"Alles reduziert" steht auf den Angebotsschildern in der Galeria Kaufhof in Neubrandenburg. Und: "Bis zu 50 Prozent." Vorwiegend ältere Menschen greifen an diesem Morgen Mitte August zu Kleidung, Spielzeug, Parfüm oder Schreibwaren. Bald müssen sie woanders einkaufen, denn auf den Plakaten steht unmissverständlich: "Wir schließen diese Filiale."
"Mein erster Gedanke war: Mist."
Der Parteilose Silvio Witt regiert seit 2015 als Oberbürgermeister Neubrandenburgs, mit 65.000 Einwohnern drittgrößte Stadt in Mecklenburg-Vorpommern.
"Das ist ja eine Geschichte, die auch schon vor meiner Amtszeit immer wieder auftauchte. Das Haus ist ja - meines Wissens nach - im damaligen Kaufhof-Konzern das einzige Haus ohne Rolltreppe gewesen und das kleinste Haus. Also wusste man schon immer, wenn es darum ging, die Strukturen sollen gestrafft werden im Unternehmen, dass wir Diskussionsgegenstand sein werden. Und es ist immer gelungen, das zu verhindern, also eine Schließung zu verhindern."
Deswegen verbindet die Galeria Kaufhof noch den Marktplatz mit der Einkaufsgalerie Marien-Carée und der Haupteinkaufsstraße der Innenstadt.
"Der Kaufhof hat einen großen Stellenwert hier, der zieht auch überregionale Kunden an."
Petra Voß führt seit der Wende in der Haupteinkaufstraße einen Laden für Männermode.
"Ich bin natürlich mittel-, hochpreisig. Er ist eben der Kaufhof. Jeder Kunde kann ja kaufen, wo er will. Er hat ein Vollsortiment, das darf man nicht vergessen. Ich bedauere das ganz, ganz doll, dass der Kaufhof schließt. Wir sind ja eng mit unserem Oberbürgermeister, mit der IHK, mit dem Einzelhandelsverband, kämpfen wir darum, dass wir kein schwarzes Loch behalten."
"Mein erster Gedanke war: Mist."
Der Parteilose Silvio Witt regiert seit 2015 als Oberbürgermeister Neubrandenburgs, mit 65.000 Einwohnern drittgrößte Stadt in Mecklenburg-Vorpommern.
"Das ist ja eine Geschichte, die auch schon vor meiner Amtszeit immer wieder auftauchte. Das Haus ist ja - meines Wissens nach - im damaligen Kaufhof-Konzern das einzige Haus ohne Rolltreppe gewesen und das kleinste Haus. Also wusste man schon immer, wenn es darum ging, die Strukturen sollen gestrafft werden im Unternehmen, dass wir Diskussionsgegenstand sein werden. Und es ist immer gelungen, das zu verhindern, also eine Schließung zu verhindern."
Deswegen verbindet die Galeria Kaufhof noch den Marktplatz mit der Einkaufsgalerie Marien-Carée und der Haupteinkaufsstraße der Innenstadt.
"Der Kaufhof hat einen großen Stellenwert hier, der zieht auch überregionale Kunden an."
Petra Voß führt seit der Wende in der Haupteinkaufstraße einen Laden für Männermode.
"Ich bin natürlich mittel-, hochpreisig. Er ist eben der Kaufhof. Jeder Kunde kann ja kaufen, wo er will. Er hat ein Vollsortiment, das darf man nicht vergessen. Ich bedauere das ganz, ganz doll, dass der Kaufhof schließt. Wir sind ja eng mit unserem Oberbürgermeister, mit der IHK, mit dem Einzelhandelsverband, kämpfen wir darum, dass wir kein schwarzes Loch behalten."
