Feldtag zur Erntezeit in Niederndodelleben. Ein Höhepunkt ist das Traktor-Rodeo. Denn Landwirtschaft ohne Technik ist heute für die meisten undenkbar.
Traktoren haben die über vier Millionen Arbeitspferde, die es vor 100 Jahren noch gab, inzwischen überall verdrängt. In dem gleichen Zeitraum sank die Zahl der Beschäftigten von einem Drittel auf ein Fünfzigstel der Erwerbstätigen, dabei vervierfachten sich die Erträge und der durchschnittliche Betrieb ist jetzt sechs Mal so groß wie früher. Dabei können sich viele kleine Höfe die nötige Technik gar nicht mehr leisten und müssen sie mieten.
Je größer, desto profitabler - war und ist deshalb die Devise. Denn nur so ist die Technik bezahlbar. Doch mit den großen Flächen haben sich die Landwirte ein neues Problem aufgehalst. Auf den Riesenfeldern - die gibt es vor allem im Osten Deutschlands - werden die Pflanzen gleich behandelt, unabhängig davon, wie verschieden sie wachsen. So wird gleich gemacht, was nicht gleich ist, und das kostet Geld. Dagegen soll jetzt noch mehr Technik helfen. Das Ziel ist die Landwirtschaft nach Maß:
"Präzisionslandwirtschaft ist nichts anderes als zu versuchen auf Kleinstflächen durch Bestandesführungsmaßnahmen das Optimum für die Pflanzen zu schaffen, ja, Wachstumsbedingungen, optimale Wachstumsbedingungen zu schaffen für die sich verändernden Bedingungen innerhalb einer größeren Flächeneinheit, nichts anderes, und zwar unter Einsatz moderner Mittel wie Elektronik."
Wilfried Littmann baut mit seinen 12 Kollegen in Vorpommern auf über 1000 Hektar Weizen, Raps, Gerste und Zuckerrüben an. Er ist Geschäftführer des Netzower Agrarhofs Peenetal, der sich 6 Kilometer an einem Fluss entlang schlängelt und sich an der breitesten Stelle auch etwa genauso weit ausdehnt. Wilfried Littmann setzt auf Präzisionslandwirtschaft, oder teilflächenspezifische Bewirtschaftung, wie es auch heißt. Jede 27 mal 27 Meter große Parzelle eines Feldes wird individuell gehegt und gepflegt, so wie es am besten für die Pflanzen ist, die dort wachsen:
"Eines der Kernprobleme ist immer gewesen: Wie finde ich mich draußen auf dem Feld zurecht? Und dann kam plötzlich der Zugang zum so genannten GPS - Global Positioning System - was man schon seit Anfang der 70er Jahre in der Militärtechnik hatte, aber einfach nicht zugänglich war. Und die ersten Empfänger waren dann verfügbar Ende der 80er Jahre."
Ewald Schnug von der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft in Braunschweig war von Anfang an dabei. Mit den neuen Empfängern für die GPS Satelliten konnten die Wissenschaftler genau feststellen, wo auf dem Feld sie waren und jeden Punkt später wiederfinden. Der Direktor des Instituts für Pflanzenernährung und Bodenkunde erinnert sich:
"Es war unwahrscheinlich viel Technikbegeisterung zu der Zeit, ich habe selber Anfang der 90er Jahre noch geschrieben, dass GPS die Landwirtschaft innerhalb von 10 Jahren so verändern würde wie die Einführung des Traktors als Ersatz für Pferde. Stimmt nicht, habe ich heute revidieren müssen. Na ja, wie heißt das immer noch? Jede Revolution braucht Geld. Die Kosten der Inputfaktoren sind gesunken, die Erlöse für die Produkte sind ebenfalls gesunken; da bleibt ihnen irgendwann keine Luft mehr, um die Technik zu bezahlen. Die Leute die damit operieren, auch mit Teilen davon, sind einfach fasziniert von der Technik, es sind Pioniere nun mal."
Wilfried Littmann ist Pionier und überzeugt, dass er mit Präzisionslandwirtschaft Geld sparen kann. Sein Unkraut wächst nicht gleichmäßig auf den Feldern sondern kommt in Nestern vor. Wenn er von 50 Hektar nur die 8 behandelt, auf denen wirklich Disteln stehen, ist das - so rechnet er vor - über 2000 Euro billiger und gleichzeitig gut für die Umwelt. Deshalb hat er in seine Unkraut Spritze investiert. Das ein großer Traktor von dem ein 27 Meter breites Gestänge mit Düsen ausgeklappt wird:
"So, diese Spritze ist auch ausgerüstet mit GPS, da sieht man den Steuerrechner, der praktisch nachher das Auf und Zumachen der Düsen steuert und auch die Dosierung steuert. Und dann hat er vorne an der Seite, an der Seite sieht man dort den Bildschirm, das ist sein Arbeitscomputer, wo praktisch die Informationen gespeichert werden für die Spritzensteuerung."
Die Information liegt in einer so genannten Applikationskarte vor. In ihr ist eingetragen, an welchen Feldpunkten wie viel gespritzt werden soll. Um die Karte zu erstellen, muss der Landwirt vorher die Distelherde identifizieren. Dazu kann er Luftbilder benutzen oder über den Acker fahren. Das geht also noch manuell und scheint mühsam.
Informationen über die Felder und einzelnen Pflanzen zu beschaffen, ist eine der großen Schwierigkeiten der Präzisionslandwirtschaft. Seit einigen Jahren arbeiten Forscher deshalb an Sensoren, Kameras, Bildverarbeitung und Satellitenaufklärung. Es fing vor 10 Jahren an, mit der Ertragskartierung, die heute schon serienmäßig in die meisten Mähdrescher eingebaut ist. Kontinuierlich misst ein Sensor, was geerntet wird und ein GPS Empfänger registriert, wo er gerade fährt:
"Sieben... Punkt.... Vier .... Hier sehen sie zum Beispiel so einen großen Schlag bei uns. Jedes Karo hier bedeutet 729 Quadratmeter. Jetzt ist hier dargestellt der Ertrag aus dem Jahr 2002, da hatten wir Roggen angebaut, die gelbe Farbe bedeutet, es liegt im Mittel des Schlagdurchschnitts, das dunkelgrüne, das wären die Hochertragszonen und umgekehrt natürlich rot und orange sind Niedrigertragszonen."
Wilfried Littmann dokumentiert seit 6 Jahren, wie viel er erntet. Zusammen mit den Ergebnissen von Bodenproben sammelt er so riesige Datenmengen. Erst einmal musste der Landwirt lernen, was er mit den Informationen anfangen kann. Inzwischen bietet er sein Know How - wie etliche andere Servicefirmen - anderen Landwirten als Dienstleistung an. Das Ziel ist, den Dünger richtig zu dosieren. Die Grundnährstoffe, dass sind zum Beispiel Kalium, Magnesium und Phosphor, steuert Wilfried Littmann nach den Ergebnissen der Bodenproben mit einer Applikationskarte. Einmal im Jahr kommt dort, wo viel fehlt, viel hin. Damit hat er gute Erfahrungen gemacht.
