New Mexiko liegt im äußersten Süden der USA. Im Sommer erreichen die Temperaturen in dem wüstenartigen Bundesstaat wochenlang Werte deutlich über 30 Grad Celsius. Und trotzdem gibt es in New Mexiko Höhlen, in denen sich seit vielen tausend Jahren Eis hält. Meterdicke Schichten davon überdauern hier selbst die heißesten Sommer. Ein Kuriosum, das George Veni fasziniert. Der Geologe ist Direktor des Nationalen Höhlen- und Karst-Forschungsinstituts in Carlsbad.
"Hier hält sich das Eis, weil die Höhlen als Kältefallen wirken. Kalte Luft ist schwerer als warme Luft. Sie sinkt im Winter in diese Höhle hinunter und wenn sie keinen Ausgang findet, durch den sie nach unten entweichen kann, ist sie dort gefangen. Wenn die Luft kalt genug ist, sinken die Temperaturen in der Höhle unter den Gefrierpunkt. Wenn dann Wasser hineintropft, bildet sich Eis."
Blätter in der Schellenberger Eishöhle
Da die kalte Luft nicht abfließen kann, überdauert das Eis auch die Sommermonate. Solche Eishöhlen gibt es an vielen Orten der Erde. New Mexiko, Idaho, New England, Bayern, Ungarn, Rumänien. Einige von ihnen erforscht Andreas Pflitsch vom Geographischen Institut der Ruhr-Universität Bochum. Für ihn haben sie als Klimaarchive einen entscheidenden Vorteil gegenüber Gletschern, Polkappen, Baumringen oder Tropfsteinen.
"Zum Beispiel die Schellenberger Eishöhle liegt wenige Kilometer von Berchtesgaden entfernt. Und das ist natürlich ein hervorragendes Klimaarchiv dicht an der Besiedlung heran. Und wenn wir dann zum Beispiel in der Schellenberger Eishöhle Blätter finden, die dort eigentlich heute nicht mehr vorkommen, dann haben wir Informationen darüber wie die Bedingungen zum Beispiel vor einigen hundert oder tausend Jahren im bewohnten Gebiet waren. Darüber hinaus haben wir eine viel größere Vielfalt an Informationen, wie eben zum Beispiel Blätter, Tierreste, Pollenstaub, und so weiter und das ist eine viel größere Vielfalt als zum Beispiel in einem Tropfstein, der uns letztendlich genauso wie ein Baum nur Jahresringe gibt."
Das Schattendasein der Eishöhlen
Das Eis der Höhlen liefert durch die vielen Einschlüsse ein wesentlich genaueres Bild der vergangenen Klimate in der direkten Umgebung der Höhle als es ein weit entfernter Gletscher könnte. Deshalb wollen Andreas Pflitsch und George Veni die Eishöhlen so genau wie möglich erforschen. Aber die Zeit drängt.
"Obwohl die Höhlen Kältefallen darstellen, erhöhen sich ja die Außentemperaturen und die wärmer werdende Luft bahnt sich langsam ihren Weg in die Höhlen hinein. Es gibt eine Eishöhle im Nordosten der USA, die seit 50 Jahren bekannt ist. Jahrzehntelang lautete die Beschreibung für diese Höhle: Direkt hinter dem Eingang müssen Sie sechs Meter in die Tiefe steigen, dann stoßen Sie aufs Eis. Aber dann, vor einigen Jahren schaute einer meiner Kollegen wieder nach und entdeckte, dass es plötzlich zwölf Meter in die Tiefe ging bevor das Eis kam. Innerhalb von nur einem Jahr waren dort sechs Meter Eis verschwunden und mit ihm ein unersetzlicher Abschnitt des Klimaarchivs. Die Sommertemperaturen in der Höhle hatten durch den Klimawandel den Taupunkt überschritten, sodass das Eis wegschmolz, bevor der Winter kam. Ich halte das für eine Tragödie."
Verglichen mit Eispanzern und Gletschern führen die Eishöhlen bislang ein Schattendasein in der Klimawissenschaft. Es gibt vereinzelte Forschungsarbeiten, aber keine internationalen Großprojekte.
"Es ist oft schwer, die Höhlen überhaupt zu erreichen. Einige liegen in abgelegenen Regionen, andere sind viele Monate im Jahr unter meterdicken Schneedecken verborgen und für wieder andere brauchen Sie einen Helikopter – um die Höhlen zu erreichen und vor allem, um das Bohrgerät auf den Berg schaffen zu können. Und nicht nur das. Sie benötigen auch Kühlcontainer, in denen sie die Eisbohrkerne aus der Höhle lagern können, bevor sie sie so schnell wie möglich zum nächsten Gefrierschrank fliegen. Das alles kostet Geld."
Genau das versucht George Veni zurzeit aufzutreiben, um die kostbaren Archive im Eis zu bergen, bevor sie wegschmelzen.