Schließung von Filialen bringt große Probleme
Über drohende Löcher und Leerstände in den Innenstädten zerbrechen sich reihenweise Kommunen, Vermieter und Händler den Kopf, seitdem der Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof im Juni seine Schließungsliste veröffentlichte: 62 von 172 Häusern werden dichtgemacht. Seitdem verhandeln landauf und landab Kommunen und Vermieter mit dem Warenhauskonzern. Einige erfolgreich. Zwölf Warenhäuser bleiben erhalten. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Gerrit Heinemann hat viele Jahre im Handel gearbeitet. Der Wirtschaftswissenschaftler lehrt heute an der Hochschule Niederrhein:
"An eine Trendwende glaubt, glaube ich, kein Experte im Handel, weil die Warenhäuser sind alte Dinosaurier, die sind 170 Jahre alt und hatten mal irgendwo über zehn Prozent Marktanteil und jetzt nicht mal mehr ein Prozent. Es geht also weiter gegen Null und es werden wahrscheinlich nur relativ große sogenannte Weltstadthäuser in Metropolstandorten überleben können."
"An eine Trendwende glaubt, glaube ich, kein Experte im Handel, weil die Warenhäuser sind alte Dinosaurier, die sind 170 Jahre alt und hatten mal irgendwo über zehn Prozent Marktanteil und jetzt nicht mal mehr ein Prozent. Es geht also weiter gegen Null und es werden wahrscheinlich nur relativ große sogenannte Weltstadthäuser in Metropolstandorten überleben können."
Ältere kennen noch die Vielfalt an Warenhäusern. Ihnen sagen Namen wie Wertheim oder Hertie etwas. Seitdem Karstadt und sein Konkurrent Kaufhof fusionierten, gibt es nur noch einen Warenhauskonzern mit bundesweiter Präsens – und der steckt tief in der Krise. Seit Anfang April befindet sich der Warenhauskonzern, der zur österreichischen Signa-Holding gehört, in einer Vorstufe der Insolvenz. Am 1. September soll der Gläubigerausschuss über den Insolvenzplan entscheiden. Davon hängt ab, ob der Warenhauskonzern ganz geschlossen oder, wovon auszugehen ist, der Sanierungsplan umgesetzt wird.
Einzelhandel kämpft generell ums Überleben
Neben dem letzten Warenhaus-Dinosaurier kämpfen auch viele Einzelhändler hierzulande um ihr Überleben. Gab es im Jahr 2002 noch 418.000 Einzelhandelsunternehmen, waren es 2019 weniger als 340.000. Schwierig ist die Lage vor allem in den Innenstädten. Tief in der Krise stecken auch Filialisten, die früher Scharen in die Innenstädte lockten. Esprit schließt jeden zweiten Laden. Appelrath-Cüpper und Hallhuber befinden sich in Insolvenz in Eigenverwaltung.
Schon vor der Pandemie erwarteten Experten die Aufgabe weiterer 64.000 Einzelhandelsunternehmen bis zum Jahr 2030. Jetzt dürfte es schneller gehen. Gerrit Heinemann: "Ende 2021 geht ja der Handelsverband Deutschland von mindestens 50.000 Geschäftsaufgaben aus, wenn nicht ein zweiter Shutdown kommt. Ich gehe sogar von bis zu 200.000 lokalen Händlern aus."
Aufgrund der geringen Größe vieler lokaler Händler ist es ein überschaubarer Umsatz.
"Das sind vielleicht sechs, sieben Prozent Marktanteil, die dann fehlen würden."
Schon heute sind die Innenstädte oft monoton und abends ausgestorben, weil Menschen dort fast nur einkaufen und arbeiten und wenig wohnen oder feiern. Um die Zukunft der Innenstadt zu prognostizieren, hilft zunächst ein Blick in ihre Vergangenheit. Traditionell galt in deutschen Städten der zentrale Marktplatz als Mittelpunkt des Handels. Sein Stellenwert wandelte sich Anfang des 20. Jahrhunderts mit dem Aufkommen der Konsumgesellschaft. Große Warenhäuser entstanden wie das markante Kaufhaus des Westens in Berlin oder Harrods in London. Gleichzeitig eröffneten reihenweise Fachgeschäfte für all die neuen Waren in den Innenstädten, ob für Möbel, Lampen, Zigarren oder Wäsche.