Schwieriger ist es beim Stickstoff. Er hält sich nicht so lange im Boden, da er vom Regen ausgewaschen wird. Deshalb wird der Stickstoffdünger in der Regel zwischen März und Juni vier mal gegeben. Am besten soviel, wie die Pflanzen gerade zu diesem Zeitpunkt benötigen. Dort, wo viel wächst, entziehen die Pflanzen dem Boden viel Stickstoff. Dort muss also viel Dünger gegeben werden. Doch die Frage ist, wie die Landwirte das bereits im Frühjahr abschätzen sollen. Ein Anhaltspunkt ist das Ergebnis der vorangegangen Jahre, so wie es in den Ertragskarten vorliegt:
"Wir sind jetzt überzeugt, dass wir in Niedrigertragszonen insbesondere Stickstoffdünger einsparen können, das wird sich dann rechnen, weil nicht die Nährstoffversorgung der limitierende Faktor ist, die Wasserversorgung ist der limitierende Faktor. Ja, der ertragsbestimmende Faktor. Und wenn wir kein Wasser haben, können wir so viel Dünger hinstreuen, es kommt nicht mehr."
Und deshalb wird Wilfried Littmann ab diesem Jahr 70 Prozent seiner Felder teilflächenspezifisch düngen, gesteuert von Applikationskarten, in die die Erträge der vergangenen Jahre einfließen.
Doch ganz so einfach ist es nicht. Toniger Boden speichert zum Beispiel mehr Wasser als Sand, deshalb wachsen Pflanzen in trockenen Jahren auf tonigem Boden besser als auf sandigem Boden. Doch in feuchten Jahren gilt das nicht unbedingt, denn der Boden kann auch zu nass sein. Am besten wäre es deshalb, jedes Jahr aktuelle Daten für jede Parzelle eines Feldes aufzunehmen.
Ewald Schnug geht dazu einen Schritt weiter. Er entwickelt mit seinen Mitarbeitern für das Versuchsfeld der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft in Braunschweig Modelle, mit denen er berechnen will, wie das Wasser in den Böden versickert. Dynamische Wasserkarten nennt er das:
"Das machen wir ganz einfach, indem wir die zeitliche Verfärbung von Getreide, hauptsächlich Gerstenbeständen aufnehmen, weil die im Grunde genommen die dynamische Entleerung von Wasserspeichern im Boden anzeigen, vielleicht haben sie es auch schon einmal gesehen, dass ein Getreidebestand niemals komplett von grün nach braun rüber geht, es fängt irgendwo mit braunen Flecken an, und die weiten sich aus. Und diese braunen, abgereiften Flächen sind immer die Stellen, wo das Wasser als erstes erschöpft ist."
Das Projekt ist ehrgeizig, denn Bodenverhältnisse sind sehr komplex. Noch basteln die Braunschweiger Wissenschaftler an der Technik, die nötigen Daten zu bekommen. Herausgekommen ist Lassie - Low Altitude Stationary Surveillance Instrumental Equipment - auf Deutsch: eine fest installierte Überwachungskamera:
"So, das ist unser Versuchsfeld, diesen ersten Lassieprototyp benutzen wir zur Verbesserung des Versuchsfeldmanagement, ein 20 Meter hoher Gittermast, und da sitzt oben drauf eine Überwachungskamera mit sehr präzisem Steuerungsmotor. Der Vorteil für die einzelnen Wissenschaftler ist, sie können ihren Versuch jederzeit beobachten und betrachten. Das ganze Areal sind 100 Hektar, die können wir also problemlos damit - nicht überwachen, sondern die Bildinformation auch in geographische Informationssysteme einspeisen."
Der Big Brother auf dem Acker ist im Prinzip auch für Landwirte attraktiv. Sie können damit - vom Schreibtisch aus und jederzeit - Wachstumsunterschiede auf den Feldern beobachten, den Blühbeginn feststellen, Dünge- und Erntezeitpunkte bestimmen.
Kommt das System einmal auf dem Markt, wird es mit Satellitenbildern konkurrieren müssen, die die gleichen Daten aus dem Weltraum aufnehmen können. Noch sind die Bilder zu teuer und die Satelliten überfliegen die Felder zu selten. Ist es dann auch noch bewölkt, kann es zwei Wochen dauern, bis der Landwirt die relevanten Informationen erhält. So lange kann er nicht warten, um damit Dünge- und Erntezeitpunkte festzulegen. Doch in 2 bis 3 Jahren könnten neue Satellitensysteme attraktiv werden. Dann will die brandenburgische Firma Rapid Eye ein System aufgebaut haben, das Landwirten täglich Bilder ihrer Felder liefert. Alternativ dazu haben Wissenschaftler Sensoren entwickelt, die direkt auf dem Feld die nötigen Daten aufnehmen.
Das ist das Arbeitsgebiet von Detlef Ehlert, Projektleiter am Institut für Agrartechnik in Potsdam-Bornim. Er hat statt High-tech eine sehr intuitive Idee zur Produktreife entwickelt. An der Vorderseite seines Traktors ist ein etwa 1 Meter nach vorne reichendes Gestänge montiert. Daran pendelt ein quer aufgehängtes Rohr. Stößt man dagegen, weicht es schräg nach oben aus, wie ein Pendel. Ein Sensor misst, wie weit. Konsequenterweise heißt das einfache Gerät auch Pendelsensor. Auf dem Feld drücken die Pflanzen gegen die Stange:
Die Pflanzen üben auf dieses Rohr eine Kraftwirkung aus, die daraus resultiert, dass ja jede Pflanze ein bestimmtes Biegemoment aufnehmen kann und je stärker eine Pflanze ist, desto stärker ist ja wieder dieses Biegemoment. Einen dicken Baum, den können sie ja auch schwerer umbiegen als ein dünnes Bäumchen. Und genauso funktioniert dieses Prinzip. Und wenn sie dann noch die Anzahl dieser Halme je Flächeneinheit wie zum Beispiel je Quadratmeter nehmen, dann sind sie bei der Pflanzenmasse.
Wie bei der Steuerung über Ertragskarten soll der Dünger dorthin gestreut werden, wo viele Pflanzen wachsen, die ihn verbrauchen können. Doch an diesem Ansatz scheiden sich die Geister. Denn es könnte ja auch sein, dass dort, wo viel wächst deshalb so viel wächst, weil genug Dünger vorhanden ist. Die Logik verlangt dann, dort zu düngen, wo wenig wächst. Dieses gegenteilige Konzept verwirklicht der N-Sensor:
"Schönen guten Tag. Ich begrüße sie recht herzlich zu unserer 2. Sensor Veranstaltung, zu unserem 2. N-Sensor Stammtisch Münchhoff Derenburg."
Die Firma Agri Con hat in Wernigerode am Fuß des Harzes ein Treffen mit 30 Landwirten organisiert, die von ihr den N-Sensor gekauft haben. Die Idee ist faszinierend: N steht für Stickstoff, der Sensor soll direkt an der Pflanze messen, wie viel Stickstoffdünger sie benötigt. Auf den Trecker montiert steuert das Gerät was gestreut wird:
"Münchhoff Derenburg, Münchhoff Rimpau Gbr, wir haben drei Jahre jetzt eingesetzt den N-Sensor, bisher nur in Weizen und Gerste."
Klaus Münchhoff bewirtschaftet etwa 1500 Hektar Ackerland. Er hat den N-Sensor während der letzten 3 Jahre getestet:
"Ich sage dazu immer "ein blaues Surfbrett", Länge etwa 2 Meter 20, ragt auf jeder Seite zirka 30 Zentimeter über das Treckerdach hinaus, wird auf dem Treckerdach oben befestigt, der N-Sensor hat auf jeder Seite etwa 2 Augen mit denen er nach vorne und nach hinten die Biomasse misst."
