Lange galt Deutschland bei der Eishockey-Weltmeisterschaft der Frauen als Abstiegskandidat. Doch mit dem Abstieg soll die DEB-Auswahl bei der WM in Utica nichts zu tun haben, sagt Julia Zorn, die viele Jahre Kapitänin des Nationalteams war.
"Man war eine Zeit lang in Anführungsstrichen so eine Fahrstuhlmannschaft und man hat es jetzt die letzten Jahre schon geschafft, sich in der Top-Division zu etablieren. Und ich finde auch generell, dass es im deutschen Frauen-Eishockey sehr gut vorangegangen ist. Aber man muss natürlich auch sagen, dass die anderen Nationen da natürlich auch nicht schlafen. Und nur weil man selber Schritte nach vorne macht, bleiben die anderen deswegen ja nicht stehen."
Ziel: WM-Viertelfinale
In den Vorjahren belegte Deutschland den 9. bzw. 8. WM-Platz. Beim Turnier 2022 verhinderte ein Tor von Tanja Eisenschmid in der Schlusssekunde des abschließenden Gruppenspiels den Abstieg in die zweitklassige Division I. Tanjas Schwester Nicola ist in Utica mit dabei: "Das Viertelfinale sollten wir auf jeden Fall erreichen. Wir sind ein gutes Team, wir haben sehr gute Spielerinnen dabei. Deswegen bin ich da sehr optimistisch."
Für Gruppe A der anstehenden Weltmeisterschaft, in der sich die Top-Nationen duellieren, reicht es für die DEB-Auswahl noch nicht. Dafür droht in Gruppe B theoretisch der Abstieg, denn die zwei Letzten der Fünfergruppe gehen eine Etage runter.
Die wilden Zeiten sind vorbei
Doch in den Augen von Nicola Eisenschmid konnte das Nationalteam in den vergangenen Jahren weiter international Boden gutmachen. "Ich denke auf jeden Fall, dass wir dadurch, dass wir jetzt mit viel System spielen, dass wir schon aufholen konnten. Und da sind wir uns schon recht sicher auf dem Eis, wer was macht. Das war früher tatsächlich nicht der Fall, da war es noch ein bisschen wilder alles. Aber das hat sich schon mal sehr viel verbessert."
Nicola Eisenschmid und der Rest des Teams sind Donnerstagnacht vor Ort angekommen. Für die 27-jährige Stürmerin gab es kürzlich bereits Grund zum Jubeln. Sie wurde zusammen mit den Memmingen Indians erneut deutscher Meister. Memmingen, Ingolstadt und Planegg bei München haben sich im vergangenen Jahrzehnt als Top-Standorte im deutschen Frauen-Eishockey etabliert.
Finanzierung ist für viele Spielerinnen kritisch
"Dadurch, dass in der Bundesliga einfach keine Spielerin davon leben kann, außer sie hat jetzt einen der Sportfördergruppenplätze, bist du viel mehr auch an ein soziales Umfeld gekettet. Also nicht gekettet, das klingt jetzt zu negativ. Aber, dass jede von den Frauen, die da spielt, sich ja auch was aufgebaut hat", sagt Julia Zorn.
"Zum Beispiel Memmingen als Standort, weil die Soldaten, also die Bundeswehr-Spielerinnen, sie müssen alle zwei Wochen nach Füssen. Weil die da hinkommen müssen. Dann ist da natürlich Memmingen und Füssen. Und es erklärt sich vielleicht auch, warum da so viele sind." Memmingen und Füssen liegen nur knapp 70 Kilometer auseinander. Durch die regionale Nähe lässt sich Eishockey und der Dienst bei der Bundeswehr unter einen Hut bringen.
Nordamerika als Mekka des Frauen-Eishockeys
Aus dem aktuellen Nationalteam sind aber auch fünf Spielerinnen an US-amerikanischen Universitäten oder Colleges eingeschrieben. Der Schritt über den Atlantik ist in jungen Jahren bei entsprechendem Talent meist noch möglich. Generell gilt Nordamerika als Mekka des Frauen-Eishockeys.
Die 2023 gegründete PWHL, Professional Women's Hockey League, hat einen neuen Hype entfacht und soll absehbar das Äquivalent zur erfolgreichen NHL der Männer darstellen. In dieser Saison treten die sechs Gründungsteams gegeneinander an, für Ottawa spielt die deutsche Nationaltorhüterin Sandra Abstreiter.
Auch in Deutschland werden die Strukturen professioneller
Es wurde vereinbart, dass alle Teams ein durchschnittliches Gehalt von 55.000 US-Dollar an die Spielerinnen zahlen sollen. Die Vereinigten Staaten und Kanada haben den Weg der vollständigen Professionalisierung bereits eingeleitet. Noch ein Stück weit zurück befindet sich Deutschland. Aber auch hierzulande werden die Strukturen professioneller, meint Julia Zorn.
Woran macht sie das fest? "Das sind oft so Kleinigkeiten: wie viele Spielerinnen zur Turniermaßnahme mitgenommen werden können in den Vorbereitungen; dass der Staff ganz anders gekleidet ist, das Trainerteam viel breiter aufgestellt ist. Und auch insgesamt ist die Popularität des Eishockeys in Deutschland auf dem Vormarsch, weil es ja jahrelang so war, dass viele gesagt haben: 'Frauen-Eishockey, gibt's so was? Und sogar Nationalmannschaft und so?' Ich würde jetzt sagen, dass die Frage einfach deutlich weniger aufkommt."
Durch ein gutes Abschneiden bei der Weltmeisterschaft an der Ostküste der USA könnte der Popularitätsschub weitergehen