Aufgrund der geringen Größe vieler lokaler Händler ist es ein überschaubarer Umsatz.
"Das sind vielleicht sechs, sieben Prozent Marktanteil, die dann fehlen würden."
Schon heute sind die Innenstädte oft monoton und abends ausgestorben, weil Menschen dort fast nur einkaufen und arbeiten und wenig wohnen oder feiern. Um die Zukunft der Innenstadt zu prognostizieren, hilft zunächst ein Blick in ihre Vergangenheit. Traditionell galt in deutschen Städten der zentrale Marktplatz als Mittelpunkt des Handels. Sein Stellenwert wandelte sich Anfang des 20. Jahrhunderts mit dem Aufkommen der Konsumgesellschaft. Große Warenhäuser entstanden wie das markante Kaufhaus des Westens in Berlin oder Harrods in London. Gleichzeitig eröffneten reihenweise Fachgeschäfte für all die neuen Waren in den Innenstädten, ob für Möbel, Lampen, Zigarren oder Wäsche.
In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts verdrängten Supermärkte, Discounter und Filialisten einen Großteil des klassischen Facheinzelhandels. Und es entstanden Fußgängerzonen. Man könnte meinen, sie gehörten zum Inventar europäischer Innenstädte, so alltäglich sind sie für uns. Aber die erste Fußgängerzone eröffnete in Europa erst 1953 in Rotterdam. Im gleichen Jahr weihte Kassel seine Treppenstraße ein. Die 578 Stufen sind so angelegt, dass Menschen ihr Schritttempo verlangsamen und somit länger vor den Schaufenstern verweilen. Solche Konsumanreize gab es bald in vielen Innenstädten.
Ab den 1960er-Jahren wiesen Städte dann zunehmend an ihren Rändern neue Gewerbegebiete aus, wo sich Handelsunternehmen gewissermaßen auf der grünen Wiese niederließen. Möbelhäuser, Baumärkte oder Supermärkte: Sie zogen Kunden aus den Innenstädten ab. Und ab den 2000er-Jahren bekam dann allerdings der gesamte stationäre Einzelhandel Konkurrenz durch den Onlinehandel.
"Eines zeichnet sich ganz klar ab, dass der Gewinner der Corona-Krise der Onlinehandel ist, der eben massive Marktanteil dazugewinnt und auch in Zukunft wahrscheinlich weiter wachsen wird auf Kosten der stationären Händler. Das wollen die Kunden so, das ist auch nicht zu verhindern."
Ab den 1960er-Jahren wiesen Städte dann zunehmend an ihren Rändern neue Gewerbegebiete aus, wo sich Handelsunternehmen gewissermaßen auf der grünen Wiese niederließen. Möbelhäuser, Baumärkte oder Supermärkte: Sie zogen Kunden aus den Innenstädten ab. Und ab den 2000er-Jahren bekam dann allerdings der gesamte stationäre Einzelhandel Konkurrenz durch den Onlinehandel.
"Eines zeichnet sich ganz klar ab, dass der Gewinner der Corona-Krise der Onlinehandel ist, der eben massive Marktanteil dazugewinnt und auch in Zukunft wahrscheinlich weiter wachsen wird auf Kosten der stationären Händler. Das wollen die Kunden so, das ist auch nicht zu verhindern."
Einkaufsstadt ist Auslaufmodell für viele Kommunen
Trotzdem definieren sich viele Städte in Deutschland weiter als Einkaufsstadt, auch Neubrandenburg. Oberbürgermeister Silvio Witt.
"Ja, so eine klassische Einkaufsstadt."
Die Kreisstadt profitiert dabei auch von dem Niedergang des Handels in kleineren Umlandgemeinden.
