Billie Jean King kann sich noch genau daran erinnern, wie alles angefangen hat. Im März 2019 ist sie mit ihrer Ehefrau, Ilana Kloss, bei einem Basketballspiel der Los Angeles Lakers, als plötzlich das Telefon klingelt. Der Anruf kommt von Eishockey-Spielerin Kendall Coyne Schofield - und ist ein Hilferuf.
Coyne Schofield hat mit den USA mehrere WM-Titel und 2018 Olympia-Gold gewonnen. Sie ist ein Star ihrer Sportart, doch leben kann sie vom Eishockey nicht. Keine Spielerin kann das. Die besten sind in verschiedenen Ligen in Kanada und den USA aktiv, doch die Bezahlung ist schlecht - und eine soziale Absicherung wie Krankenversicherung gibt es nicht. Als im März 2019 die kanadische Liga CWHL ihren Betrieb wegen mangelnder Rentabilität einstellt, sehen viele ihren Traum vom Profisport zerstört.
King findet Investor für neue Liga
Und so wenden sie sich an Billie Jean King. Die ehemalige Tennis-Spielerin und Ikone im Kampf für Gleichberechtigung von Frauen hatte 1970 bereits eine führende Rolle bei der Gründung der Vereinigung der professionellen Tennisspielerinnen, WTA, gehabt.
Sie empfiehlt den Spielerinnen, als erstes eine Gewerkschaft zu gründen, lässt ihre Kontakte spielen und findet mit Milliardär Mark Walter einen Investor. Walter ist Eigentümer der Los Angeles Dodgers aus der Major League Baseball, Mitbesitzer des FC Chelsea - und hat seit Sommer nun auch die Professional Women’s Hockey League, kurz PWHL mit ihren sechs Teams in seinem Portfolio. Am 1. Januar nimmt die Liga mit der Partie zwischen Toronto und New York den Spielbetrieb auf. Der kanadische Sender CBC überträgt live.
Unter den Zuschauern ist auch Billie Jean King. Sie hat mit ihrer Ehefrau extra eine Karibik-Kreuzfahrt unterbrochen, um beim Ligastart in Toronto dabei sein zu können. “Wir haben die besten Spielerinnen der Welt, Spielerinnen aus zwölf Ländern - und es werden noch mehr werden. Heute ist nicht nur der 1. Januar 2024, sondern auch der Geburtstag dieser Liga - und ich freue mich so sehr.”
Nationaltorhüterin Sandra Abstreiter spielt in der PWHL
In der Liga spielen die Superstars aus den beiden dominierenden Nationen Kanada und den USA - und mit Nationaltorhüterin Sandra Abstreiter ist auch eine Deutsche dabei. “Das bedeutet mir natürlich sehr viel, aber, ich muss sagen, ich bin generell froh, dass es viele von den Europäern in die Liga geschafft haben. Also ich schau’ da eher ein bisschen auf Europa generell. Weil, wir finden schon, dass wir halt immer wirklich schon einen Schritt näher rankommen an die Amerikaner und die Kanadier. Aber natürlich ist es deswegen gleichzeitig sehr cool, dass ich Deutschland repräsentieren kann.”
Abstreiter spielt für Ottawa. Die anderen Teams kommen aus Montreal, Toronto, Minnesota, New York und Boston - und werden alle nur bei ihren Städtenamen genannt. Für richtige Teamnamen oder auch Teamlogos war seit der Gründung im Sommer schlichtweg keine Zeit.
PWHL erste Liga mit Tarifvertrag
Doch für Theresa Schafzahl ist das eher nebensächlich. Die Österreicherin spielt in Boston und bezeichnet die PWHL als sehr progressiv - kein Vergleich zu den Vorgänger-Ligen. “Die Verträge waren sehr schlecht geschrieben. Also man hat keinen Schutz gehabt als Spielerin, wenn irgendwas passiert ist, wenn man schwanger geworden ist, wenn man sich verletzt hat - da hat vom einen auf den anderen Tag alles ganz anders ausschauen können und man hat alles irgendwie verloren. Und in der Liga ist jetzt alles wirklich besser geregelt. Also wir haben mehr Ressourcen, man hat mehr Sicherheit und auch vom Gehalt her ist es jetzt endlich so, dass man Eishockey hauptberuflich ausüben kann.”
Denn die PWHL ist die erste Eishockey-Profiliga für Frauen mit einem Tarifvertrag. Dieser gilt für acht Jahre und sichert den Spielerinnen unter anderem Krankenversicherung, finanzielle Unterstützung bei der Unterkunft, Altersvorsorge, Mutterschutz und Elternzeit, sowie Gehälter zwischen 35.000 und 80.000 Dollar pro Saison zu.
Schweizerin Müller: "Kommt auch mit Verantwortung"
Hier zu spielen ist für die Schweizerin Alina Müller “ein Traum, der in Erfüllung geht. Ich kann mich jetzt zum ersten Mal voll auf den Sport konzentrieren, muss nicht der Schule oder einem anderen Job nachgehen. Natürlich macht das extrem Spaß, aber es kommt auch mit Verantwortung. Wir machen das beste aus jedem Tag, genießen es sehr und wissen, dass das nicht jede Spielerin kann und hoffen, mit unseren Leistungen, dass dann mehr Spielerinnen das auch erleben können.”
Müller ist Profi in Boston und gilt als derzeit beste Europäerin. Als es die PWHL noch nicht gab, hatte sie sich auch mal in Schweden umgeschaut. Die dortige Liga ist das Nonplusultra in Europa. Aber selbst in Schweden, sagt Müller, könne man vom Eishockey allein nicht leben.