Silke Hahne: Wie ist denn die Stimmung bei den Händlern, Supermärkten et cetera: Fürchten die um Umsätze oder sind die froh, den Müll aus ihren Regalen vielleicht bald verbannen zu können?
Kai Falk: Zunächst einmal sehen wir alle die Bilder weltweit und sehen, wieviel Plastik in den Meeren herumschwimmt, und wir denken, dass in der Tat dringend Handlungsbedarf ist. Ob die Mittel der EU-Strategie jetzt die richtigen sind, ob das die richtige Antwort ist, steht auf einem ganz anderen Blatt. Sicherlich gibt es für viele Einweg-Plastikartikel auch Alternativen; die kann der Handel ja auch anbieten. Insgesamt sind wir hier sehr offen und dialogbereit. Nur finden wir auch, in einzelnen Punkten trifft die EU-Plastikstrategie, so wie sie beschlossen wurde, nicht wirklich den richtigen Ton.
Hahne: In welchen Punkten?
Falk: Wir sind beispielsweise der Auffassung, dass man die einzelnen Produkte, Feuchttücher, Luftballons, die hier erwähnt werden in der Richtlinie, einsparen kann und auch umsteigen kann auf Mehrwegsysteme. Das ist auch richtig. Aber sie sind nicht wirklich die Antwort auf saubere Meere.
Hahne: Was ist denn die Antwort auf saubere Meere?
Abfallwirtschaftssysteme auch nach Asien und Afrika exportieren
Falk: Der Handel und die Industrie gemeinsam haben in Deutschland, auch in vielen Ländern Europas sehr gut funktionierende Abfallwirtschafts- und Kreislaufwirtschaftssysteme aufgebaut. Das heißt, hier in Deutschland haben wir Einweg- und Mehrwegsysteme. Wir haben ein duales System, um das Recycling von Kunststoff-Artikeln zu fördern, gerade im Verpackungsbereich. Wir hätten uns gewünscht, dass wir eine Wertstofftonne bekommen, wo auch andere Plastikwaren dann reinkommen können, um sie anschließend zu recyceln. Wir sehen die Antwort darin, solche Systeme auch in andere Länder, beispielsweise in Asien und Afrika zu exportieren. Das wäre tatsächlich die große Antwort und hier könnte auch die EU einsteigen.
Hahne: Sie reden jetzt davon, Kreislaufwirtschaft in Ländern durchzusetzen, die wirtschaftlich gesehen ja noch ganz andere Probleme haben. – Ein Ärgernis hört man immer wieder von Verbrauchern: Im deutschen Supermarkt ist eingeschweißtes Obst und Gemüse. Ganz oft hat man gar nicht die Wahl, es unverpackt zu kaufen. Muss es denn wirklich immer Plastik sein, jetzt mal ab von der Recycling-Quote, die ja eine Maßnahme ist, die eher mittel- und langfristig wäre?
Alternativen sind ökologisch bedenklich
Falk: Fakt ist, Plastik ist heute in vielen Bereichen unverzichtbar. Aber es muss nicht immer Plastik sein. Aber die vermeintlichen Alternativen sind ökologisch nicht unbedenklicher. Gehen wir ins Obst- und Gemüseregal. Dort sind Verpackungen in Kunststoffen. Beispielsweise die Biogurke, über die ja auch immer wieder gesprochen wird, da ist es einfach Vorschrift, dass die in Kunststoff eingeschweißt wird, um sie zu unterscheiden von der konventionellen Gurke.
Hahne: Wieso lobbyieren Sie nicht gegen diese Vorschrift? Das ist ja eine sehr bequeme Ausrede.
Falk: Wir haben auf dieses Thema aufmerksam gemacht und wir sind hierzu sowohl in Brüssel als auch in Berlin natürlich in Gesprächen. Es gibt ja auch andere Vorschriften, die dafür sorgen, dass einfach Kunststoffe notwendig sind. Beispielsweise auch, um frische Produkte hygienisch nachhause tragen zu können, sind Plastiktüten oder Plastikverpackungen zum Teil unverzichtbar.
Hahne: Sehe ich bei der Wurst ein; beim Brokkoli aber jetzt ehrlich gesagt nicht.
Falk: Beim Brokkoli kann man sicherlich darauf verzichten. Das sind Themen, wo wir auch als Branche im Moment überlegen, was können wir besser tun.
Mehrwegnetze für den Einkauf einführen
Hahne: Geben Sie uns doch mal eine Perspektive. Wie lange wird dieses Dilemma noch anhalten, dass Obst und Gemüse schlichtweg sehr oft im Plastik eingeschweißt nur zu kaufen ist – zum Beispiel das Paprika-Dreierpack, ein ganz häufiges Beispiel?
Falk: Ich denke, es wird nicht allzu lange dauern, dass jeder auch deutlich sieht am Regal, es gibt andere Möglichkeiten. Unsere Einzelhändler experimentieren beispielsweise auch mit Mehrwegnetzen ganz aktuell, damit die Leute auf andere Art und Weise ihr Obst und Gemüse nachhause bekommen. Es ist ja nicht so, dass der Handel die Kunststoffverpackungen um jeden Preis erhalten will. Im Gegenteil! Die Verbraucher kommen und sagen, es muss weniger werden. Darauf wird deutlich reagiert. Nehmen wir alleine die Kunststoff-Tragetasche. Wir haben in den letzten Jahren zwei Drittel dieser Kunststoff-Tragetaschen eingespart. Einweg-Tragetaschen sind in vielen Supermärkten und Discountern überhaupt gar nicht mehr verfügbar. Es wurde komplett in den letzten beiden Jahren umgestellt auf Mehrweg, ein riesiger Erfolg, den hier der Handel aus sich heraus erreicht hat, und es wird in Zukunft noch mehr Beispiele davon geben.
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