"Wenn man in die ehemaligen Kreisstädte guckt, der Kreis Mecklenburgische Seenplatte ist ja fusioniert aus drei Landkreisen und einer kreisfreien Stadt, dann sind wesentliche Einzelhandelssortimente in den kleineren Städten kaum vorhanden, muss man einfach so sagen. Gerade die Grundzentren, aber auch die Mittelzentren haben verschiedene Sortimente gar nicht mehr im Angebot. Das zieht sich aber auch weiter durch, was Ärzteversorgung betrifft, Fachärzteversorgung. Sie sind eigentlich im Umkreis von 100 Kilometer nur in der Stadt Neubrandenburg zu finden. Das ist die Entwicklung der letzten 30 Jahre."
"Ja, so eine klassische Einkaufsstadt."
Die Kreisstadt profitiert dabei auch von dem Niedergang des Handels in kleineren Umlandgemeinden.
"Wenn man in die ehemaligen Kreisstädte guckt, der Kreis Mecklenburgische Seenplatte ist ja fusioniert aus drei Landkreisen und einer kreisfreien Stadt, dann sind wesentliche Einzelhandelssortimente in den kleineren Städten kaum vorhanden, muss man einfach so sagen. Gerade die Grundzentren, aber auch die Mittelzentren haben verschiedene Sortimente gar nicht mehr im Angebot. Das zieht sich aber auch weiter durch, was Ärzteversorgung betrifft, Fachärzteversorgung. Sie sind eigentlich im Umkreis von 100 Kilometer nur in der Stadt Neubrandenburg zu finden. Das ist die Entwicklung der letzten 30 Jahre."
In Berlin, München, Hamburg oder Köln werden wohl auch künftig viele Menschen einkaufen gehen. Aber andere Städte werden sich wohl von dem Konzept der Einkaufsstadt verabschieden müssen. Profitieren könnten dagegen jene Einkaufsstädte, in deren Zentrum es weiter ein Warenhaus gibt. Immobilienökonom Christian Oberst vom arbeitgebernahen Institut der Deutschen Wirtschaft:
"Wir kaufen immer mehr online ein. Wir gehen immer seltener in diese großen Einkaufshäuser rein. Aber wenn wir in die Innenstadt wollen, gehen wir in Innenstädte, in denen sie dann doch noch vor Ort sind. Das könnte man auch so sehen, dass das eine Konzentration an Anbietern gibt. Das heißt, die Innenstädte, die diese Kaufhäuser dann noch vorhalten, dass sie insgesamt attraktiver sind und gerade für einen kleineren Standort, der dann diese größeren Kaufhäuser verliert, dass dann die Attraktivität insgesamt abnimmt."
Große Unterschiede zwischen den Kommunen
Natürlich lassen sich nicht alle Städte über einen Kamm scheren. Es gibt große Unterschiede, etwa durch Größe, Lage, Historie, Wirtschaftskraft, Kultur und auch bei der Abhängigkeit vom Einzelhandel. Der Ökonom Gerrit Heinemann:
"Diese Abhängigkeit immer darzustellen, der Innenstädte vom Einzelhandel, dass würde ich schon mal sehr stark in Frage stellen, weil viele Städte sicherlich von anderen Dingen leben. Deswegen gibt es auch sehr unterschiedliche Frequenzentwicklungen, je nachdem wie sich eine Stadt darstellt. Wenn wir schöne Innenstädte haben, historische Innenstadtkerne, viel Tourismus, dann ist die Stadt sicherlich weniger vom Einzelhandel abhängig und man muss auch sagen: Macht das überhaupt Sinn; sich als Stadt so stark vom Einzelhandel abhängig zu machen?"
"Diese Abhängigkeit immer darzustellen, der Innenstädte vom Einzelhandel, dass würde ich schon mal sehr stark in Frage stellen, weil viele Städte sicherlich von anderen Dingen leben. Deswegen gibt es auch sehr unterschiedliche Frequenzentwicklungen, je nachdem wie sich eine Stadt darstellt. Wenn wir schöne Innenstädte haben, historische Innenstadtkerne, viel Tourismus, dann ist die Stadt sicherlich weniger vom Einzelhandel abhängig und man muss auch sagen: Macht das überhaupt Sinn; sich als Stadt so stark vom Einzelhandel abhängig zu machen?"
