"Wir haben nicht viel geschlafen, in dieser Nacht vor der Flut. Die ersten Warnsignale bekamen wir durch Seismometer, die kleine Ausschläge unterhalb des Gletschers anzeigten. Da war klar, dass sich hier etwas in Bewegung gesetzt hatte."
Der Geochemiker Sigurdur Reynir Gislason erinnert sich noch gut an die Nacht vom achten auf den neunten Juli dieses Jahres. Seit Wochen beobachtet er die Messdaten, die Sensoren im Süden des Landes liefern. Gislason sitzt in seinem Büro am geologischen Institut der Universität von Island in Reykjavik, während er die Ereignisse jener Julinacht Revue passieren lässt.
"Um vier Uhr morgens kündigten die Messgeräte dann plötzlich eine fünf Meter hohe Flutwelle an, die vom Gletscher herunterkommen sollte. Da waren wir mehr als alarmiert."
Als Gislason ein paar Stunden später selbst den Ort des Geschehens erreichte, hatte die Flut aus Schmelzwasser und Eisbrocken bereits eine Brücke der Hauptstraße Islands zerstört. Innerhalb kürzester Zeit war eine gewaltige Menge Wasser aus dem Gletscher gebrochen. Was genau die Flut verursacht hatte, konnten die Geologen nicht auf Anhieb sagen. Dazu mussten sie zunächst die chemische Zusammensetzung des Flutwassers untersuchen. Dass es sich um geschmolzenes Gletschereis handelt, war sicher. Doch welche Hitzequelle hatte das Eis zum Schmelzen gebracht? War es möglicherweise ein Vulkanausbruch, der im Verborgenen stattgefunden hatte?
"Wir haben hier Eis, das direkt auf der vulkanischen Zone liegt. Die Erdkruste unter dem Gletschereis ist verhältnismäßig dünn, weil schon in geringer Tiefe Magma anwesend ist. Es heizt das Gebiet unter dem Gletscher auf und lässt das Eis schmelzen. Dadurch entsteht eine geothermische Zone, in der aufgeheiztes Schmelzwasser zwischen Magma und Eis zirkuliert. Dabei bilden sich ständig Seen unter dem Gletscher, die nicht entweichen können."
So beschreibt der Glaziologe Helgi Björnsson das Zusammenspiel von Eis und Magma, das nicht an die Oberfläche dringt. Denn wenn die Erdkruste zwischen den beiden noch intakt ist, entstehen lediglich Wasserspeicher unter dem Gletscher. Aus solchen subglazialen Seen kann ebenfalls Wasser freibrechen. Dann hat keine direkte Eruption die Flut verursacht. Ein solcher See hätte ebenso gut die aktuelle Gletscherflut auslösen können. Um das herauszufinden, analysiert Sirgurdur Reynir das Flutwasser.
"Wenn die Eruption nicht durch den Gletscher dringt, analysieren wir Proben des Flutwassers. Wir suchen dann nach chemischen Komponenten, die uns Hinweise darauf geben, was die Ursache der Flut war. Wir wollen herausfinden, ob es direkt mit Magma in Kontakt gekommen ist, oder ob es sich nur um Schmelzwasser handelt, das in einer geothermalen Zone entstanden ist."
Diese chemischen Substanzen dienen Gislason als Indikatoren für die Ursache der Flutwelle. Denn Wasser, das direkt mit Magma in Kontakt gekommen ist, unterscheidet sich chemisch von Wasser aus subglazialen Seen.
"Magma-Gase enthalten beispielsweise Salz- und Flusssäure. Diese Moleküle lösen sich sehr leicht im Wasser, deshalb suchen wir nach Chlor- und Fluorsalzen. Sie könnten Zeichen für den direkten Kontakt mit Magma sein."
Auf der anderen Seite gibt der pH-Wert des Wassers Hinweise darauf, ob es aus einem subglazialen See stammt. Ist der pH-Wert erhöht, kann das Wasser leichter Kohlendioxid aufnehmen. Dieser Indikator würde darauf hinweisen, dass die Flut nicht durch eine Eruption verursacht wurde.
"Dieses Wasser ist also besonders reich an gelöstem Kohlendioxid, und der pH-Wert entsprechend höher. Die ersten Indikatoren, nach denen wir also Ausschau halten, sind die Konzentration von Kohlendioxid auf der einen Seite und die von Chlor- und Fluorsalzen auf der anderen. Sie geben die ersten Hinweise darauf, was die Ursache für die Gletscherflut ist."
Geochemiker wie Gislason suchen nach diesen Indikatoren im Schmelzwasser von Gletschereis, um den Vulkan darunter zu bewerten. Ist er aktiv oder lässt eine Eruption weiter auf sich warten? Im Fall der Flut vom 9. Juli waren die Forscher besonders gespannt auf das Ergebnis der Wasseranalyse. Denn die Flutwelle stammte vom Gletscher Myrdalsjökull, der den Vulkan Katla bedeckt. Dessen Ausbruch ist seit langem überfällig. Doch Gislason kam zu dem Ergebnis, dass auch die aktuelle Flut nicht durch eine Eruption unter dem Eis verursacht wurde. Stattdessen handelte es sich hauptsächlich um Stauwasser aus subglazialen Seen. Die Geologen warten also weiter auf den großen Vulkanausbruch.
