Anfang Juni schlugen die Messapparaturen am südlichen Elbufer Alarm. Auf einem Ponton am Seemannshöft laufen rund um die Uhr Messungen zum Zustand der Elbe. Die Daten wertet Werner Blohm mit seinem Team aus. Blohm ist Referatsleiter für das Wassergütemessnetz im Hamburger Hafen, vor ihm steht aufgeklappt eines der vielen Messgeräte:
"Das ist unsere Sauerstoffsonde, die wie alle Systeme an dem Rohrsystem angeschlossen ist. Hier fließt durch das kleine Messbecken das Elbwasser durch. Das braucht von der Pumpe, da, wo es angesaugt wird bis hier ins Messbecken so zwei bis drei Sekunden. Und dann fließt das hier an der Messsonde vorbei.
Und die Messsonde ist in der Lage, den Sauerstoffgehalt direkt zu messen. Da kriegen wir relativ viele Messwerte von. Dann wollen wir hier mal gucken: hier auf der Anzeige sehen wir gerade: knapp über 2 Milligramm, die wir haben. Und für Fische müssten wir hier mindestens vier Milligramm haben. Im Moment ist das wirklich keine schöne Situation!"
Der Sauerstoffgehalt hängt vom Wetter ab
Eine Woche liegt die für die Fischfauna der Elbe so dramatische Situation zurück. Seit 30 Jahren wurden derartige Werte nicht mehr gemessen. Mittlerweile ist die Sauerstoffsättigung auf mehr als vier Milligramm pro Liter gestiegen. Das liegt vor allem am kühleren Wetter. So wie der niedrige Sauerstoffgehalt unter anderem durch die hohen Temperaturen der vorangegangenen Wochen entstanden ist.
Denn eine hohe Wassertemperatur regt das Algenwachstum an, im Hamburger Hafen und im Oberlauf der Elbe. Das Problem: das Wasser im Hafen ist rund zehn Meter tiefer als flussaufwärts, die Algen gelangen damit in tiefere Zonen. Und das habe erhebliche Folgen, erklärt Professor Ralf Thiel, Fischkundler an der Uni Hamburg:
"In den flacheren Bereichen der Elbe produzieren die Algen Sauerstoff, da sie Photosynthese betreiben und das Licht dafür benötigen. Und mit Hilfe dieses Prozesses sind sie dann Sauerstoffproduzenten. In den vertieften Bereichen, wo das Licht nicht bis in die größeren Tiefen eindringen kann, können die Algen keine Photosynthese mehr durchführen, sondern sie atmen dort vor allem deswegen, weil sie nicht genug Licht zur Verfügung haben und verbrauchen bei der Atmung Sauerstoff."
Verschärft die Elbvertiefung das Problem?
Ralf Thiel verweist auch darauf, dass Schädigungen der Fischfauna nicht erst unter vier Milligramm Sauerstoff pro Liter einsetzen. So würden die Larven von Stinten wesentlich empfindlicher auf den Sauerstoffmangel reagieren und nicht die Größe und Kraft von Tieren haben, die sich unter besseren Bedingungen entwickelt.
Die geplante Elbvertiefung, die Schiffen mit besonders hohem Tiefgang den Weg nach Hamburg bahnen soll, werden die Probleme noch verstärken, so Ralf Thiel:
"Es würde sich natürlich verschärfen. Denn wir wissen, dass solche Prozesse dazu führen, dass die Flachwasserbereiche, die für die Sauerstoffproduktion in der Tideelbe sehr wichtig sind, zunehmend verschlicken. Und ganz einfach auch durch ein tieferes Gewässer führt das dazu, dass die Verweilzeit der Algen dann in den licht-nicht-durchfluteten Bereichen größer ist als das jetzt der Fall ist."
"Die Menschen baggern schon lange an der Elbe herum"
Björn Marzahn von der Hamburger Umweltbehörde verweist auf die zahlreichen Untersuchungen, die während der Planungsphase der Elbvertiefung angestellt wurden und widerspricht diesen Prognosen.
"Davon gehen wir nicht aus. Die eigentliche Ursache ist darin zu sehen, dass die Menschen schon seit Jahrhunderten an der Elbe herumbaggern und sie wirtschaftlich nutzen. Das ist nicht etwas, was in den letzten Jahren entstanden ist und auch nicht durch die neue Elbvertiefung verstärkt wird. Das ist eine Ursache, die Jahrhunderte alt ist."
Wenn der Sommer sehr heiß wird und die Hitzeperioden länger andauern, werden die Sauerstoffwerte wieder sinken. Die Versuche der Hamburger Feuerwehr, die in der letzten Woche kleinere Gewässer aus Löschkanonen besprüht, um so für etwas mehr Sauerstoff im Wasser zu sorgen, diese Versuche, darin herrscht Einigkeit, helfen bei der Elbe sicher nicht.