Eine Stadt kann einerseits versuchen, sich vom Handel unabhängiger zu machen. Sie kann aber auch probieren, Einzelhandel aus Randlagen zurückholen, um den Handel in der Innenstadt zu stärken. Stadtplaner Carsten Lang vom Büro WoltersPartners im westfälischen Coesfeld.
"Mittlerweile ist es ja so, dass das planungsrechtliche System für die Ansiedlung von Einzelhandelseinrichtungen relativ eng gesteckt ist. Es gibt – mittlerweile hier im Münsterland ist das eigentlich flächendeckend umgesetzt - die Vorgabe, dass jede Kommune zentrale Versorgungsbereiche ausweist, in denen der Handel konzentriert wird. Das ist dann in der Regel die Innenstadt."
Dadurch hat sich das Problem des Handels auf der grünen Wiese, also in den Randlagen der Städte, relativiert.
"Hat sich nicht gänzlich erledigt, ist aber doch deutlich zurückgegangen."
In vielen kleineren und mittleren Städten gehören Immobilien noch den Ladenbetreibern. Sie können anders kalkulieren als die Händler, die Flächen anmieten müssen. Wer einen Laden in einer Toplage einer der sieben größten Einkaufsstädte in Deutschland mietet, muss immer tiefer in die Tasche greifen. Von 1998 bis 2018 stieg der Quadratmeterpreis im Schnitt von rund 160 auf 300 Euro. Aber auch an den anderen Standorten sind die Mieten gestiegen. Handelsexperte Gerrit Heinemann:
"Überhöhte Mieten machen es vielen Händlern nicht möglich, zu existieren, darüber muss gesprochen werden."
Internethändler zahlen keine Ladenmiete
Zumal Internethändler gerade an dieser Stelle einen entscheidenden Vorteil haben, weil sie keine Ladenmiete zahlen. Die Konkurrenz durch Amazon & Co ist gewaltig. In einer Studie des Gottlieb Duttweiler Instituts zur Zukunft des öffentlichen Raums heißt es:
"Wenn nun aber die Website von Amazon zum universellen Schaufenster wird und der Konsum sich weiter in Richtung E-Commerce verlagert, verlieren Einkaufs- und Flaniermeilen ihre Funktion. Weil die physische Verkaufsfläche an Relevanz verliert, ist eine andere Nutzung des öffentlichen Raums gefordert."
"Wenn nun aber die Website von Amazon zum universellen Schaufenster wird und der Konsum sich weiter in Richtung E-Commerce verlagert, verlieren Einkaufs- und Flaniermeilen ihre Funktion. Weil die physische Verkaufsfläche an Relevanz verliert, ist eine andere Nutzung des öffentlichen Raums gefordert."
Die Städte versuchen vielerorts mit einer Gestaltung des öffentlichen Raums in den Innenstädten gegenzuhalten. Stadtplaner Carsten Lang:
"Der Einkauf eben nicht nur als funktionales Erlebnis in einem unansehnlichen Straßenraum wahrgenommen wird, sondern eben auch einfach als angenehmes Aufenthaltserlebnis."
Mit Erlebnissen versuchen viele Städte Menschen in die Innenstädte zu locken. Konzerte, Feste und vor allem mehr Gastronomie. Aber das gelingt nicht immer. Andernorts stoßen ein uniformes Angebot, Leerstände und Billigläden ab. Das Problem: Das Konzept der Erlebnisstadt funktioniert während der Pandemie nur noch bedingt, während der Onlinehandel von ihm profitiert. Marta Kwiatkowski forscht am Gottlieb Duttweiler Institut zu Fragen der Stadtentwicklung:
"Da stellt sich natürlich diese Frage des Handels noch fundamentaler und damit eigentlich auch so dieses Thema des Ghost Everything."
