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Eisige Grüße aus Minsk

Nach dem Beschluß der EU-Außenminister über neue Sanktionen gegen Weißrussland ist das Verhältnis zu den polnischen Nachbarn deutlich abgekühlt. Zuletzt wurde Polens Botschafter ausgewiesen. Ein Grund dafür: der unabhängige Nachrichtensender Belsat, den Polen finanziell unterstützt.

Von Henryk Jarczyk |
    Hauptnachrichten des unabhängigen Senders Belsat. Topthema des Tages: die Ausweisung des polnischen und des EU-Botschafters aus Minsk. Eine Nachricht, die hier ganz anders aufbereitet wird, als es dem letzten Diktator Europas lieb ist. Etwas dagegen machen kann Alexander Lukaschenko aber nicht. Denn Belsat sendet von Polen aus.

    Seit über vier Jahren übermittelt der Sender täglich Nachrichten ins Nachbarland. Kritisch vor allem Staatsfern und damit eben ganz anders als die Regimetreuen Medien in Weißrussland, sagt die Chefredakteurin von Belsat Agneszka-Romaszewka Guzy:

    "In Weißrussland sehen die Nachrichten immer so aus, dass zuerst zwölf Minuten lang Alexander Lukaschenko gezeigt wird, der irgendjemanden besucht, oder sich zu irgendeinem Thema äußert oder jemandem eine Schelte erteilt. Das ist immer das gleiche, erst danach folgen andere Ereignisse."

    Belsat, erklärt die Chefredakteurin stolz, werde zu 75 Prozent vom polnischen Außenministerium finanziert. Der Rest komme vom öffentlich-rechtlichen polnischen Sender TVP und von privaten Spendern. Ein kleines aber wichtiges Beispiel dafür, wie man in Polen die weißrussische Opposition unterstützt. Was sicher auch dazu beiträgt, dass die Regierung in Minsk mit Lukaschenko an der Spitze, gerade Polen als Feind vom Dienst betrachtet. Werden doch vor allem hier sowohl Nichtregierungsorganisationen als auch Politiker wie Premier Donald Tusk nicht müde, die Verhältnisse in Weißrussland immer wieder anzuprangern.

    "Die Möglichkeiten nicht nur Polens, sondern aller demokratischen Staaten, sind sehr beschränkt. Wir werden dennoch die oppositionellen und bürgerlichen Initiativen in Weißrussland ununterbrochen unterstützen. Sie können auf uns zählen, obwohl wir wissen, dass unsere Chancen angesichts des Regimes Lukaschenko nicht zufriedenstellend sind."

    Insofern ist es nur verständlich, dass als erster ausgerechnet der polnische Botschafter Weißrussland verlassen musste. Zumal Warschau offenbar mit dafür gesorgt hat, dass die EU ihre Sanktionen gegen Lukaschenko und seine servilen Helfer nunmehr verschärfte. Wenn auch nicht offiziell sondern mit Hilfe unter anderem der polnischen Stiftung Freiheit und Demokratie, wie ihr Chef Tomasz Pisula bestätigt:

    "Das polnische Außenministerium hat sich sehr vorsichtig verhalten. Auch in der Frage der Sanktionen. Wir wurden gebeten, eine Liste von Menschen vorzubereiten, die in die Repressalien engagiert sind. Wir haben eine Namensliste von über 400 Personen vorgelegt, die unmittelbar in die Verfolgung Oppositioneller in Weißrussland engagiert sind. Jetzt erfahren wir, dass die Sanktionen 21 Personen umfassen sollen. Also jeden zwanzigsten von jenen, über derer Tätigkeit wir Beweise haben."

    Regierungsvertreter, wie der Vorsitzende des Parlamentsausschusses für Außenpolitik warnen indes davor, die ohnehin seit Jahren angespannte Lage jetzt eskalieren zu lassen. Die Tatsache, dass die Europäische Union hier an einem Strang ziehe, sagt Grzegorz Schetyna, sei richtig. Eine totale Isolierung Weißrusslands könnte aber eher kontraproduktiv sein:

    "Damit würde eine Verschiebung Weißrusslands in Richtung Moskau drohen. Heute findet ein Kampf um die weißrussische Zukunft statt. Darum ob Minsk von Russland unabhängig wird und sich Europa gegenüber öffnet. Es ist wichtig zu zeigen, dass sich die europäischen Sanktionen, nicht gegen die Bürger in Weißrussland richten, sondern diejenigen treffen sollen, die das Regimes unterstützen."

    Die Ausweisung des polnischen Botschafters, schreibt die konservative Rzeczpospolita, müsste als ein Anbiederungsversuch des Autokraten in Minsk an den Nachbarn Russland interpretieret werden. Lukaschenko – so heißt es - wolle damit möglicherweise dem für das Präsidentenamt kandidierenden Putin zeigen, dass er in ihm einen treuen, antiwestlichen Verbündeten sieht.

    Doch so sehr man sich auch darüber mokieren könnte, hastige Reaktionen seitens Warschaus – so der Tenor in Polen - seien da fehl am Platz. Die Regierung müsste zwar den Fehdehandschuh aufnehmen, aber ohne pompösen Taumel. Denn die Entwicklung der Ereignisse in Weißrussland habe für Polen grundsätzliche Bedeutung. Abgesehen davon ist nach Ansicht polnischer Kommentatoren der Sturz des Regimes in Minsk genauso wahrscheinlich wie dessen Konsolidierung. Und auf beide Eventualitäten sollte nicht nur Polen sondern die gesamte EU vorbereitet sein.