Dazu misst der Sensor die Farbe des Lichts, das Boden und Pflanzen reflektieren. Die Erde ist rot, das Getreide ist grün. Je grüner das reflektierte Licht, desto mehr Getreide wächst auf dem beobachteten Areal. Genau genommen misst der Sensor den Chlorophyllgehalt pro Fläche. Von diesem grünen Farbstoff bilden Pflanzen umso mehr, je besser es ihnen geht. Dort, wo viel steht und es den Pflanzen gut geht, wird wenig gedüngt und dort, wo wenig steht, wird viel gedüngt. So hat es Klaus Münchhoff auf der Hälfte seines Versuchsfeldes gemacht. Auf der anderen Hälfte hat er die 2. Stickstoffgabe so festgelegt wie früher immer: nach seiner Erfahrung 40 Kilogramm N pro Hektar:
"Also wir haben im Betriebsdurchschnitt eine etwa eine Reduzierung vom Stickstoff, der sehr gering ist, von etwa 6-8 Kilo pro Hektar, aber wir haben einen höheren Ertrag von etwa drei bis fünf Doppelzentner je Hektar. 5 Dezitonnen sind bei 10 Euro je Dezitonne 50 Euro je Hektar, und bei 800 Hektar Weizen sind das 40000 Euro."
Doch das auf den ganzen Betrieb hochgerechnete Ergebnis ist zu optimistisch. Je nach Bodenverhältnissen und Witterung ist der Gewinn geringer. Denn der Sensor funktioniert nur, wenn die Bedingung erfüllt ist: geht es den Pflanzen schlecht, fehlt ihnen Stickstoff. Ewald Schnug:
"Wie viel Tausend Gründe gibt es, dass Pflanzen unterschiedlich wachsen und unterschiedlich grün sind? Bestimmt mehr als einen, Stickstoff. Einer der verbreitesten Mangelzustände die wir im Pflanzenbau draußen haben ist Schwefelmangel. Bei Schwefelmangel geht das Chlorophyll zurück, die Masse geht zurück. Jetzt fahren sie da mit einem N-Sensor gesteuerten Gerät drüber, dann wird er ihnen immer dort, wo Schwefelmangel ist, suggerieren, es sei Stickstoffmangel und wird erhöhte Menge an Stickstoff ausbringen."
Ein Landwirt kann also nicht einfach den Sensor aufs Dach schrauben und ihm alle Entscheidungen überlassen. Er muss die Situation auf seinem Feld kennen und sich sicher sein, dass die Stickstoffversorgung der limitierende Faktor ist. Nur unter dieser Annahme misst der Sensor, was die Promotion verspricht: den Stickstoffbedarf der Pflanze.
Dass es funktioniert, dafür spricht, dass Klaus Münchhoff und die anderen anwesenden Landwirte zufrieden sind. Sie haben alle mit dem N-Sensor experimentiert. Manche geben ihm mehr Spielraum, die Düngergabe zu beeinflussen, manche weniger. Peer Leithold von der Firma Agri Con - sie verkauft das Gerät - ist von seinen Studien überzeugt:
"Wir haben jedes Jahr so 20 bis 30 Großflächenversuche um einfach auch weiter zu lernen, zu kucken, zu schauen, was man besser machen kann, und dieses Jahr hatten wir 20 bis 25 Großflächenversuche und im Schnitt kamen wir auf dreieinhalb, vier Prozent mehr Ertrag, verschiedene Regionen, verschiedene Sorten, alles kunterbunt. Wenn man mal jetzt die letzten vier Jahre zusammen nimmt, das sind dann rund 80 Versuche, hatten wir 72, 74 Versuche mit einem Mehrertrag, und vier, fünf, sechs Versuche mit plus minus Null. Gibt es also auch."
Gleichzeitig haben die Landwirte weniger Stickstoff gedüngt. Das spart nicht nur Geld, sondern ist auch gut für die Umwelt und im Prinzip auch für die Qualität des Getreides. Doch sind die Zusammenhänge sehr komplex und die Landwirte brauchen Zeit, um Erfahrung zu sammeln. Sie verändern immer nur wenige Parameter, um keinen großen Ausfall zu riskieren. Mit dem gleichen Problem haben Obstbauern auf Apfelplantagen zu kämpfen. Auch dort dauert es deshalb lange, bis neue Technologien entwickelt sind und sich durchsetzen. So muss Bernd Herold vom Potsdamer Institut für Agrartechnik über einige Jahre Versuchsreihen durchführen. Er arbeitet an einem Sensor, der bestimmt, wann Äpfel am besten gepflückt werden. Dazu muss der Wissenschaftler berücksichtigen, wie sie nachreifen. Denn sie sollen dann gut schmecken, wenn der Kunde sie kauft:
"Der Apfel darf noch nicht voll ausgereift sein, sonst ist er nicht mehr lagerfähig. Es ist eine gewisse Kunst und viel Erfahrung bei den Gartenbauern notwendig, damit sie das erreichen. Es gibt die konventionellen zerstörenden Analysemethoden, aber perfekt ist das auch nicht."
Konventionell ist, dass der Gartenbauer im Herbst einmal in der Woche Äpfel sammelt, ins chemische Labor bringt und auf Stärkegehalt, Zuckergehalt und Druckfestigkeit untersuchen lässt. Das ist aufwändig und unsicher. Er muss jede Woche neue Äpfel nehmen, anstatt dass er den Reifeprozess immer an dem gleichen Apfel untersuchen kann. Anders Bernd Herold. Er untersucht jedes Mal die gleichen Äpfel, bis sie reif sind. Im Herbst geht er einmal die Woche auf die Plantage:
"Die Apelbäume sind drei Jahre hier gepflanzt worden, also vor drei Jahren. Das ist die Sorte Elster."
An seinem Arm hat er mit Klettverschlüssen den Messkopf befestigt, so dass er ergonomisch in der Hand liegt. Er presst ihn wie ein Stethoskop auf die Äpfel, die er markiert hat:
"Der Messkopf ist wie so ein kleiner zylindrischer Block, An der Frontseite hat er die Lichtquellen, das sind also in einem Kreis von ungefähr 35 Millimeter sechs Glühlampen, gleichmäßig auf dem Umfang und in der Mitte dieses Kreises sitzt die Lichtempfangsfaser. Das Licht geht von den diesen sechs Glühlampen, die direkt auf der Oberfläche aufsitzen, durch die Schale in das Fruchtfleisch des Apfels, wird reflektiert und was in der Mitte aus dem Apfel zurück reflektiert wird, wird von der Faser aufgenommen."
Sie leitet das Signal zu dem Messgerät in seinem Rucksack. Von dort gehen die Daten per Funk zum Laptop. Mit ihm analysiert Bernd Herold das Lichtspektrum, das der Apfel reflektiert. Im Prinzip ist das die Farbe, doch wichtig sind die Feinheiten, die mit bloßem Auge nicht zu erkennen sind. Bernd Herold entwickelt mathematische Modelle, mit denen er die nötigen Informationen aus den Daten heraus destillieren kann. Das ist zum Beispiel, wie viel Chlorophyll im Reifungsprozess schon abgebaut, oder wie viel Stärke zu Zucker umgewandelt wurde.
Die Äpfel einer Plantage werden nicht gleichzeitig reif. Da wäre es ideal, mit einem Tastendruck messen können, welche gepflückt werden sollen. Wie bei der teilflächenspezifischen Düngung auf den Weizenfeldern ist das Ziel die Landwirtschaft nach Maß. Auch das Messprinzip ist ähnlich: Sensoren bestimmen die Farbe, und daraus versuchen Wissenschaftler auf die gewünschte Information zurück zu schließen. Doch zur gezielten Unkrautbekämpfung versagt dieses Vorgehen. Denn die Farbe der verschiedenen Unkräuter ist sehr ähnlich und unterscheidet sich nicht von der der Kulturpflanzen. Deshalb arbeiten Wissenschaftler in Bonn daran, die Pflanzen an den Formen ihrer Blätter automatisch zu identifizieren.