Darunter verstehen Fachleute das Phänomen, dass diverse lokale Dienstleister anders als bisher gedacht nicht mehr in jedem Fall ein Ladenlokal benötigen.
Ladenlokale werden immer unwichtiger
"Wir merken das Thema Ghost Kitchen ist beispielsweise ein Trend in der Gastronomie, wo sich die Gastronomen immer mehr auch die Frage stellen, wofür brauchen sie denn überhaupt noch Restaurantsitzplätze, wenn man eben beispielsweise perfektes Essen auch nach Hause liefern kann und damit eigentlich nur eine Rumpfinfrastruktur noch notwendig ist. Und ich denke, dieses Ghost-Everything-Thema wird sich halt durchziehen in sämtliche Dienstleistungsbereiche, wo der soziale Aspekt nicht zwingend im Vordergrund steht."
"Ich denke, dass sich die Innenstädte schon neu erfinden müssen." Die Stadtplanerin Agnes Förster lehrt an der RWTH Aachen."Die waren ja nicht immer so, wie sie heute sind, wie sie sich dann so nach dem Krieg allmählich in verschiedenen Stufen entwickelt haben, die einfach ja unsere Konsumgesellschaft unglaublich wieder spiegeln. Sondern das sind ja eigentlich Orte, wo man sich eine total hohe Mischung vorstellt von verschiedenen Nutzungen und verschiedenen Nutzern."
Sie telefoniert in diesen Tagen mit Kommunen und beschäftigt sich schon lange mit dem Wandel der Innenstädte. Deren Gestaltung hängt von verschiedenen Akteuren ab. Natürlich macht die Politik Vorgaben und setzt Anreize mit Fördermitteln. Aber maßgeblich bestimmt wird das Aussehen unserer Innenstädte durch die Interessen der Immobilienbesitzer. Manchmal mit erschreckenden Ergebnissen:
"Da haben sich ja Gebäudetypen entwickelt, wo es sich gelohnt hat, nur das Erdgeschoss zu vermieten und die oberen Stockwerke quasi leerstehen zu lassen, weil man ja genug Einnahmen generiert hat in der Fläche im EG, an der Schnittstelle sozusagen zur Kundenfrequenz. Und das ist ja auch ein bisschen absurd. Es ist absurd, wenn man daran denkt, dass das ja wertvoller Platz ist, dass das zentral ist, erschlossen ist und alles."
"Ich denke, dass sich die Innenstädte schon neu erfinden müssen." Die Stadtplanerin Agnes Förster lehrt an der RWTH Aachen."Die waren ja nicht immer so, wie sie heute sind, wie sie sich dann so nach dem Krieg allmählich in verschiedenen Stufen entwickelt haben, die einfach ja unsere Konsumgesellschaft unglaublich wieder spiegeln. Sondern das sind ja eigentlich Orte, wo man sich eine total hohe Mischung vorstellt von verschiedenen Nutzungen und verschiedenen Nutzern."
Sie telefoniert in diesen Tagen mit Kommunen und beschäftigt sich schon lange mit dem Wandel der Innenstädte. Deren Gestaltung hängt von verschiedenen Akteuren ab. Natürlich macht die Politik Vorgaben und setzt Anreize mit Fördermitteln. Aber maßgeblich bestimmt wird das Aussehen unserer Innenstädte durch die Interessen der Immobilienbesitzer. Manchmal mit erschreckenden Ergebnissen:
"Da haben sich ja Gebäudetypen entwickelt, wo es sich gelohnt hat, nur das Erdgeschoss zu vermieten und die oberen Stockwerke quasi leerstehen zu lassen, weil man ja genug Einnahmen generiert hat in der Fläche im EG, an der Schnittstelle sozusagen zur Kundenfrequenz. Und das ist ja auch ein bisschen absurd. Es ist absurd, wenn man daran denkt, dass das ja wertvoller Platz ist, dass das zentral ist, erschlossen ist und alles."