Der Geochemiker Sigurdur Reynir Gislason erinnert sich noch gut an die Nacht vom achten auf den neunten Juli dieses Jahres. Seit Wochen beobachtet er die Messdaten, die Sensoren im Süden des Landes liefern. Gislason sitzt in seinem Büro am geologischen Institut der Universität von Island in Reykjavik, während er die Ereignisse jener Julinacht Revue passieren lässt.
"Um vier Uhr morgens kündigten die Messgeräte dann plötzlich eine fünf Meter hohe Flutwelle an, die vom Gletscher herunterkommen sollte. Da waren wir mehr als alarmiert."
Als Gislason ein paar Stunden später selbst den Ort des Geschehens erreichte, hatte die Flut aus Schmelzwasser und Eisbrocken bereits eine Brücke der Hauptstraße Islands zerstört. Innerhalb kürzester Zeit war eine gewaltige Menge Wasser aus dem Gletscher gebrochen. Was genau die Flut verursacht hatte, konnten die Geologen nicht auf Anhieb sagen. Dazu mussten sie zunächst die chemische Zusammensetzung des Flutwassers untersuchen. Dass es sich um geschmolzenes Gletschereis handelt, war sicher. Doch welche Hitzequelle hatte das Eis zum Schmelzen gebracht? War es möglicherweise ein Vulkanausbruch, der im Verborgenen stattgefunden hatte?
"Wir haben hier Eis, das direkt auf der vulkanischen Zone liegt. Die Erdkruste unter dem Gletschereis ist verhältnismäßig dünn, weil schon in geringer Tiefe Magma anwesend ist. Es heizt das Gebiet unter dem Gletscher auf und lässt das Eis schmelzen. Dadurch entsteht eine geothermische Zone, in der aufgeheiztes Schmelzwasser zwischen Magma und Eis zirkuliert. Dabei bilden sich ständig Seen unter dem Gletscher, die nicht entweichen können."
So beschreibt der Glaziologe Helgi Björnsson das Zusammenspiel von Eis und Magma, das nicht an die Oberfläche dringt. Denn wenn die Erdkruste zwischen den beiden noch intakt ist, entstehen lediglich Wasserspeicher unter dem Gletscher. Aus solchen subglazialen Seen kann ebenfalls Wasser freibrechen. Dann hat keine direkte Eruption die Flut verursacht. Ein solcher See hätte ebenso gut die aktuelle Gletscherflut auslösen können. Um das herauszufinden, analysiert Sirgurdur Reynir das Flutwasser.
"Wenn die Eruption nicht durch den Gletscher dringt, analysieren wir Proben des Flutwassers. Wir suchen dann nach chemischen Komponenten, die uns Hinweise darauf geben, was die Ursache der Flut war. Wir wollen herausfinden, ob es direkt mit Magma in Kontakt gekommen ist, oder ob es sich nur um Schmelzwasser handelt, das in einer geothermalen Zone entstanden ist."
Diese chemischen Substanzen dienen Gislason als Indikatoren für die Ursache der Flutwelle. Denn Wasser, das direkt mit Magma in Kontakt gekommen ist, unterscheidet sich chemisch von Wasser aus subglazialen Seen.
"Magma-Gase enthalten beispielsweise Salz- und Flusssäure. Diese Moleküle lösen sich sehr leicht im Wasser, deshalb suchen wir nach Chlor- und Fluorsalzen. Sie könnten Zeichen für den direkten Kontakt mit Magma sein."
Auf der anderen Seite gibt der pH-Wert des Wassers Hinweise darauf, ob es aus einem subglazialen See stammt. Ist der pH-Wert erhöht, kann das Wasser leichter Kohlendioxid aufnehmen. Dieser Indikator würde darauf hinweisen, dass die Flut nicht durch eine Eruption verursacht wurde.
"Dieses Wasser ist also besonders reich an gelöstem Kohlendioxid, und der pH-Wert entsprechend höher. Die ersten Indikatoren, nach denen wir also Ausschau halten, sind die Konzentration von Kohlendioxid auf der einen Seite und die von Chlor- und Fluorsalzen auf der anderen. Sie geben die ersten Hinweise darauf, was die Ursache für die Gletscherflut ist."
Geochemiker wie Gislason suchen nach diesen Indikatoren im Schmelzwasser von Gletschereis, um den Vulkan darunter zu bewerten. Ist er aktiv oder lässt eine Eruption weiter auf sich warten? Im Fall der Flut vom 9. Juli waren die Forscher besonders gespannt auf das Ergebnis der Wasseranalyse. Denn die Flutwelle stammte vom Gletscher Myrdalsjökull, der den Vulkan Katla bedeckt. Dessen Ausbruch ist seit langem überfällig. Doch Gislason kam zu dem Ergebnis, dass auch die aktuelle Flut nicht durch eine Eruption unter dem Eis verursacht wurde. Stattdessen handelte es sich hauptsächlich um Stauwasser aus subglazialen Seen. Die Geologen warten also weiter auf den großen Vulkanausbruch.