In der Versuchsstation der Universität Bonn in Dikopshof steht das Gerät. Von Ferne erinnert es an eines der ersten Flugzeuge. Es ist ein mannshohes, eckiges Fahrzeug, an dem links und rechts je ein Stahlgerüstarm befestigt ist. Insgesamt ist es neun Meter breit. An den Armen hängen zwei Kameras, eine dritte ist in der Mitte montiert. Walter Kühbauch und seine Mitarbeiter fahren damit über ihre Versuchsfelder und alle 2 Meter nehmen sie ein Bild auf:
"Also, hier haben wir ein Bild, das mit dem infraroten Kanal aufgenommen ist, und hier haben wir ein Bild, das mit dem roten Kanal aufgenommen ist, und über das Differenzbild, das können sie jetzt sehen, kommt es zu einer sehr schönen Verbesserung, die Konturen werden viel schärfer."
Denn der Boden reflektiert das Sonnenlicht im roten und im infraroten Bereich, die Pflanzen nur im infraroten. Auf dem Differenzbild sind deshalb hauptsächlich noch die Pflanzen sichtbar. Um den Effekt zu verstärken, werden alle Bildpunkte unter einem Schwellwert weiß, alle anderen Schwarz gesetzt. Dieses Binärbild sieht aus, als ob aus einer schwarzen Platte die Blätter der Pflanzen ausgestanzt worden wären. Die Konturen sind jetzt klar erkennbar. Walter Kühbauch zeigt auf seine Liste mit den verschiedenen Blätterformen. Manche sehen aus wie Propeller, andere haben spitze Ecken. Die Artenvielfalt ist groß:
"Und was wir wissen wollen, sind hier die Längen und die Breitenverhältnisse, den Flächeninhalt und dann aber auch den Konturverlauf, den wir um die ganze Kontur herum legen und jedes Mal fragen, wo ändert sich der Winkel in diesem Konturverlauf. Das lässt sich dann ausdrücken in einer Sinus und Kosinusfunktion."
Die mathematischen Parameter vergleicht ein Computer mit einer Datenbank. Die Forscher haben die wichtigsten Unkräuter in 3 Klassen eingeteilt, je nachdem, mit welchem Herbizid sie bekämpft werden können. In 84 von 100 Fällen wählt das System die richtige Klasse. Damit steuern sie eine Spritze, die 3 Herbizide enthält. Jeder Feldbereich erhält genau das Mittel, das die darin wachsenden unerwünschten Pflanzen bekämpft.
Etwa die Hälfte des Herbizids, das ohne Bilderkennung hätte gespritzt werden müssen, wurde so eingespart. Wie die anderen Methoden der Präzisionslandwirtschaft schont das Umwelt und Geldbeutel. Sensorsteuerung und Bilderkennung könnten sogar im ökologischen Landbau eingesetzt werden, wenn statt Mineraldünger und Herbizide die dort zugelassenen Stoffe ausgebracht würden. Doch ob es sich einmal rechnen wird, ist noch lange nicht heraus. Auch 10 bis 15 Jahre nachdem die Wissenschaftler das Feld entdeckt haben, entwickelt sich der Markt nur langsam. Vielleicht kommt die Landwirtschaft nach Maß deshalb erst im Zuge einer anderen Technik, der automatischen Fahrzeugführung.
Ein Feld in der Nähe von Wittenberg. Torsten Wartenburger zieht seinen Traktor Bahn für Bahn, je 1000 Meter lang, über den Acker. Hinten angebracht ist die Drillmaschine, die Weizenkörner streut. Ganz so, wie auf vielen Feldern im Herbst. Doch Torsten Wartenburger benutzt eine technische Neuerung, die bisher nur wenige haben. Das Autotrack System:
"Jetzt habe ich es wieder aktiviert, da sieht man: Jetzt weiß er nicht wohin, also ich muss ihm schon eine gewisse Richtung vorgeben, dass er weiß, wo er hin will. Sehen sie, jetzt hat er 0.6 Zentimeter Abweichung, jetzt fährt er genau auf dem Strich, jetzt kann ich das Lenkrad loslassen."
Der Autopilot entlastet Torsten Wartenburger und erlaubt es ihm, sich auf die Bodenbearbeitung zu konzentrieren. Zu Beginn des Arbeitstages müssen lediglich eine Spur angefahren und zwei Punkte gesetzt werden, A und B. Der Computer verbindet dann die beiden Punkte mit einer Geraden, die er nach jedem Wendemanöver parallel, jeweils um die Arbeitsbreite von 27 Metern zur Seite verschiebt. Mit GPS gesteuert, findet der Traktor seinen Weg. Nur am Ende einer Bahn muss der Fahrer noch eingreifen und wenden. Da sich die Spuren nicht mehr wie bei der manuellen Steuerung überlappen, werden zirka 10 Prozent des Saatguts gespart. Außerdem ist Torsten Wartenburger so schneller fertig. Trotzdem lohnt sich die Investition nur in großen Betrieben ab etwa 500 Hektar. Die gibt es vor allem in Ostdeutschland, so Henry Kuschke, der das Autotracksystem bei der Firma Schlieper für Landmaschinen im brandenburgischen Sonnewalde vertreibt:
"Ich sage mal, hier sind die Strukturen günstiger. Das ist einfach so. Es gibt drüben auch eine Gruppe, die hinter so einem Teil her ist. Und das sind diejenigen, die immer die Höfe übernehmen von ihren Eltern. Die wollen nämlich nicht von früh um Sechs bis abends 22 Uhr auf dem Acker sitzen und dann tot ins Bett fallen. Das ist so. Ich sage immer, 50 Prozent der Kosten sind auch Entlastung für den Fahrer."
Der Wunsch nach Entlastung der Fahrer oder die Technikbegeisterung, wie Ewald Schnug meint, können zwar zur Entwicklung einer Technologie führen, aber nicht zum großen Durchbruch. Dazu muss die neue Technik profitabel sein. Die Experten meinen, dass das Autotracksystem das Potential dazu hat. Und es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Maschinen auch automatisch wenden können. Dann steht einer völligen Automatisierung, bei der die Routen am Computer geplant und programmiert werden, im Prinzip nichts mehr im Wege. Zusammen mit den Sensortechniken der Präzisionslandwirtschaft entstünde ein quasi sehender Feldroboter:
"Es ist eine enorme emotionale Komponente dabei, dass plötzlich nicht der Bauer mehr ackert, sondern der Roboter ackert. Das ist wieder so eine Entwicklung, die wahrscheinlich automatisch kommen wird, die sich einfach so hineindrückt.
Da lässt man mal ein Stündchen das Dingen allein fahren, dann fährt es 2 Stündchen alleine, dann fährt es vier Stündchen alleine, dann kann man schon eine Arbeitskraft sparen."
Damit würden viele Arbeitkräfte in der Landwirtschaft überflüssig werden, nicht sofort, aber vielleicht 20 oder 30 Jahren. Die meisten Landwirte wollen diese Entwicklung zwar überhaupt nicht und sie können sich auch nicht vorstellen, dass es so kommt. Doch vor 100 Jahren konnte sich auch niemand ausmalen, dass Traktoren eines Tages die Pferde ersetzen würden.