Innenstädte als Orte des Alltags
Aber welchen Nutzen kann die Innenstadt heute überhaupt noch für die Bevölkerung haben? Gerade in kleineren und mittleren Städten gebe es oft ein attraktives Umland und damit erhebliche Konkurrenz für die Innenstädte. Agnes Förster hält es für sinnvoll, dort mehr Orte des Alltags zu schaffen.
"Es gibt gute Beispiele, wo man zum Beispiel Schulen, Kitas, Einrichtungen des Alltags auch in Innenstädten hat und das hilft ganz oft auch, die zu stabilisieren. Weil Menschen sich dann nicht nur zum Shopping, nicht nur zum Feiern dorthin begeben. Das sind ja eigentlich zwei Dinge, die so ein bisschen ins Extrem auch getrieben wurden. Sondern sich viel mehr Zwecke und Wege mischen. Und dann bedeutet es auch für öffentliche Räume, dass sie auch ein Potenzial haben, sich sozusagen durch die Menschen der Stadt anzueignen und nicht nur durch irgendwie gewünschte weitere Besucher."
"Es gibt gute Beispiele, wo man zum Beispiel Schulen, Kitas, Einrichtungen des Alltags auch in Innenstädten hat und das hilft ganz oft auch, die zu stabilisieren. Weil Menschen sich dann nicht nur zum Shopping, nicht nur zum Feiern dorthin begeben. Das sind ja eigentlich zwei Dinge, die so ein bisschen ins Extrem auch getrieben wurden. Sondern sich viel mehr Zwecke und Wege mischen. Und dann bedeutet es auch für öffentliche Räume, dass sie auch ein Potenzial haben, sich sozusagen durch die Menschen der Stadt anzueignen und nicht nur durch irgendwie gewünschte weitere Besucher."
Viele Nutzungen sind denkbar. Man könnte Kaufhäuser in Bibliotheken, Jugendzentren oder Secondhandbaumärkte umwandeln. Künstler könnten freistehende Flächen bespielen. Und Wohnen könnte eine größere Rolle spielen.
"Vielleicht muss die Innenstadt mal so ein bisschen auf den Teppich kommen, auf den Boden der Tatsachen, um sich auch als Teil des Lebensalltags einer Stadt irgendwo neu zu definieren. Das bedeutet natürlich, dass man auch von bestimmten Renditeüberlegungen vielleicht auch runterkommen muss."
"Vielleicht muss die Innenstadt mal so ein bisschen auf den Teppich kommen, auf den Boden der Tatsachen, um sich auch als Teil des Lebensalltags einer Stadt irgendwo neu zu definieren. Das bedeutet natürlich, dass man auch von bestimmten Renditeüberlegungen vielleicht auch runterkommen muss."
Paris kauft Ladenflächen auf
Schon heute kaufen manche Städte Ladenflächen, um dort eine andere Nutzung zu ermöglichen. Zu den Vorreitern gehört Paris. In deren Auftrag kauft eine gemeinnützige Agentur - ausgestattet mit einem Vorkaufsrecht - in einigen Vierteln gezielt Immobilien und vermietet sie günstig an ausgewählte Kleinstgewerbetreibende. Marta Kwiatkowski vom Gottlieb Duttweiler Institut.
"Das ist sozusagen fast wie ein Kulturangebot, dass man auch mit sponsert, dass eben diese Attraktivität ermöglicht. Das sind dann sehr, sehr häufig Konzepte, die im Grunde genommen kaum profitabel zu führen wären."
"Das ist sozusagen fast wie ein Kulturangebot, dass man auch mit sponsert, dass eben diese Attraktivität ermöglicht. Das sind dann sehr, sehr häufig Konzepte, die im Grunde genommen kaum profitabel zu führen wären."
