Der venezolanische Wirtschaftswissenschaftler, ehemalige Kulturminister und Musiker José Antonio Abreu hatte eine Vision: Er wollte allen Venezolanern Zugang zu klassischer Musik verschaffen. Vor allem sollten Kinder und Jugendliche aus allen Schichten durch das gemeinsame Musizieren Integration und Toleranz lernen. Seine Idee: Elend mit Musik bekämpfen. Im dumpfen Nichtstun in den Slums fand er die Ursache für Gewaltbereitschaft, Drogenkonsum und Kriminalität. 1975 gründete er das Musikprojekt "El Sistema". Aus den elf Schülern, mit denen er damals in einer Garage zu musizieren begann, ist Venezuelas berühmtestes Jugendorchester "Simón Bolívar" mit 120 Mitgliedern entstanden.
Keine Unterstützung mehr
Daraus hat José Antonio Abreu im Lauf der Jahrzehnte eine Musikbewegung geschaffen, die 125 Orchester und Chöre mit 250.000 Jugendlichen umfasst. Weltberühmte Dirigenten wie Simon Rattle und Claudio Abbado haben mit dem "Simón Bolívar" gespielt, und einer von ihnen hat selbst Weltruhm erlangt: Gustavo Dudamel. Abreu hatte immer auf einer großen Unabhängikeit von der Politik bestanden, sagte Korrespondent Peter B. Schumann im Deutschlandfunk. Unter Chavez sei das einigermaßen gelungen, er habe das Orchester und seine Tourneen unterstützt. Diese Situation sei in den letzten Jahren allerdings kaputt gegangen.
Abreus Projekt wurde oft kopiert, er selbst wurde vielfach ausgezeichnet - unter anderem mit dem Bundesverdienstkreuz und dem Alternativen Nobelpreis. Nun ist er im Alter von 78 Jahren gestorben. In Venezuela hat Präsident Nicolás Maduro eine dreitägige Staatstrauer angeordnet.
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