Traktoren haben die über vier Millionen Arbeitspferde, die es vor 100 Jahren noch gab, inzwischen überall verdrängt. In dem gleichen Zeitraum sank die Zahl der Beschäftigten von einem Drittel auf ein Fünfzigstel der Erwerbstätigen, dabei vervierfachten sich die Erträge und der durchschnittliche Betrieb ist jetzt sechs Mal so groß wie früher. Dabei können sich viele kleine Höfe die nötige Technik gar nicht mehr leisten und müssen sie mieten.
Je größer, desto profitabler - war und ist deshalb die Devise. Denn nur so ist die Technik bezahlbar. Doch mit den großen Flächen haben sich die Landwirte ein neues Problem aufgehalst. Auf den Riesenfeldern - die gibt es vor allem im Osten Deutschlands - werden die Pflanzen gleich behandelt, unabhängig davon, wie verschieden sie wachsen. So wird gleich gemacht, was nicht gleich ist, und das kostet Geld. Dagegen soll jetzt noch mehr Technik helfen. Das Ziel ist die Landwirtschaft nach Maß:
"Präzisionslandwirtschaft ist nichts anderes als zu versuchen auf Kleinstflächen durch Bestandesführungsmaßnahmen das Optimum für die Pflanzen zu schaffen, ja, Wachstumsbedingungen, optimale Wachstumsbedingungen zu schaffen für die sich verändernden Bedingungen innerhalb einer größeren Flächeneinheit, nichts anderes, und zwar unter Einsatz moderner Mittel wie Elektronik."
Wilfried Littmann baut mit seinen 12 Kollegen in Vorpommern auf über 1000 Hektar Weizen, Raps, Gerste und Zuckerrüben an. Er ist Geschäftführer des Netzower Agrarhofs Peenetal, der sich 6 Kilometer an einem Fluss entlang schlängelt und sich an der breitesten Stelle auch etwa genauso weit ausdehnt. Wilfried Littmann setzt auf Präzisionslandwirtschaft, oder teilflächenspezifische Bewirtschaftung, wie es auch heißt. Jede 27 mal 27 Meter große Parzelle eines Feldes wird individuell gehegt und gepflegt, so wie es am besten für die Pflanzen ist, die dort wachsen:
"Eines der Kernprobleme ist immer gewesen: Wie finde ich mich draußen auf dem Feld zurecht? Und dann kam plötzlich der Zugang zum so genannten GPS - Global Positioning System - was man schon seit Anfang der 70er Jahre in der Militärtechnik hatte, aber einfach nicht zugänglich war. Und die ersten Empfänger waren dann verfügbar Ende der 80er Jahre."
Ewald Schnug von der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft in Braunschweig war von Anfang an dabei. Mit den neuen Empfängern für die GPS Satelliten konnten die Wissenschaftler genau feststellen, wo auf dem Feld sie waren und jeden Punkt später wiederfinden. Der Direktor des Instituts für Pflanzenernährung und Bodenkunde erinnert sich:
"Es war unwahrscheinlich viel Technikbegeisterung zu der Zeit, ich habe selber Anfang der 90er Jahre noch geschrieben, dass GPS die Landwirtschaft innerhalb von 10 Jahren so verändern würde wie die Einführung des Traktors als Ersatz für Pferde. Stimmt nicht, habe ich heute revidieren müssen. Na ja, wie heißt das immer noch? Jede Revolution braucht Geld. Die Kosten der Inputfaktoren sind gesunken, die Erlöse für die Produkte sind ebenfalls gesunken; da bleibt ihnen irgendwann keine Luft mehr, um die Technik zu bezahlen. Die Leute die damit operieren, auch mit Teilen davon, sind einfach fasziniert von der Technik, es sind Pioniere nun mal."
Wilfried Littmann ist Pionier und überzeugt, dass er mit Präzisionslandwirtschaft Geld sparen kann. Sein Unkraut wächst nicht gleichmäßig auf den Feldern sondern kommt in Nestern vor. Wenn er von 50 Hektar nur die 8 behandelt, auf denen wirklich Disteln stehen, ist das - so rechnet er vor - über 2000 Euro billiger und gleichzeitig gut für die Umwelt. Deshalb hat er in seine Unkraut Spritze investiert. Das ein großer Traktor von dem ein 27 Meter breites Gestänge mit Düsen ausgeklappt wird:
"So, diese Spritze ist auch ausgerüstet mit GPS, da sieht man den Steuerrechner, der praktisch nachher das Auf und Zumachen der Düsen steuert und auch die Dosierung steuert. Und dann hat er vorne an der Seite, an der Seite sieht man dort den Bildschirm, das ist sein Arbeitscomputer, wo praktisch die Informationen gespeichert werden für die Spritzensteuerung."
Die Information liegt in einer so genannten Applikationskarte vor. In ihr ist eingetragen, an welchen Feldpunkten wie viel gespritzt werden soll. Um die Karte zu erstellen, muss der Landwirt vorher die Distelherde identifizieren. Dazu kann er Luftbilder benutzen oder über den Acker fahren. Das geht also noch manuell und scheint mühsam.
Informationen über die Felder und einzelnen Pflanzen zu beschaffen, ist eine der großen Schwierigkeiten der Präzisionslandwirtschaft. Seit einigen Jahren arbeiten Forscher deshalb an Sensoren, Kameras, Bildverarbeitung und Satellitenaufklärung. Es fing vor 10 Jahren an, mit der Ertragskartierung, die heute schon serienmäßig in die meisten Mähdrescher eingebaut ist. Kontinuierlich misst ein Sensor, was geerntet wird und ein GPS Empfänger registriert, wo er gerade fährt:
"Sieben... Punkt.... Vier .... Hier sehen sie zum Beispiel so einen großen Schlag bei uns. Jedes Karo hier bedeutet 729 Quadratmeter. Jetzt ist hier dargestellt der Ertrag aus dem Jahr 2002, da hatten wir Roggen angebaut, die gelbe Farbe bedeutet, es liegt im Mittel des Schlagdurchschnitts, das dunkelgrüne, das wären die Hochertragszonen und umgekehrt natürlich rot und orange sind Niedrigertragszonen."
Wilfried Littmann dokumentiert seit 6 Jahren, wie viel er erntet. Zusammen mit den Ergebnissen von Bodenproben sammelt er so riesige Datenmengen. Erst einmal musste der Landwirt lernen, was er mit den Informationen anfangen kann. Inzwischen bietet er sein Know How - wie etliche andere Servicefirmen - anderen Landwirten als Dienstleistung an. Das Ziel ist, den Dünger richtig zu dosieren. Die Grundnährstoffe, dass sind zum Beispiel Kalium, Magnesium und Phosphor, steuert Wilfried Littmann nach den Ergebnissen der Bodenproben mit einer Applikationskarte. Einmal im Jahr kommt dort, wo viel fehlt, viel hin. Damit hat er gute Erfahrungen gemacht.