Davon profitierten seit 2004 bereits hunderte Fleischer, Boutiquen, Spielzeugläden und andere Ladenbetreiber. Wenn es um Buchhandlungen geht, darf die Agentur sogar in der ganzen Stadt eingreifen. Solche Ansätze beschäftigen auch Neubrandenburg. Oberbürgermeister Silvio Witt erklärt warum.
"Damit man experimentieren kann. Damit eben derjenige, der sagt, ich möchte eine kleine Schokoladenmanufaktur eröffnen, dass der eine Chance hat, dass nicht im Gewerbegebiet zu tun, sondern in der Innenstadt. Und der Kompromiss und der Weg dahin ist steinig und teuer. Deswegen ist diese Forderung, dass die Kommune, diese Verantwortung übernehmen muss, berechtigt. Das muss man dann aber auch finanziell aushalten. Dann muss man auch sagen: Okay, jetzt subventioniert der Steuerzahler oder die Steuerzahlerin gerade dieses Experiment. Aber dafür ist Gemeinschaft und Gesellschaft da."
"Damit man experimentieren kann. Damit eben derjenige, der sagt, ich möchte eine kleine Schokoladenmanufaktur eröffnen, dass der eine Chance hat, dass nicht im Gewerbegebiet zu tun, sondern in der Innenstadt. Und der Kompromiss und der Weg dahin ist steinig und teuer. Deswegen ist diese Forderung, dass die Kommune, diese Verantwortung übernehmen muss, berechtigt. Das muss man dann aber auch finanziell aushalten. Dann muss man auch sagen: Okay, jetzt subventioniert der Steuerzahler oder die Steuerzahlerin gerade dieses Experiment. Aber dafür ist Gemeinschaft und Gesellschaft da."
Kommunen haben häufig nicht genügend Geld
Die Gestaltung von Städten ist in Deutschland aber nicht nur Sache der Kommunen selbst: Bund und Länder fördern sie gemeinsam. Allerdings konnten manche Kommunen schon vor der Pandemie wegen klammer Kassen den geforderten Eigenanteil nicht aufbringen. Der Deutsche Städtetag fordert deswegen, dass Bund und Länder künftig bis zu 90 Prozent der Fördersumme übernehmen. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund geht noch einen Schritt weiter und fordert eine Milliarde Euro weiterer staatlicher Mittel für die Entwicklung der Innenstädte.
"Ich finde, man darf die Krise nicht schönreden, jetzt im Sinne, ja, die bietet Chancen - das mag zwar sein. Aber die ökonomische Basis in den Innenstädten ist natürlich zentral."
Wenn die Einzelhändler finanziell nicht mehr auf sicheren Beinen stünden, könnte das schnell Folgen für den Immobilienmarkt haben, fürchtet die Stadtplanerin Agnes Förster. Dann, wenn etwa Einzelhändler ihre Immobilien veräußern müssten.
"Dann sind die verlässlichen Partner, mit denen man vielleicht vorher gesprochen hat, auch vielleicht als eine Stadt. Dann sind da ganz andere Leute am Tisch und die verfolgen vielleicht ganz andere Interessen."
Eile ist geboten, wenn die Gesellschaft die jetzige Chance nutzen will, um lebendige Innenstädte zu schaffen.
"Ich finde, man darf die Krise nicht schönreden, jetzt im Sinne, ja, die bietet Chancen - das mag zwar sein. Aber die ökonomische Basis in den Innenstädten ist natürlich zentral."
Wenn die Einzelhändler finanziell nicht mehr auf sicheren Beinen stünden, könnte das schnell Folgen für den Immobilienmarkt haben, fürchtet die Stadtplanerin Agnes Förster. Dann, wenn etwa Einzelhändler ihre Immobilien veräußern müssten.
"Dann sind die verlässlichen Partner, mit denen man vielleicht vorher gesprochen hat, auch vielleicht als eine Stadt. Dann sind da ganz andere Leute am Tisch und die verfolgen vielleicht ganz andere Interessen."
Eile ist geboten, wenn die Gesellschaft die jetzige Chance nutzen will, um lebendige Innenstädte zu schaffen.