, neue, architektonisch hochwertige Immobilie, interessante, neue Mieter in einer Stadt. Aber es ist alles sehr individuell. Und das respektieren wir auch in den Städten."
    Die Kritik an seinen Shoppingcentern hat der Unternehmer schon hundertfach gehört, seine Antworten klingen so eloquent wie automatisiert:
    "Ich denke, die meisten Fälle geben uns sicherlich Recht, dass dadurch zusätzliche Magnetkraft in den Innenstädten erzielt wird. Denn man kann ja viele Sortimente gar nicht mehr so gut in den Innenstädten ansiedeln, wie zum Beispiel große Lebensmittelbetriebe oder Unterhaltungselektroniker. Da sind oft die Flächen gar nicht da in den kleinteiligen Strukturen, die es oft in den Innenstädten gibt. Und natürlich schafft man dadurch auch ein zusätzliches Parkplatzangebot."
    Shoppingcenter als Magnet oder als Staubsauger?
    Shoppingcenter wirkten wie ein Magnet, argumentieren die Entwickler, und dieser Magnet ziehe Kunden aus dem Umland in die Stadt hinein. Bereits ansässige Einzelhändler würden also von der zusätzlichen Kaufkraft profitieren, die das Center in die Stadt hole. Und es entstünden obendrein neue Arbeitsplätze. All das klingt verlockend, doch Studien belegen das Gegenteil:
    "Das heißt, dass die Versprechen, die die Entwickler von Shoppingcentern machen, in aller Regel sich nicht erfüllen", sagt Monika Walther. Die Wirtschaftswissenschaftlerin untersucht seit Jahren die Wirkung von Shoppingcentern. Früher forschte sie an der HafenCity Universität Hamburg, heute lebt sie in Niedersachsen und betreibt dort ein kleines Beratungsunternehmen. Ihre Erkenntnis: Für die meisten Städte ist der Bau einer Shoppingmall ein schlechtes Geschäft. Die Ökonomin hat festgestellt, "dass über kurz oder lang die zugkräftigen Mieter aus der Fußgängerzone in das Shoppingcenter umziehen und dadurch das Angebot in der Fußgängerzone oder in den Geschäftsstraßen immer schlechter wird."
    Es sei mitnichten so, dass zusätzliche Kaufkraft von außen angezogen werde, sagt Monika Walther.
    "Oftmals ist es eben so, dass dann ein interner Umverteilungsprozess stattfindet und eben der Umsatz aus dem bestehenden Einzelhandel sich verlagert nur."
    Mainz am Rheinufer
    Mainz am Rheinufer (Landeshauptstadt Mainz)
    Und zwar in das Shoppingcenter hinein, weshalb Fachleute von einem Staubsaugereffekt sprechen: Die Mall saugt die Kunden auf und hält sie fest. In der verschachtelten Mainzer Innenstadt fürchten viele Einzelhändler genau solch ein Szenario. Doris Wolff führt gemeinsam mit ihrer Schwester ein Geschäft für feine italienische Tuchwaren und Stoffe. Ein Shoppingcenter gleich in der Nähe wäre für sie ein Albtraum:
    "Also, ich würde keine Zukunft sehen, für unser Geschäft auf gar keinen Fall. Ich meine, in diese Shoppingmall sollen ja wieder die ganzen Ketten reinkommen, das zielt darauf ab, dass die Leute sich dort aufhalten und nicht mehr drum herum gehen sollen. Das ist der Gedanke."
    Hartwig Daniels: "Die spekulieren darauf, dass Leute kommen mit dem Auto, billig auf dem Dach parken, dann reingehen, einkaufen, diese ganzen geschlängelten Innenwege und Gedärme des Zentrums durchgehen, vielleicht noch etwas essen und dann wieder aufs Dach raufgehen und dann raus mit dem Auto."
    Hartwig Daniels von der Mainzer Bürgerinitiative stört sich aber auch daran, dass durch Shoppingmalls immer mehr öffentliche Flächen verloren gingen, wo Bürger sich zu jeder Tages- und Nachtzeit aufhalten und auch ihre Meinung kundtun dürfen:
    "Eine Shoppingmall ist praktisch ein privatisierter, in ein Gebäude verlegter Fußgängerbereich und darin herrscht Hausrecht. Und wenn Sie da versuchen - als Verdi-Mitglied zum Beispiel - Handzettel zu verteilen, dann fliegen Sie hochkantig raus. Das heißt, es ist die Privatisierung der öffentlichen Sphäre und das ist unerträglich."