Schwieriger ist es beim Stickstoff. Er hält sich nicht so lange im Boden, da er vom Regen ausgewaschen wird. Deshalb wird der Stickstoffdünger in der Regel zwischen März und Juni vier mal gegeben. Am besten soviel, wie die Pflanzen gerade zu diesem Zeitpunkt benötigen. Dort, wo viel wächst, entziehen die Pflanzen dem Boden viel Stickstoff. Dort muss also viel Dünger gegeben werden. Doch die Frage ist, wie die Landwirte das bereits im Frühjahr abschätzen sollen. Ein Anhaltspunkt ist das Ergebnis der vorangegangen Jahre, so wie es in den Ertragskarten vorliegt:
"Wir sind jetzt überzeugt, dass wir in Niedrigertragszonen insbesondere Stickstoffdünger einsparen können, das wird sich dann rechnen, weil nicht die Nährstoffversorgung der limitierende Faktor ist, die Wasserversorgung ist der limitierende Faktor. Ja, der ertragsbestimmende Faktor. Und wenn wir kein Wasser haben, können wir so viel Dünger hinstreuen, es kommt nicht mehr."
Und deshalb wird Wilfried Littmann ab diesem Jahr 70 Prozent seiner Felder teilflächenspezifisch düngen, gesteuert von Applikationskarten, in die die Erträge der vergangenen Jahre einfließen.
Doch ganz so einfach ist es nicht. Toniger Boden speichert zum Beispiel mehr Wasser als Sand, deshalb wachsen Pflanzen in trockenen Jahren auf tonigem Boden besser als auf sandigem Boden. Doch in feuchten Jahren gilt das nicht unbedingt, denn der Boden kann auch zu nass sein. Am besten wäre es deshalb, jedes Jahr aktuelle Daten für jede Parzelle eines Feldes aufzunehmen.
Ewald Schnug geht dazu einen Schritt weiter. Er entwickelt mit seinen Mitarbeitern für das Versuchsfeld der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft in Braunschweig Modelle, mit denen er berechnen will, wie das Wasser in den Böden versickert. Dynamische Wasserkarten nennt er das:
"Das machen wir ganz einfach, indem wir die zeitliche Verfärbung von Getreide, hauptsächlich Gerstenbeständen aufnehmen, weil die im Grunde genommen die dynamische Entleerung von Wasserspeichern im Boden anzeigen, vielleicht haben sie es auch schon einmal gesehen, dass ein Getreidebestand niemals komplett von grün nach braun rüber geht, es fängt irgendwo mit braunen Flecken an, und die weiten sich aus. Und diese braunen, abgereiften Flächen sind immer die Stellen, wo das Wasser als erstes erschöpft ist."
Das Projekt ist ehrgeizig, denn Bodenverhältnisse sind sehr komplex. Noch basteln die Braunschweiger Wissenschaftler an der Technik, die nötigen Daten zu bekommen. Herausgekommen ist Lassie - Low Altitude Stationary Surveillance Instrumental Equipment - auf Deutsch: eine fest installierte Überwachungskamera:
"So, das ist unser Versuchsfeld, diesen ersten Lassieprototyp benutzen wir zur Verbesserung des Versuchsfeldmanagement, ein 20 Meter hoher Gittermast, und da sitzt oben drauf eine Überwachungskamera mit sehr präzisem Steuerungsmotor. Der Vorteil für die einzelnen Wissenschaftler ist, sie können ihren Versuch jederzeit beobachten und betrachten. Das ganze Areal sind 100 Hektar, die können wir also problemlos damit - nicht überwachen, sondern die Bildinformation auch in geographische Informationssysteme einspeisen."
Der Big Brother auf dem Acker ist im Prinzip auch für Landwirte attraktiv. Sie können damit - vom Schreibtisch aus und jederzeit - Wachstumsunterschiede auf den Feldern beobachten, den Blühbeginn feststellen, Dünge- und Erntezeitpunkte bestimmen.
Kommt das System einmal auf dem Markt, wird es mit Satellitenbildern konkurrieren müssen, die die gleichen Daten aus dem Weltraum aufnehmen können. Noch sind die Bilder zu teuer und die Satelliten überfliegen die Felder zu selten. Ist es dann auch noch bewölkt, kann es zwei Wochen dauern, bis der Landwirt die relevanten Informationen erhält. So lange kann er nicht warten, um damit Dünge- und Erntezeitpunkte festzulegen. Doch in 2 bis 3 Jahren könnten neue Satellitensysteme attraktiv werden. Dann will die brandenburgische Firma Rapid Eye ein System aufgebaut haben, das Landwirten täglich Bilder ihrer Felder liefert. Alternativ dazu haben Wissenschaftler Sensoren entwickelt, die direkt auf dem Feld die nötigen Daten aufnehmen.
Das ist das Arbeitsgebiet von Detlef Ehlert, Projektleiter am Institut für Agrartechnik in Potsdam-Bornim. Er hat statt High-tech eine sehr intuitive Idee zur Produktreife entwickelt. An der Vorderseite seines Traktors ist ein etwa 1 Meter nach vorne reichendes Gestänge montiert. Daran pendelt ein quer aufgehängtes Rohr. Stößt man dagegen, weicht es schräg nach oben aus, wie ein Pendel. Ein Sensor misst, wie weit. Konsequenterweise heißt das einfache Gerät auch Pendelsensor. Auf dem Feld drücken die Pflanzen gegen die Stange:
Die Pflanzen üben auf dieses Rohr eine Kraftwirkung aus, die daraus resultiert, dass ja jede Pflanze ein bestimmtes Biegemoment aufnehmen kann und je stärker eine Pflanze ist, desto stärker ist ja wieder dieses Biegemoment. Einen dicken Baum, den können sie ja auch schwerer umbiegen als ein dünnes Bäumchen. Und genauso funktioniert dieses Prinzip. Und wenn sie dann noch die Anzahl dieser Halme je Flächeneinheit wie zum Beispiel je Quadratmeter nehmen, dann sind sie bei der Pflanzenmasse.
Wie bei der Steuerung über Ertragskarten soll der Dünger dorthin gestreut werden, wo viele Pflanzen wachsen, die ihn verbrauchen können. Doch an diesem Ansatz scheiden sich die Geister. Denn es könnte ja auch sein, dass dort, wo viel wächst deshalb so viel wächst, weil genug Dünger vorhanden ist. Die Logik verlangt dann, dort zu düngen, wo wenig wächst. Dieses gegenteilige Konzept verwirklicht der N-Sensor:
"Schönen guten Tag. Ich begrüße sie recht herzlich zu unserer 2. Sensor Veranstaltung, zu unserem 2. N-Sensor Stammtisch Münchhoff Derenburg."
Die Firma Agri Con hat in Wernigerode am Fuß des Harzes ein Treffen mit 30 Landwirten organisiert, die von ihr den N-Sensor gekauft haben. Die Idee ist faszinierend: N steht für Stickstoff, der Sensor soll direkt an der Pflanze messen, wie viel Stickstoffdünger sie benötigt. Auf den Trecker montiert steuert das Gerät was gestreut wird:
"Münchhoff Derenburg, Münchhoff Rimpau Gbr, wir haben drei Jahre jetzt eingesetzt den N-Sensor, bisher nur in Weizen und Gerste."
Klaus Münchhoff bewirtschaftet etwa 1500 Hektar Ackerland. Er hat den N-Sensor während der letzten 3 Jahre getestet:
"Ich sage dazu immer "ein blaues Surfbrett", Länge etwa 2 Meter 20, ragt auf jeder Seite zirka 30 Zentimeter über das Treckerdach hinaus, wird auf dem Treckerdach oben befestigt, der N-Sensor hat auf jeder Seite etwa 2 Augen mit denen er nach vorne und nach hinten die Biomasse misst."
