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Eiskunstlauf in Russland
"Wir brauchen kein Doping"

Nirgendwo sonst in der Welt ist Eiskunstlauf so beliebt und erfolgreich wie in Russland. Tatjana Tarasowa war selbst Läuferin und vor allem erfolgreiche Trainerin. Sie sagt: Mit Doping hat der Erfolg nichts zu tun. Auch auf die Olympischen Winterspiele blickt sie gelassen: "Wir werden uns unsere Fahne zurückholen", sagte sie dem Dlf.

Von Gesine Dornblüth |
    Die ehemalige russische Eiskunstläuferin und -trainerin Tatjana Tarasowa kommentiert einen Eiskunstlaufwettbewerbe für das Fernsehen.
    Die ehemalige russische Eiskunstläuferin und -trainerin Tatjana Tarasowa kommentiert heute Eiskunstlaufwettbewerbe im Fernsehen. (imago sportfotodienst)
    Vergangenes Wochenende bei der Eiskunstlauf-EM in Moskau. Sie badet förmlich in ihrem Programm, in der Musik. Die erst 15-jährige Russin Alina Zagitova flog der Goldmedaille im Damen-Einzel nahezu entgegen. Am Ende schlug sie die drei Jahre ältere Favoritin Jewgenija Medwedewa. Beide bekamen Rekordpunktzahlen. Die Kommentatorin im russischen Staatsfernsehen, Tatjana Tarasowa:
    "Wie gut, dass wir nicht nur eine solche Starterin haben. Sondern zwei!"
    Damit war es nicht genug, eine dritte Russin, Maria Sotskova, verfehlte die Bronzemedaille um nur wenige Punkte.
    "Wir haben eine riesige Zahl von Kindern, aus denen wir auswählen können"
    Wenn jemand das Erfolgsrezept der russischen Eiskunstläufer kennt, dann ist es Tatjana Tarasowa, die begeisterte Gastkommentatorin im Fernsehen. Derzeit berät sie die russische Olympiamannschaft. Die 70-Jährige ist eine der erfolgreichsten Eiskunstlauftrainerinnen aller Zeiten. Ihre Schützlinge haben mindestens ein Dutzend Olympische Goldmedaillen geholt. Für sie sind die Trainingsbedingungen und die Nachwuchsarbeit das Entscheidende.
    "Mit den Kindern wird ab dem Alter von vier Jahren gearbeitet, und zwar professionell: Mit Choreographie, allgemeiner körperlicher Fitness und allem, was dazu gehört. Die Eltern zahlen fast nichts. Russen gewinnen alle Junioren-Wettbewerbe. Alle. In allen Ländern. Denn wir haben eine riesige Zahl von Kindern, aus denen wir auswählen können."
    Tarasova erinnert sich mit Schrecken an die 90er-Jahre, als sie nach Hannover pendelte. Ihr Mann, ein Musiker, hatte dort eine Professur an der Hochschule.
    "In Hannover konnte ich nicht leben, denn ich konnte dort nicht arbeiten. Es gibt dort kein Eis, rein physisch. Und wenn, dann nur Eis für Hockey."
    Sportliches Niveau auch bei Regionalwettbewerben hoch
    Das ist anders beschaffen als das Eis für Eiskunstläufer. In Russland ist Schlittschuhlaufen Volkssport, so beliebt wie in Deutschland Fußball. Und in den letzten Jahren wurde erheblich in die Infrastruktur investiert, berichtet Konstantin Jablotzkij. Der ehemalige Amateur-Eiskunstläufer ist Kampfrichter.
    "In den 90er-Jahren, als das Land am Boden lag, waren unsere großen Trainer gezwungen, mit ihren Schützlingen nach Amerika zu fahren und sie dort auf die Olympischen Spiele vorzubereiten. Seitdem wurden nicht nur in Moskau, St. Petersburg und anderen großen Städten viele Eisstadien gebaut, sondern auch in den Regionen. Ich habe in den elf Jahren als Richter ganz Russland bereist, ich war in Sibirien, in Jakutien, und nicht in den Provinzhauptstädten, sondern in Kleinstädten, im Fernen Osten, in Zentralrussland – überall gibt es Eiskunstlaufwettbewerbe!"
    Und schon bei den russischen Regionalwettbewerben sei das sportliche Niveau in der Regel so hoch wie bei Russischen Meisterschaften, erzählt Jablotzkij.
    "Und jetzt ernten wir die Früchte. Da sind ja nicht nur Medwedewa, Zagitowa, Sotskowa, hinter ihnen sitzt noch eine ganze Bank mit Reserveläuferinnen. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie viele das sind. Sehr viele. Sehr viele."
    Doping: "Wir brauchen nichts"
    Doping spiele bei den Eiskunstläufern keine Rolle, beteuert Jablotzkij. Auch Tatjana Tarasowa schüttelt bei dem Thema energisch den Kopf.
    "Wir arbeiten so viel, dass wir nichts dergleichen brauchen. Nichts."
    Der russische Eiskunstlauf ist vergleichsweise sauber. Der letzte aufsehenerregende Fall liegt zwei Jahre zurück. Da wurde die Eistänzerin Jekaterina Bobrowa, die Europameisterin von 2013, positiv auf das verbotene Meldonium getestet. Mit ihrem Partner wurde sie daraufhin von der Weltmeisterschaft ausgeschlossen.
    Ermittlungen des Internationale Olympischen Komitees gegen die Goldmedaillengewinnerin von Sotschi 2014, Alina Sotnikowa, wegen des Verdachts auf Doping wurden fallengelassen, der Verdacht hatte sich nicht erhärtet. Tatsache ist, im Eiskunstlauf zählen nicht nur Kraft und Ausdauer, sondern auch Qualitäten wie Ausdruck und Ästhetik, betont Tatjana Tarasowa.
    "Unsere Choreografen arbeiten am Bild, am Gesicht, an den Händen. Wir laufen doch zu Musik. Die Sportler drücken Musik aus. Das ist kein Sprungwettbewerb. Es heißt Eiskunstlauf. Und Sprünge sind nur ein, wenn auch der wichtigste, Bestandteil."
    "Wir werden uns unsere Fahne zurückholen"
    Zu den Olympischen Winterspielen in Pyeongchang fährt Tatjana Tarasova voller Optimismus. Dass auch die russischen Eiskunstläufer nur unter der olympischen Fahne starten dürfen, nimmt sie locker.
    "Als Pierre de Coubertin die Olympischen Spiele erfand, gab es dabei nur eine Hymne, die Olympische, und nur eine Kleidung, Olympische. Es gab keine Länder, keine Fahnen. Wir kehren jetzt einfach zu den Anfängen zurück und verneigen uns vor Pierre de Coubertin. Und am Ende der Spiele werden wir uns, hoffe ich, unsere Fahne und unsere Hymne zurückholen. Denn deshalb fahren wir dorthin."