    Otto: "Ich denke jedoch, dass der Kunde das positiv sieht natürlich, weil die Flächen professionell betrieben werden, dass sie dort immer hell, freundlich, sicher und sauber sind, das es keine Angsträume gibt, weil wir immer kräftig nachinvestieren und für einen guten Betrieb sorgen."
    Untersuchung zeigen Verluste für die Innenstädte
    Guter Betrieb im Center bedeutet für die umliegende Innenstadt aber häufig Verluste. Wenn die großen Filialisten von der Fußgängerzone ins Shoppingcenter ziehen und leere Ladenlokale hinterlassen, dann sinken die Immobilien- und Mietpreise in den sogenannten 1A-Lagen, also den besten Geschäftsstraßen – und zwar um bis zu 30 Prozent – wie Untersuchungen zeigen. ECE-Chef Alexander Otto widerspricht dem nicht.
    "Das ist einfach das Gesetz von Angebot und Nachfrage. Und wenn mehr Fläche zur Verfügung steht, dann ist das eigentlich sehr gut für den Handel, weil dann hat er mehr Wahlmöglichkeiten und bessere Mietpreise. Aber das ist eben klassisches Thema Wettbewerb."
    Drei neue Shoppingcenter wird ECE noch in diesem Jahr in Deutschland eröffnen: in Aachen, in Neumünster und in Ludwigsburg. Meistens verkauft ECE die Gebäude bereits in der Bauphase etwa an Immobilien- oder Rentenfonds, verwaltet die Häuser aber weiterhin. Über Jahre hinweg war das ein lukratives Geschäftsmodell, doch in Zukunft werden wohl nicht mehr so viele Einkaufszentren entstehen. Der deutsche Markt dürfte bald gesättigt sein und die Konkurrenz der Internethändler ist groß.
    ECE reagiert auf diesen Wandel: So entwickelt das Unternehmen Shopping-Apps fürs Handy, um das Einkaufen im Netz mit dem im Geschäft zu verknüpfen. Außerdem baut ECE inzwischen auch Büros, Hotels und Logistikzentren. Und wo immer es noch geht, da werden auch noch neue Shoppingcenter eröffnet.
    Kaiserslautern eröffnet jüngst ein Shoppingcenter
    Kaiserslautern, an einem kühlen Morgen im März. Auch hier hat ECE ein neues Shoppingcenter gebaut, das "K in Lautern". Es ist entstanden auf dem Areal eines zuvor leer stehenden Karstadt-Gebäudes. Am Tag der Eröffnung drängeln sich Tausende Menschen vor dem Eingang, bevor Oberbürgermeister Klaus Weichel feierlich das rote Band durchtrennt.
    "Schönen guten Morgen auch von mir, eine Bitte von mir: Bevor ihr alle hier rein rennt, wartet, bis wir aus dem Weg sind."
    Hundert Geschäfte auf über 20.000 Quadratmetern, darunter die Billig-Modekette Primark, C&A, die Parfümerie Douglas und der Discounter Aldi.
    - "Ist sehr schön für die Stadt, dass wir jetzt so eine Einkaufspassage haben, mit der Mall hier. Das ist schon umwerfend."
    - "Das ist megagut, Gott sei Dank haben wir was Gescheites in Lautern!"
    Die Stadt Kaiserslautern aus der Luft.
    Die Stadt Kaiserslautern aus der Luft. (picture alliance / dpa / Ronald Wittek)
    Ein Reporter des Bürgerfernsehens in Kaiserslautern hat sich am Eröffnungstag unter die Kunden gemischt. Er befragt auch Oberbürgermeister Klaus Weichel, der beim Kaffee in einer Bäckerei sitzt. Der Sozialdemokrat wirkt erleichtert:
    "Also, das ist unbeschreiblich. Vier Jahre harter Arbeit gehen heute zu Ende, vier Jahre umfangreicher politischer Überzeugungsarbeit."
    Wie in vielen deutschen Städten war auch in Kaiserslautern erbittert darüber gestritten worden, ob die Innenstadt ein so großes Shoppingcenter verträgt. Doch in einem Bürgerentscheid votierten zwei Drittel für die Einkaufsgalerie, und auch eine Klage der Mall-Gegner scheiterte. Monika Walther, die Ökonomin, sieht allerdings nichts Gutes auf Kaiserslautern zukommen:
    "Weil das Center im Verhältnis zum Geschäftsangebot in der Fußgängerzone zu groß ist und das wird über kurz oder lang dazu führen, dass die Randbereiche der Fußgängerzone abbröckeln werden."
