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Elektrisch senkrecht in die Luft

Ob Privat- oder Geschäftsflugzeug - auch in der Luftfahrt gibt es einen Individualverkehr: die sogenannte Allgemeine Luftfahrt. Und auch hier halten die Elektromotoren Einzug: Auf dem jährlichen Branchentreff, der Messe AERO in Friedrichshafen, ist als Weltneuheit ein elektro-getriebener Senkrechtstarter zu bestaunen.

Von Thomas Wagner |
    Das Ding sieht auf den ersten Blick nicht eben vertrauenserweckend aus: eine Art viereckige metallische Spinne, so groß wie die Fläche eines Wohnzimmers. In der Mitte ein Pilotensitz - und über das Gestänge verteilt, 18 kleine Elektromotoren mit senkrecht nach oben weisenden Propellern.

    "Da ist kein Unterschied in der Effizienz der Energieausschöpfung, ob ich jetzt 18 kleine Motoren habe oder einen großen mit der gleichen Leistung. Der Vorteil ist nur, dass wir eine hohe Redundanz haben. Das heißt: Es können einige ausfallen. Und das Gerät fliegt immer noch", "

    erklärt Alexander Zosel von der Karlsruher Syntern GmbH die jüngste Entwicklung des Unternehmens: den e-volo, den weltweit ersten elektrischen Senkrechtstarter. Das ganze Drahtgestänge wiegt inklusive Motoren, Zentralcomputer und Akkupack nicht mehr als 80 Kilogramm; An- und Auftrieb erfolgen über die 18 elektrobetriebene Rotoren. Auf Knopfdruck geht's wie im Fahrstuhl nach oben, aber auch je nach Reiseziel nach vorne, rückwärts oder seitwärts. Dabei werden die Rotoren vom Bordrechner je nach Flugrichtung zentral gesteuert. Neigung nach vorne bedeutet beispielsweise: Die vorderen Motoren drehen sich nicht zu schnell wie die hinteren; das Fluggerät neigt sich leicht nach unten. Das Besondere daran: Der eigentliche Pilot ist der Bordrechner.

    " "Rein theoretisch könnte man das Gerät komplett autonom fliegen. Also eigentlich könnte man jemand reinsetzen, der sagt, ich möchte von A nach B fliegen. Wir werden auch Automatismen haben, wie beispielsweise Landen auf der Jacht. Das heißt: Die Jacht schlingert. Da muss der Pilot nicht versuchen, das Schlingern mit dem Joystick auszugleichen. Sondern der Pilot macht einfach nur 'rauf' und 'runter'. Und das Schlingern gleich man autonom aus."

    Dazu ist die Bordelektronik mit einer Fülle von Sensoren verbunden: Ein GPS-Empfänger gehört dazu. Daneben haben die Konstrukteure auch eine Anleihe bei den Smartphones genommen. Alexander Zosel:

    "Die Kinder spielen auf dem I-Phone Autorennen, indem sie einfach beim schneller fahren das iPhone nach vorne kippen. Und genau diese Art von Sensorik ist bei uns auch verbaut."

    Durch die 18 einzelnen Rotoren ist e-volo extrem manövrierfähig, kann auf Windstöße ebenso reagieren wie auf den schwankenden Untergrund einer Jacht. Allerdings war beim Erstflug im November vergangenen Jahres der Flugspaß nach rund 20 Minuten vorbei: Die Akkus gingen zur Neige. In puncto Energieversorgung soll das System noch wesentlich verbessert werden - und auch in puncto Design. Statt der Metallspinne soll e-volo zukünftig als eine Art Kabinenfahrzeug daherkommen, einem Hubschrauber nicht unähnlich. Statt des herkömmlichen Heli-Rotors planen die Karlsruher Tüftler aber eine Plattform aus 16 einzelnen Elektrorotoren. Das Ganze ist nach Ansicht von Alexander Zosel der Prototyp eines Luftfahrzeuges einer völlig neuen Generation - mit einer Fülle von Anwendungsmöglichkeiten.

    "Einsatzmöglichkeiten gibt es unglaublich viele. Wir haben jetzt schon aus der ganzen Welt eine Fülle von Anfragen, dass man das zum Beispiel wie ein Taxi benutzt, oder als Rettungsmittel, gerade in der Dritten Welt, wo es keine Straßen gibt. Und da erweist sich dieses Senkrechtstarten als Vorteil: Man braucht halt keine Landepiste."

    Bis aber tatsächlich die Serienproduktion des elektrischen Senkrechtstarters anläuft, werden noch Jahre vergehen, heißt es auf der AERO in Friedrichshafen.