Dazu misst der Sensor die Farbe des Lichts, das Boden und Pflanzen reflektieren. Die Erde ist rot, das Getreide ist grün. Je grüner das reflektierte Licht, desto mehr Getreide wächst auf dem beobachteten Areal. Genau genommen misst der Sensor den Chlorophyllgehalt pro Fläche. Von diesem grünen Farbstoff bilden Pflanzen umso mehr, je besser es ihnen geht. Dort, wo viel steht und es den Pflanzen gut geht, wird wenig gedüngt und dort, wo wenig steht, wird viel gedüngt. So hat es Klaus Münchhoff auf der Hälfte seines Versuchsfeldes gemacht. Auf der anderen Hälfte hat er die 2. Stickstoffgabe so festgelegt wie früher immer: nach seiner Erfahrung 40 Kilogramm N pro Hektar:
"Also wir haben im Betriebsdurchschnitt eine etwa eine Reduzierung vom Stickstoff, der sehr gering ist, von etwa 6-8 Kilo pro Hektar, aber wir haben einen höheren Ertrag von etwa drei bis fünf Doppelzentner je Hektar. 5 Dezitonnen sind bei 10 Euro je Dezitonne 50 Euro je Hektar, und bei 800 Hektar Weizen sind das 40000 Euro."
Doch das auf den ganzen Betrieb hochgerechnete Ergebnis ist zu optimistisch. Je nach Bodenverhältnissen und Witterung ist der Gewinn geringer. Denn der Sensor funktioniert nur, wenn die Bedingung erfüllt ist: geht es den Pflanzen schlecht, fehlt ihnen Stickstoff. Ewald Schnug:
"Wie viel Tausend Gründe gibt es, dass Pflanzen unterschiedlich wachsen und unterschiedlich grün sind? Bestimmt mehr als einen, Stickstoff. Einer der verbreitesten Mangelzustände die wir im Pflanzenbau draußen haben ist Schwefelmangel. Bei Schwefelmangel geht das Chlorophyll zurück, die Masse geht zurück. Jetzt fahren sie da mit einem N-Sensor gesteuerten Gerät drüber, dann wird er ihnen immer dort, wo Schwefelmangel ist, suggerieren, es sei Stickstoffmangel und wird erhöhte Menge an Stickstoff ausbringen."
Ein Landwirt kann also nicht einfach den Sensor aufs Dach schrauben und ihm alle Entscheidungen überlassen. Er muss die Situation auf seinem Feld kennen und sich sicher sein, dass die Stickstoffversorgung der limitierende Faktor ist. Nur unter dieser Annahme misst der Sensor, was die Promotion verspricht: den Stickstoffbedarf der Pflanze.
Dass es funktioniert, dafür spricht, dass Klaus Münchhoff und die anderen anwesenden Landwirte zufrieden sind. Sie haben alle mit dem N-Sensor experimentiert. Manche geben ihm mehr Spielraum, die Düngergabe zu beeinflussen, manche weniger. Peer Leithold von der Firma Agri Con - sie verkauft das Gerät - ist von seinen Studien überzeugt:
"Wir haben jedes Jahr so 20 bis 30 Großflächenversuche um einfach auch weiter zu lernen, zu kucken, zu schauen, was man besser machen kann, und dieses Jahr hatten wir 20 bis 25 Großflächenversuche und im Schnitt kamen wir auf dreieinhalb, vier Prozent mehr Ertrag, verschiedene Regionen, verschiedene Sorten, alles kunterbunt. Wenn man mal jetzt die letzten vier Jahre zusammen nimmt, das sind dann rund 80 Versuche, hatten wir 72, 74 Versuche mit einem Mehrertrag, und vier, fünf, sechs Versuche mit plus minus Null. Gibt es also auch."
Gleichzeitig haben die Landwirte weniger Stickstoff gedüngt. Das spart nicht nur Geld, sondern ist auch gut für die Umwelt und im Prinzip auch für die Qualität des Getreides. Doch sind die Zusammenhänge sehr komplex und die Landwirte brauchen Zeit, um Erfahrung zu sammeln. Sie verändern immer nur wenige Parameter, um keinen großen Ausfall zu riskieren. Mit dem gleichen Problem haben Obstbauern auf Apfelplantagen zu kämpfen. Auch dort dauert es deshalb lange, bis neue Technologien entwickelt sind und sich durchsetzen. So muss Bernd Herold vom Potsdamer Institut für Agrartechnik über einige Jahre Versuchsreihen durchführen. Er arbeitet an einem Sensor, der bestimmt, wann Äpfel am besten gepflückt werden. Dazu muss der Wissenschaftler berücksichtigen, wie sie nachreifen. Denn sie sollen dann gut schmecken, wenn der Kunde sie kauft:
"Der Apfel darf noch nicht voll ausgereift sein, sonst ist er nicht mehr lagerfähig. Es ist eine gewisse Kunst und viel Erfahrung bei den Gartenbauern notwendig, damit sie das erreichen. Es gibt die konventionellen zerstörenden Analysemethoden, aber perfekt ist das auch nicht."
Konventionell ist, dass der Gartenbauer im Herbst einmal in der Woche Äpfel sammelt, ins chemische Labor bringt und auf Stärkegehalt, Zuckergehalt und Druckfestigkeit untersuchen lässt. Das ist aufwändig und unsicher. Er muss jede Woche neue Äpfel nehmen, anstatt dass er den Reifeprozess immer an dem gleichen Apfel untersuchen kann. Anders Bernd Herold. Er untersucht jedes Mal die gleichen Äpfel, bis sie reif sind. Im Herbst geht er einmal die Woche auf die Plantage:
"Die Apelbäume sind drei Jahre hier gepflanzt worden, also vor drei Jahren. Das ist die Sorte Elster."
An seinem Arm hat er mit Klettverschlüssen den Messkopf befestigt, so dass er ergonomisch in der Hand liegt. Er presst ihn wie ein Stethoskop auf die Äpfel, die er markiert hat:
"Der Messkopf ist wie so ein kleiner zylindrischer Block, An der Frontseite hat er die Lichtquellen, das sind also in einem Kreis von ungefähr 35 Millimeter sechs Glühlampen, gleichmäßig auf dem Umfang und in der Mitte dieses Kreises sitzt die Lichtempfangsfaser. Das Licht geht von den diesen sechs Glühlampen, die direkt auf der Oberfläche aufsitzen, durch die Schale in das Fruchtfleisch des Apfels, wird reflektiert und was in der Mitte aus dem Apfel zurück reflektiert wird, wird von der Faser aufgenommen."
Sie leitet das Signal zu dem Messgerät in seinem Rucksack. Von dort gehen die Daten per Funk zum Laptop. Mit ihm analysiert Bernd Herold das Lichtspektrum, das der Apfel reflektiert. Im Prinzip ist das die Farbe, doch wichtig sind die Feinheiten, die mit bloßem Auge nicht zu erkennen sind. Bernd Herold entwickelt mathematische Modelle, mit denen er die nötigen Informationen aus den Daten heraus destillieren kann. Das ist zum Beispiel, wie viel Chlorophyll im Reifungsprozess schon abgebaut, oder wie viel Stärke zu Zucker umgewandelt wurde.
Die Äpfel einer Plantage werden nicht gleichzeitig reif. Da wäre es ideal, mit einem Tastendruck messen können, welche gepflückt werden sollen. Wie bei der teilflächenspezifischen Düngung auf den Weizenfeldern ist das Ziel die Landwirtschaft nach Maß. Auch das Messprinzip ist ähnlich: Sensoren bestimmen die Farbe, und daraus versuchen Wissenschaftler auf die gewünschte Information zurück zu schließen. Doch zur gezielten Unkrautbekämpfung versagt dieses Vorgehen. Denn die Farbe der verschiedenen Unkräuter ist sehr ähnlich und unterscheidet sich nicht von der der Kulturpflanzen. Deshalb arbeiten Wissenschaftler in Bonn daran, die Pflanzen an den Formen ihrer Blätter automatisch zu identifizieren.
