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Elektro-LKW
Leise rollt der 40-Tonner

800 Kilometer mit 40 Tonnen und einem Akku - Tesla hat im November zwei Elektro-Lastwagen präsentiert, Daimler nun nachgezogen. Auf dem Weg zur Serienreife liegen aber noch einige Stolpersteine. Und die führen die fast geräuschlosen LKW weg von den Autobahnen und rein in die Stadt.

Von Piotr Heller |
    Ein Elektro-Lastwagen eActros von Mercedes-Benz fährt nach der Jahrespressekonferenz der Daimler-Nutzfahrzeugsparte am 21.02.2018 auf der Daimler-Teststrecke in Stuttgart.
    Der Auto- und Lastwagenbauer Daimler will seinen ersten Elektro-LKW ab 2021 in Serie fertigen. (dpa / Marijan Murat)
    "Ich kann mit Stolz sagen, dass wir die besten Lastwagen aller Zeiten haben. Seid Ihr bereit? Dann bringt sie raus!"
    Als die zwei elektrischen Sattelschlepper des Elektroautobauers Tesla bei einer Präsentation im November auf die Bühne rollten, erinnerte das eher an ein Rock-Konzert. Als Daimler dann diesen Monat seinerseits mit der Ankündigung eines Elektro-Schwerlasters für die USA nachzog, wirkte das wie ein Seitenhieb auf Teslas pompöse Show.
    "Meine Damen und Herren - der E-Cascadia. Leute, keine Musik! Man muss mal gehört haben, wie er hier einfährt."
    Selbstverständlich hörte das Publikum nichts. Der Riesige LKW rollte praktisch geräuschlos auf die Bühne. Man darf bei all diesen Präsentationen nicht vergessen, dass es sich vor allem um Ankündigungen handelt.
    Großer Bedarf an Ladestationen
    Einen serienreifen 40-Tonner mit Elektromotor gibt es noch nicht. Aber wäre so ein Elektro-LKW überhaupt sinnvoll? Diese Frage geht an Asvin Goel, von der privaten Kühne Logistics University in Hamburg.
    "Wenn das, was Tesla an Spezifikationen kundgetan hat, tatsächlich funktioniert, dann ist das eine spannende Entwicklung, weil man hier eine Reichweite und eine Ladedauer hat, die gut zu den Lenk- und Ruhezeiten der LKW-Fahrer passt".
    Tatsächlich verspricht Tesla 800 Kilometer Reichweite, der Akku soll binnen 30 Minuten auf 80 Prozent geladen werden können. Trucker könnten das bei der gesetzlich vorgeschriebenen Pause nach viereinhalb Stunden am Steuer tun.
    "Jetzt kommt aber die andere Frage: Was passiert, wenn man das hoch skaliert, wenn viele Fahrzeuge auf der Straße sind? Das heißt: Man hat auch einen großen Bedarf an Ladestationen an den Rastplätzen."
    Der Elektromotor punktet vor allem bei Kurzstrecken
    Ob und wann es die tatsächlich geben wird, ist nicht klar. Daher erforscht Asvin Goel andere Konzepte, wie etwa Oberleitungen für LKW. Und er plädiert dafür, Elektro-Laster eher in Städten zu nutzen als für die Langstrecke. So ähnlich sieht es Sebastian Stütz vom Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik in Dortmund.
    "Langstrecke ist weniger interessant, weil auf einer Langstrecke ein Verbrennungsmotor konstant gefahren werden kann und sehr effizient ist. In der Stadt fahren Sie ständig an und stoppen. Da kann ein Elektromotor, der bei jedem Bremsvorgang wieder Energie in die Batteriezellen zurück speist, deutlich punkten."
    Um zu prüfen, ob das im realen Einsatz tatsächlich so ist, messen die Fraunhofer-Forscher in zwei Projekten den Verbrauch von Diesel- und Elektro-LKW im städtischen Betrieb und vergleichen dann.
    Der psychologische Faktor
    Arnd Bernsmann, der auch an dem Institut forscht, ist dabei auch ein weiterer Aspekt aufgefallen.
    "Es ist so, dass die Disponenten, die die Touren für die LKWs planen, dass die so einen Reichweiten-Angst-Aufschlag bei den Elektro-Fahrzeugen einplanen. Die lassen die Fahrzeuge nicht zu 90 oder 100 Prozent einsetzen, weil sie Angst haben, dass die Fahrzeuge auf der Tour liegen bleiben."
    Es sind eben auch psychologische Faktoren, die den Einsatz von Elektro-LKW hemmen könnten. Dieser Meinung ist auch Rainer Klein, der an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Moosbach an Elektromobilität forscht.
    "Das Problem ist nicht die Technologie. Wenn es ein Problem gibt, dann in den Köpfen der Nutzer, der Erzeuger, der Produzenten. Und das ist der große Verdienst von Tesla, der den größten Teil unserer Experten Lügen gestraft hat."
    Geringere Kosten bei Energie und Wartung
    Rainer Klein spricht sich generell für den Einsatz von Elektro-LKW aus. Auch für die Langstrecke. Das häufige Gegenargument - nämlich den schweren Akku, der bei Teslas E-Truck schätzungsweise sechs bis zehn Tonnen wiegen dürfte - lässt er nicht gelten.
    "Sie sparen den konventionellen Antrieb ein. Das ist nicht unerheblich. Der Elektro-LKW wird mehr wiegen, er hat weniger Nutzlast, das muss man einrechnen. Aber nicht umsonst haben Vorbesteller den Tesla-LKW schon bestellt - und zwar aus Kostengründen."
    Die laufenden Kosten dürften laut Rainer Klein nämlich sowohl bei der Energie wie auch bei der Wartung geringer zu sein. Doch hier gehen die Meinungen auseinander.
    "Wenn wir davon ausgehen, dass wir 1,5 bis zwei Kilowatt pro Kilometer brauchen, dann fahren wir da mit 10 Tonnen bei einer Nutzlast von 40 Tonnen. Da hört bei mir die Sinnhaftigkeit auf", sagt Eric Sax vom Karlsruher Institut für Technologie.
    Für die Langstrecke kann er sich Wasserstoff-LKW vorstellen. Reine Elektro-LKW mit Batterieantrieb wären eher etwas für die Kurzstrecke - deren Akku ist kleiner und fällt nicht so ins Gewicht.
    E-Trucks vor allem für Nischen
    Als ehemaliger Daimler-Ingenieur begrüßt Eric Sax daher auch, dass der Daimler-LKW nur eine Reichweite von 400 Kilometern hat. Ob und wann die Markteinführung im großen Stil erfolgt, ist derzeit aber noch kaum absehbar.
    "Ich bin überzeugt, dass die Innovation aus der Nische kommt. Wir haben UPS, die elektrisch fahren, also der Paket und Kurierdienst. Wir werden die kommunalen Fahrzeuge sehen, die Abends immer wieder ins Depot landen, wo sie ihren Tagesumlauf dann elektrisch packen."
    Die ersten kommerziellen E-Trucks werden auch deshalb vor allem in solchen Nischen Fuß fassen, weil es dort einfacher ist, die neuartigen Fahrzeuge zu warten. Denn auch das bedeutet bei der heute noch auf Diesel eingestellten Service-Infrastruktur einen radikalen Umbruch.