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Viele Favoriten nicht dabei
Wie der Angriffskrieg die Eiskunstlauf-WM beeinflusst

Zahlreiche Favoritinnen und Favoriten sind bei der Eiskunstlauf-WM in Frankreich nicht dabei. Welche Aussagekraft hat der Wettbewerb dann überhaupt noch? Und wie steht es zurzeit um die 15-jährige russische Eiskunstläuferin Kamila Walijewa? ARD-Sportjournalistin Stephanie Baczyk gibt einen Überblick.

Stephanie Baczyk im Gespräch mit Raphael Späth | 22.03.2022
Gabriella Papadakis und Guillaume Cizeron bei den Olympischen Spielen
Nur wenige Favoriten sind bei der WM in Montpellier überhaupt dabei. Darunter sind Gabriella Papadakis und Guillaume Cizeron. (dpa/picture alliance/Xinhua News Agency)

Wie beeinflusst der Angriffskrieg die WM?

Große Favoritinnen und Favoriten werden nicht dabei sein. Die russischen und die belarussischen Läuferinnen und Läufer dürfen nicht teilnehmen. Fünf von zwölf möglichen Medaillen, die zuletzt auch bei Wettbewerben verteilt worden sind: Diese ganzen Teilnehmer sind einfach nicht da.
Das zeigt sich vor allem beim Paarlauf. Da sind die Favoriten bei der WM tatsächlich die Sechst- und Siebtplatzierten der Olympischen Spiele. Alle, die davor waren, kamen entweder aus Russland oder aus China. Sie haben auch das Problem, dass sie nach den Olympischen Spielen in Quarantäne geschickt worden sind, drei Wochen nicht starten dürfen. Dadurch fehlt die Wettkampf-Praxis. Das hat natürlich große Auswirkungen auf die Weltmeisterschaft in Montpellier.

Wie steht es um Kamila Walijewa? Hat man seit den Olympischen Spielen in Peking etwas von ihr gehört?

Sie hat sich selber zu Wort gemeldet in den sozialen Medien. Man weiß aber auch nicht ganz genau: Kam das jetzt von ihr? Oder war das inszeniert, wo sie gesagt hat, sie wird jetzt gut betreut und sich für die Unterstützung drumherum bedankt hat. Danach hat man nichts mehr von ihr gehört.
Eiskunstläuferin Kamila Walijewa beim Training
Eiskunstläuferin Kamila Walijewa ist von der Bildfläche verschwunden. (picture alliance / dpa / TASS / Valery Sharifulin)
Klar ist, dass alle natürlich wissen wollen: Wie geht es weiter mit diesem 15-jährigen Mädchen, das so im Fokus stand, das ja des Dopings überführt wurde. Sie ist komplett von der Bildfläche verschwunden. Das ist auf der einen Seite, aus sportlicher Sicht, vielleicht gut für die anderen, die im Einzel starten, weil das ganze Thema nicht alles überstrahlt. Aber auf der anderen Seite möchte man natürlich wissen: Wie geht es da weiter? Weil sie war nicht nur eine Sportlerin, die des Dopings überführt wurde. Sie ist eben auch noch ein halbes Kind.

Welche sportliche Aussagekraft hat diese Weltmeisterschaft dann überhaupt?

Die Sportlerinnen und Sportler, die teilnehmen, sehen natürlich den Wettbewerb. Aber die Frage ist tatsächlich: Wie sehr freut man sich darauf, wenn man sich nicht mit den Besten der Besten messen kann? Das drückt die ganze Geschichte schon. Im Eistanzen sind tatsächlich die Olympiasieger mit dabei, mit Gabriella Papadakis und Guillaume Cizeron. Danach kommt aber lange nichts mehr in den anderen Disziplinen.
Gerade, wenn die russischen Paare wegfallen, wenn die chinesischen Paare wegfallen, heißt das für die anderen, sie können sich beweisen. Aber insgesamt ist das Teilnehmerfeld dann doch viel schwächer. Das wirft die Schatten vor dieser Weltmeisterschaft voraus.

Könnte es dann auch Top-Platzierungen für die deutschen Starterinnen und Starter geben?

Gerade das deutsche Paar Minerva Hase und Nolan Seegert hat in der Saison auch Achtungserfolge erzielt, auch wenn sie bei der Europameisterschaft in Tallinn nicht wirklich gut abgeschnitten haben. Da kam die Nervosität in die Quere.
Bei den Olympischen Spielen war Nolan Seegert positiv getestet, musste zehn Tage in Quarantäne. Dann fehlte die Kraft. Die beiden sind Letzte geworden nach der Kür. Dass sie jetzt aber unter den Top 5 oder 6 landen, scheint nicht ganz abwegig. Die Frage ist dann: Wie viel Kraft ist auch da? Dazu muss man wissen, dass die beiden eigentlich in Sotschi trainieren, aufgrund des Angriffskrieges aber nicht einreisen konnten. Am Ende haben sie in Italien trainiert. Auch das kam noch mal für die Vorbereitung dazu.
Die Deutschen sind in diesem ganzen Konstrukt tatsächlich eher hintendran, auch in den anderen Disziplinen.

Vor der WM hat die ehemalige deutsche Athletin Aljona Savchenko für Schlagzeilen gesorgt. Sie hat sich überraschend dazu entschieden, als Bundestrainerin in den Niederlanden und nicht in Deutschland anzufangen. Warum ist das so?

Aljona Savchenko hätte eigentlich gerne in Deutschland weitergearbeitet, hat aber klar Kritik an der Deutschen Eislauf-Union geübt und gesagt, das Angebot, was ihr da gemacht wurde, sei so nicht akzeptabel gewesen. Die Niederlande sind ihr in einer anderen Art und Weise entgegengekommen. Sie hat auch da noch einmal daran erinnert, dass ihr Trainer Alexander König, unter dem sie und Bruno Massot 2018 die Goldmedaille geholt haben, rausgeworfen wurde. Das Ganze unter fadenscheinigen Begründungen.
Man tut nicht wirklich viel dafür, dass tatsächlich Talente gefördert und nachgeholt werden. Das ist tatsächlich auch ein Problem, das sich schon über Jahre zieht. Die Deutsche Eislauf-Union schafft es nicht, junge Läuferinnen und Läufer nachzuholen, die dann am Ende erfolgreich sind. Wenn man auf Aljona Savchenko schaut, kann man sagen: Sie ist zwar eine sehr harte Trainerin, weil sie auch sehr ehrgeizig gewesen ist als Läuferin selbst. Sie hätte da eine Vorbildfunktion gehabt. Und sie hätte es tatsächlich schaffen können, dass auch der Nachwuchs nachkommt, der am Ende etwas was reißen kann in Wettbewerben.