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Einzige australische Agentur gibt auf
Angst vor der Nachrichtenwüste

Die Nachrichtenagentur aap berichtet aus allen Teilen Australiens, in 500 Artikeln pro Tag. Jetzt muss sie schließen - weil Meldungen zu oft kostenlos online landen.

Von Andreas Stummer |
Der Inselberg Uluru, auch Ayers Rock genannt, im Uluru-Kata-Tjuta-Nationalpark in Zentralaustralien (Aufnahme vom 03.04.2014).
Aus einigen Regionen Australiens könnte bald kaum noch berichtet werden, fürchten Journalisten (picture alliance / dpa / Sid Astbury)
Sie waren immer die ersten in Australien. Selbst als das eigene Aus beschlossene Sache war, meldete die Aap die Schlagzeile vor allen anderen. 85 Jahre lang prägte die einzige Nachrichtenagentur Australiens das Wer, Was, Wann und Warum von Ereignissen, die im In- und Ausland berichtenswert waren.
Immer weniger Abonnenten
Die Aap setzte auf Reporter vor Ort, digitale Plattformen aber zusehens auf "Cut und Paste". Statt für Aap-Nachrichten zu bezahlen, schrieben sie die - umsonst - woanders einfach ab. Bis den Hauptaktionären die tiefroten Zahlen der Aap zu bunt wurden.
Das Gebäude des australischen Rundfunk-Senders ABC in Sydney.
Razzia bei Sender "ABC": Angriff auf Australiens freie Presse
Nach einer Recherche über australische Soldaten, die in Afghanistan Zivilisten getötet haben sollen, hat die Polizei den Sitz des Senders "ABC" durchsucht – die Reporter hätten "Geheimmaterial" veröffentlicht.
"Unsere Einnahmen sind eingebrochen, wir haben zu viele Abonnenten verloren", erklärt Aap-Geschäfstführer Bruce Davidson das Ende der Agentur. Er selbst arbeitet, in Zeiten von Corona, aus dem Homeoffice. "Selbst drastische Einsparungen konnten uns nicht retten. Viele Medienorganisationen sagten: 'Wir googeln die Nachrichten einfach woanders, statt uns den Aap-Service zu leisten.' Das hat uns das Genick gebrochen."
280 Menschen verlieren ihren Job
Immerhin produzierte die Agentur täglich 500 Artikel, 750 Photos und mehr als 20 Videos, selbst aus den entlegensten Gegenden des riesigen Kontinents. Jetzt verlieren 180 Aap-Journalisten und 100 Fotografen ihren Job – und ganze Landstriche ihren einzigen direkten Draht zu den Medien.
"Teile Australiens werden zu Nachrichtenwüsten verkommen. Es wird Gegenden geben, über die einfach nicht mehr berichtet wird", glaubt der frühere Aap-Journalist David Kilick, "weniger Stimmen, die gehört, weniger Geschichten, die erzählt werden. Weniger Vielfalt. Das ist ein großer Verlust."
Das Logo der australischen Nachrichtenagentur AAP.
Das Logo der australischen Nachrichtenagentur AAP. (imago images / AAP)
Das Angebot der Aap erreichte täglich mehr als eine Million Australier. "Klare, objektive Information", sagt die Zeitungsjournalistin Alice Davies. Kein ungefilterter Internetwust aus Tweets, Kommentarblogs und photo-geshopten Instagram-Bildern. "Wir leben im Zeitalter von 'Fake News', von alternativen Nachrichten – dieser Zustand wird immer schlimmer. Deshalb brauchen wir echte Journalisten als Rückgrat der Wahrheitsfindung. Facebook und Twitter werden danach nicht suchen."
Ausbildungsort seit Generationen
Unparteiisch, verläßlich und akkurat: Die Aap hatte einen tadellosen Ruf. Auch als Talentschmiede. Seit 1935 lernten dort Generationen von jungen Reportern, wie man schnell und genau berichtet.
Ende Juni aber ist Australiens einzige Nachrichtenagentur endgültig Vergangenheit. Schlimm genug, dass 60 Regionalzeitungen ab kommender Woche wegen der Coronakrise nicht mehr gedruckt erscheinen. Ihre Anzeigeneinahmen, vor allem aus der Immobilien- und Veranstaltungsbranche, sind wegen Corona praktisch zum Erliegen gekommen.
"Ein schwarzer Tag für unsere Medien"
"Mit dem Verlust der Aap wird unsere Medienlandschaft weiter veröden", fürchtet der Journalist Paul Barry:
"Es wird mehr Meinungsseiten, mehr Promigeschichten und noch mehr Müll aus den sozialen Netzwerken geben – aber weniger Nachrichten. Das Ende der Aap ist ein schwarzer Tag für unsere Medien und für ganz Australien."