    Bereits Auswirkungen spürbar
    Das sei schon jetzt spürbar, sagt Gilda Klein-Koksch. Sie sitzt für die Grünen im Stadtrat von Kaiserslautern. Die Eisenbahnstraße zum Beispiel, die den Bahnhof und das Stadtzentrum von Kaiserslautern verbindet, sei früher viel geschäftiger gewesen:
    "Im Moment merkt man die Auswirkungen der Mall, dass peu à peu die Geschäfte dichtmachen oder schon vorher klar war, dass sie in die Mall umziehen. Und man sieht also schon so abschnittsweise das Sterben der Straße."
    Bleibt die Frage, warum Stadtverwaltungen dem Bau von Shoppingcentern in dieser Größe und mit der starren Ausrichtung nach innen zustimmen. Hartwig Daniels, der Mall-Gegner aus Mainz, hat eine These: Die Verantwortlichen in der Kommunalpolitik ließen sich einlullen. Die Entwickler prognostizierten Nachteile für den Einkaufsstandort, wenn kein Shoppingcenter gebaut werde:
    "Es wird kombiniert, dass sie sagen, hören Sie mal, Sie haben da einen Schandfleck. Es ist immer der Schandfleck. Und den Schandfleck, den kaufen sie vorher, das ist ein altes Kaufhaus."
    Lassen sich Stadtverwaltungen und Oberbürgermeister also über den Tisch ziehen? Alexander Otto, der Chef von ECE, kneift die Augen zusammen und schüttelt den Kopf:
    "Ja, das ist ja nicht der Fall. Ich sehe es eher im Gegenteil so, gerade wenn es um Neuinvestitionen geht, bekommen wir oft Kriterienkataloge vorgelegt, was wir alles erfüllen müssen. Und obwohl wir oft gegenüber der bestehenden Situation eine deutliche Verbesserung schaffen, kann sozusagen nichts gut genug sein."
    Vorwurf von Gefälligkeitsgutachten
    Die ECE-Gegner behaupten, viele Städte ließen Gutachten erstellen, die belegen sollen, dass der Bau eines Shoppingcenters sinnvoll sei. Diese Gutachten würden meistens von Geschäftspartnern von ECE erstellt und seien reine Gefälligkeitsgutachten. ECE weist diesen Vorwurf zurück: Es gebe immer mehrere Gutachten, die der Gegner und die der Befürworter, wobei ECE nur mit seriösen Instituten zusammenarbeite. Ein Unternehmenssprecher erklärte wörtlich, keine Stadt sei so dumm, sich auf ein einziges Gutachten zu verlassen. So ganz von der Hand zu weisen sei der Eindruck der ECE-freundlichen Gutachten aber nicht, sagt die Ökonomin Monika Walther:
    "Manchmal kann ich es wirklich nicht nachvollziehen, warum die Gutachter das machen. Aber es ist so."
    Auch in Mainz gab es ein umstrittenes Gutachten. Und auch in Mainz kaufte ECE einen städtebaulichen Schandfleck, den seit Jahrzehnten unsanierten Karstadt. Das war 2011 und anfangs schien es so, als renne ECE offene Türen ein, denn die Stadt hatte wohlwollende Unterstützung für ein Einkaufszentrum signalisiert – sie hatte allerdings auch ein Bürgerbeteiligungsverfahren angekündigt, die sogenannten Ludwigstraßen-Foren.
    Dort ging es hoch her, Bürger mischten sich ein, es entstand die Bürgerinitiative. Verbände, Architekten, Parteien – sie alle diskutierten mit. Und verständigten sich auf Bedingungen, die beim Bau eines Einkaufszentrums zu erfüllen seien: nur 25.000 statt 30.000 Quadratmeter Verkaufsfläche, kein monolithischer Mall-Block, sondern kleinteilige Bebauung, Zugang zu den Geschäften im Erdgeschoss über öffentliche Straßen, eine urbane Mischung mit Wohnungen und Kultureinrichtungen, über einen Kindergarten sollte nachgedacht werden. Der Stadtrat stimmte diesem Konzept im Herbst 2012 mit 97-prozentiger Mehrheit zu. Und mit diesen Leitlinien ging die Stadtspitze nun also in die Verhandlungen mit ECE - doch dann passierte etwas, das Hartwig Daniels bis heute kaum fassen kann:
    "Nichts von den wichtigen Sachen wurde von ECE akzeptiert. Die Verhandlungsgruppe der Stadt ist eingeknickt und hat alle entscheidenden Wünsche von ECE erfüllt."