In der Versuchsstation der Universität Bonn in Dikopshof steht das Gerät. Von Ferne erinnert es an eines der ersten Flugzeuge. Es ist ein mannshohes, eckiges Fahrzeug, an dem links und rechts je ein Stahlgerüstarm befestigt ist. Insgesamt ist es neun Meter breit. An den Armen hängen zwei Kameras, eine dritte ist in der Mitte montiert. Walter Kühbauch und seine Mitarbeiter fahren damit über ihre Versuchsfelder und alle 2 Meter nehmen sie ein Bild auf:
"Also, hier haben wir ein Bild, das mit dem infraroten Kanal aufgenommen ist, und hier haben wir ein Bild, das mit dem roten Kanal aufgenommen ist, und über das Differenzbild, das können sie jetzt sehen, kommt es zu einer sehr schönen Verbesserung, die Konturen werden viel schärfer."
Denn der Boden reflektiert das Sonnenlicht im roten und im infraroten Bereich, die Pflanzen nur im infraroten. Auf dem Differenzbild sind deshalb hauptsächlich noch die Pflanzen sichtbar. Um den Effekt zu verstärken, werden alle Bildpunkte unter einem Schwellwert weiß, alle anderen Schwarz gesetzt. Dieses Binärbild sieht aus, als ob aus einer schwarzen Platte die Blätter der Pflanzen ausgestanzt worden wären. Die Konturen sind jetzt klar erkennbar. Walter Kühbauch zeigt auf seine Liste mit den verschiedenen Blätterformen. Manche sehen aus wie Propeller, andere haben spitze Ecken. Die Artenvielfalt ist groß:
"Und was wir wissen wollen, sind hier die Längen und die Breitenverhältnisse, den Flächeninhalt und dann aber auch den Konturverlauf, den wir um die ganze Kontur herum legen und jedes Mal fragen, wo ändert sich der Winkel in diesem Konturverlauf. Das lässt sich dann ausdrücken in einer Sinus und Kosinusfunktion."
Die mathematischen Parameter vergleicht ein Computer mit einer Datenbank. Die Forscher haben die wichtigsten Unkräuter in 3 Klassen eingeteilt, je nachdem, mit welchem Herbizid sie bekämpft werden können. In 84 von 100 Fällen wählt das System die richtige Klasse. Damit steuern sie eine Spritze, die 3 Herbizide enthält. Jeder Feldbereich erhält genau das Mittel, das die darin wachsenden unerwünschten Pflanzen bekämpft.
Etwa die Hälfte des Herbizids, das ohne Bilderkennung hätte gespritzt werden müssen, wurde so eingespart. Wie die anderen Methoden der Präzisionslandwirtschaft schont das Umwelt und Geldbeutel. Sensorsteuerung und Bilderkennung könnten sogar im ökologischen Landbau eingesetzt werden, wenn statt Mineraldünger und Herbizide die dort zugelassenen Stoffe ausgebracht würden. Doch ob es sich einmal rechnen wird, ist noch lange nicht heraus. Auch 10 bis 15 Jahre nachdem die Wissenschaftler das Feld entdeckt haben, entwickelt sich der Markt nur langsam. Vielleicht kommt die Landwirtschaft nach Maß deshalb erst im Zuge einer anderen Technik, der automatischen Fahrzeugführung.
Ein Feld in der Nähe von Wittenberg. Torsten Wartenburger zieht seinen Traktor Bahn für Bahn, je 1000 Meter lang, über den Acker. Hinten angebracht ist die Drillmaschine, die Weizenkörner streut. Ganz so, wie auf vielen Feldern im Herbst. Doch Torsten Wartenburger benutzt eine technische Neuerung, die bisher nur wenige haben. Das Autotrack System:
"Jetzt habe ich es wieder aktiviert, da sieht man: Jetzt weiß er nicht wohin, also ich muss ihm schon eine gewisse Richtung vorgeben, dass er weiß, wo er hin will. Sehen sie, jetzt hat er 0.6 Zentimeter Abweichung, jetzt fährt er genau auf dem Strich, jetzt kann ich das Lenkrad loslassen."
Der Autopilot entlastet Torsten Wartenburger und erlaubt es ihm, sich auf die Bodenbearbeitung zu konzentrieren. Zu Beginn des Arbeitstages müssen lediglich eine Spur angefahren und zwei Punkte gesetzt werden, A und B. Der Computer verbindet dann die beiden Punkte mit einer Geraden, die er nach jedem Wendemanöver parallel, jeweils um die Arbeitsbreite von 27 Metern zur Seite verschiebt. Mit GPS gesteuert, findet der Traktor seinen Weg. Nur am Ende einer Bahn muss der Fahrer noch eingreifen und wenden. Da sich die Spuren nicht mehr wie bei der manuellen Steuerung überlappen, werden zirka 10 Prozent des Saatguts gespart. Außerdem ist Torsten Wartenburger so schneller fertig. Trotzdem lohnt sich die Investition nur in großen Betrieben ab etwa 500 Hektar. Die gibt es vor allem in Ostdeutschland, so Henry Kuschke, der das Autotracksystem bei der Firma Schlieper für Landmaschinen im brandenburgischen Sonnewalde vertreibt:
"Ich sage mal, hier sind die Strukturen günstiger. Das ist einfach so. Es gibt drüben auch eine Gruppe, die hinter so einem Teil her ist. Und das sind diejenigen, die immer die Höfe übernehmen von ihren Eltern. Die wollen nämlich nicht von früh um Sechs bis abends 22 Uhr auf dem Acker sitzen und dann tot ins Bett fallen. Das ist so. Ich sage immer, 50 Prozent der Kosten sind auch Entlastung für den Fahrer."
Der Wunsch nach Entlastung der Fahrer oder die Technikbegeisterung, wie Ewald Schnug meint, können zwar zur Entwicklung einer Technologie führen, aber nicht zum großen Durchbruch. Dazu muss die neue Technik profitabel sein. Die Experten meinen, dass das Autotracksystem das Potential dazu hat. Und es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Maschinen auch automatisch wenden können. Dann steht einer völligen Automatisierung, bei der die Routen am Computer geplant und programmiert werden, im Prinzip nichts mehr im Wege. Zusammen mit den Sensortechniken der Präzisionslandwirtschaft entstünde ein quasi sehender Feldroboter:
"Es ist eine enorme emotionale Komponente dabei, dass plötzlich nicht der Bauer mehr ackert, sondern der Roboter ackert. Das ist wieder so eine Entwicklung, die wahrscheinlich automatisch kommen wird, die sich einfach so hineindrückt.
Da lässt man mal ein Stündchen das Dingen allein fahren, dann fährt es 2 Stündchen alleine, dann fährt es vier Stündchen alleine, dann kann man schon eine Arbeitskraft sparen."
Damit würden viele Arbeitkräfte in der Landwirtschaft überflüssig werden, nicht sofort, aber vielleicht 20 oder 30 Jahren. Die meisten Landwirte wollen diese Entwicklung zwar überhaupt nicht und sie können sich auch nicht vorstellen, dass es so kommt. Doch vor 100 Jahren konnte sich auch niemand ausmalen, dass Traktoren eines Tages die Pferde ersetzen würden.