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Elektro-Lkw auf der Autobahn

Der Umweltrat, ein wissenschaftliches Beratungsgremium der Bundesregierung, schlug kürzlich vor, die rechte Spur der am stärksten befahrenen Autobahnen mit Oberleitungen wie für Züge auszurüsten. So sollen Lastwagen elektrifiziert werden und den Kohlendioxidausstoß des Verkehrs senken. Beim Siemens-Konzern werden E-Lastwagen bereits getestet.

Von Sven Kästner | 25.06.2012
    Göran Keil startet seinen Lastwagen und steuert eine ungewöhnliche Straße an. Sie sieht aus wie eine Autobahn, aber über einer der drei Spuren ist eine Oberleitung installiert. Auf Knopfdruck fährt der Ingenieur einen Stromabnehmer auf dem Dach des Lkw aus, dann verstummt das typische Motorengeräusch.

    "Jetzt ist der Diesel aus, und wir fahren elektrisch weiter."

    Hier, auf einem ehemaligen Militärflugplatz in Groß Dölln, 80 Kilometer nördlich von Berlin, probt der Siemens-Konzern, wie der Güterverkehr mit Lastwagen elektrifiziert werden könnte. Das Testfahrzeug hat einen Hybridantrieb und kann sowohl mit Strom als auch mit Diesel fahren – je nach Verfügbarkeit.

    "Jetzt haben wir auch elektrisch die 90 km/h drauf. Das ist die Zukunft hier."

    Vor wenigen Wochen erst hatte der Umweltrat der Bundesregierung vorgeschlagen, Autobahnen mit Oberleitungen auszustatten. Auf diese Weise wollen die Sachverständigen den Kohlendioxidausstoß des Straßengüterverkehrs senken. Und der hat es in sich: Allein 2010 waren es 43 Millionen Tonnen CO2. Das Einsparpotenzial aber hängt von der Herkunft des Stromes ab. Roland Edel, Cheftechniker der Siemens-Sparte Mobilität und Logistik:

    "Wenn man sich in Nordschweden mit reiner Wasserkraft so ein System vorstellt, dann ist die CO2-Einsparung 100 Prozent. Bis dahin, dass wir eigentlich CO2 bei entsprechend grauem Strommix nicht einsparen können, sondern dass wir dann eigentlich nur die Abhängigkeit von den Dieselpreisen, deren Schwankungen, vermeiden können."

    Grüner Strom oder Grauer Strom: Die Entwickler sehen so oder so ökologische Vorteile. Denn Elektromotoren arbeiten effizienter und leiser als Verbrennungsmotoren. Mindestens einen Haken aber hat ihre Idee: Sie kostet viel Geld. Der Sachverständigenrat veranschlagt 14 Milliarden Euro für die Elektrifizierung allein der Bundesautobahnen eins bis neun. Geld, das Umweltexperten lieber in den Ausbau des Schienennetzes stecken würden. Der Bund für Umwelt und Naturschutz hat entsprechende Modelle bereits durchgerechnet, wie dessen Verkehrsexperte Jens Hilgenberg sagt:

    "Ich denke, dass gerade die Güter, die über weite Strecken transportiert werden oder die besonders schwer sind, dass die auch sehr gut auf der Schiene transportiert werden können. Die Verdopplung des Schienengüterverkehrs oder der Kapazität des Schienengüterverkehrs würde ungefähr zehn Milliarden Euro kosten. Da ist der Lärmschutz, der uns ganz wichtig ist, aber auch schon mit drin."

    Klar ist: Die Belastungen aus dem Gütertransport werden zunehmen. Das Verkehrsaufkommen soll sich nach Schätzungen des Bundesverkehrsministeriums bis 2050 nahezu verdoppeln. Umweltexperten sehen solche Szenarien mit Sorge. Heidi Tischmann vom alternativen Verkehrsclub Deutschland will daher nicht nur die Verkehrsmittel modernisieren.

    "Es werden in Deutschland pro Einwohner pro Jahr 50 Tonnen Güter transportiert. Diese Menge ist nicht notwendig. Das ist dem geschuldet, dass Transport so billig ist. Transport auf der Straße ist vor allen Dingen zu billig. Bevor ein Joghurt im Kühlregal steht, haben seine Bestandteile bereits 8.000 Kilometer zurückgelegt. Das kann nicht sein, das muss nicht sein."

    Weltweit ist allerdings abzusehen: Die Zahl der Lastwagen wird steigen. Und davon will Siemens als einer der größten Hersteller von Elektromotoren profitieren. In einem gibt Cheftechniker Edel den Umweltschützern aber recht:

    "Für lange Strecken und für Massengüter ist für uns das Verkehrsmittel Nummer 1 die Eisenbahn."