    Mainzer Verhandlungsprotokolle zeigen Einknicken der Stadt
    Hartwig Daniels fand das heraus, weil seine Bürgerinitiative über das Landesinformationsfreiheitsgesetz die Herausgabe der geheimen Verhandlungsprotokolle zwischen Stadt und ECE erzwangen. Dort ist etwa Folgendes zu lesen:
    "Ansatzweise wird diskutiert, ob über Scheinfassaden, potemkinsche Dörfer oder sogenannte Fakes die große Baumasse (...) gegliedert bzw. optisch verharmlost werden kann."
    Tatsächlich verabschiedete der Stadtrat Ende 2013 den mit ECE ausgehandelten Vorschlag; wohl auch, um das Thema aus dem Kommunalwahlkampf herauszuhalten. Der Bund Deutscher Architekten sieht in dem Konzept allerdings nicht die geforderte kleinteilige Quartierslösung, sondern eine klassischen Mall, wie ECE sie von Anfang an geplant habe. Die Stadt habe den Willen der Bürger dreist missachtet, sagt Hartwig Daniels. Schwere Vorwürfe, die sich der amtierende Mainzer Oberbürgermeister, Michael Ebling, ein Sozialdemokrat, nicht gefallen lassen will:
    "Gut, ich finde es etwas ärmlich, wenn das die Kritik der Kritiker sein sollte. Man muss sich mit mehreren Menschen verständigen, das ist das Wesen des Kompromisses. Und das muss dann vielleicht auch noch mancher Hitzesturm in der Bürgerinitiative auch noch lernen."
    Das Wort Shoppingcenter hält Ebling für einen Kampfbegriff, er spreche lieber von einem Einkaufsquartier. Und das sei durchaus nötig:
    "Was wir in Mainz brauchen, ist mehr Angebot an Einzelhandel. Jede Untersuchung belegt uns, dass wir natürlich auch noch ein bisschen mehr Angebot gebrauchen könnten, um unsere Magnetfunktion auch wirklich voll auszuspielen."
    Wieder das Argument vom Magneten: Dass eine Stadt wie Mainz mehr Geschäfte braucht, hält die Ökonomin Monika Walther allerdings für eine gewagte These:
    "Nein, also zu wenig Einzelhandel haben wir eigentlich nirgendwo in Deutschland."
    In Mainz wird vorerst wohl kein Shoppingcenter gebaut werden. Vor einigen Wochen zog ECE das Angebot zurück. Dem Konzern ist es nicht gelungen, die entscheidenden Grundstücke um Karstadt herum zu kaufen, insbesondere der Eigentümer eines Pavillons am Gutenbergplatz weigerte sich, an ECE zu verkaufen. Die Bürgerinitiative hatte ihn zuvor auf ihre Seite gebracht hatte. Was sagt ECE-Chef Alexander Otto zu dieser zähen Gegenwehr?
    "Ich weiß jetzt nicht, wie ich das einordnen soll. Es bilden sich halt heute, es ist einfach ein Phänomen unserer Zeit, dass sich solche Bürgerinitiativen bilden, die sehr aktiv am politischen Leben teilnehmen."
    In der Branche ist hinter vorgehaltener Hand allerdings auch von einer Blamage für ECE die Rede. Er nehme es sportlich, kontert Otto. Wie es nun weitergeht in Mainz?
    "Wir würden gern weiterhin in Mainz investieren, sind aber aufgrund der Lage im Handel und der langwierigen Verhandlungen auch zu dem Schluss gekommen, dass es für uns besser wäre, dort einfach ein Geschäftshaus zu errichten. Aber dass wir da nicht ein klassisches Shoppingcenter etablieren wollen."
    Hartwig Daniels freut sich über diese Aussage. Dass mit dem unsanierten Karstadt etwas passieren muss, findet er auch – nur eine Mall will er nicht. Und er hat seine Zweifel, ob ECE überhaupt noch irgendetwas in Mainz bauen wird:
    "Ich denke, die werden das Handtuch werfen."
    Programmtipp: Dieser Beitrag ist Teil der Serie "Konsum heute" im "Hintergrund", 30.7.-1.8.2015