Knattern, knistern, knarzen, fiepen und pfeifen: Der Apparatur, die im Foyer der Elbphilharmonie aufgebaut ist, lassen sich die verschiedensten Klänge entlocken. Es ist eine sich langsam drehende Synthesizer-Skulptur. Rundherum stehen Festivalbesucher, stöpseln Kabel um und spielen an Reglern. So wie Thomas Peekmann. Der Hamburger hat auch zu Hause einen analogen Synthesizer.
"Das ist ganz anders, als normale Musik gemacht wird. Da geht es um Klang. Da geht es um Experimente. Da geht es um was, das man noch nie gehört hat. Das man auch in der Natur nicht hörbar machen kann. Das kann nur mit elektronischen Mitteln. Und das ist eine wahnsinnige Breite, wahnsinnige Tiefe. Und das ist eine wahnsinnig spannende Reise, wo man nie genau weiß, wo man hinkommt oder wo man hingeht!
Anfassen, rumtüfteln, selbermachen
Die alten Synthesizer haben ein fast störrisches Eigenleben. Sie werden ohne Tastatur gespielt, man steuert sie mittels unzähliger Drehknöpfe. Und immer bleibt ein unkontrollierbarer Rest.
"Selbst wenn man ein System kennt, kann man das nicht so genau einschätzen oder bedienen, dass man tatsächlich sehr vorhersehbar irgendwas produziert. Sondern da kommt halt irgendwas raus, das gefällt einem oder gefällt einem überhaupt nicht. Das ist halt das Spannende daran, aus meiner Sicht. Deshalb mache ich das wahnsinnig gerne."
Anfassen, rumtüfteln, selbermachen: Beim Elektronauten-Festival in Hamburg sollen die Besucher ins Innerste des geheimnisvollen Instruments vordringen, erklärt Benjamin Holzapfel. Er leitet die Workshops der Elbphilharmonie.
"Die Idee ist, unseren Besuchern hier beim Festival einen Einblick zu bieten, wie das überhaupt funktioniert: Was macht ein Synthesizer? Was ist ein Synthesizer? Und sich das nicht nur erklären zu lassen, sondern es auch selbst auszuprobieren. Selber mal an einem Synthesizer zu schrauben, selber die Verbindungen zu stecken, um auch mehr vom Konzert zu haben, wenn die am Workshop teilgenommen haben."
Der Dialog mit dem Instrument
Ein bisschen paradox wirkt es schon: Die elektronische Musik, die als maschinell gilt, als programmiert und vielleicht sogar unpersönlich, hat an ihrem Anfang ein Instrument, mit dem man in Dialog treten muss, um ihm Töne zu entlocken.
"Das ist wie ein ganz normales Instrument, das man lernt und beherrschen muss, um darauf richtig spielen zu können. Das ist anders als viele Musik-Software, die zum Ziel hat, möglichst benutzerfreundlich zu sein, dass man ganz schnell zu Ergebnissen kommt. Das ist bei vielen Modular-Synthesizern anders. Damit muss man sich schon wirklich auseinandersetzen, um damit Musik machen zu können."
Mit dem Aufkommen von Techno erwachte das Interesse an den alten Synthies aus der Zeit vor den Keyboards wieder. Kleine Manufakturen begannen dann in den 2000er Jahren, die alten Schaltungen in kompakter Form neu zusammenzulöten. Seit etwa zehn Jahren machen sie gute Geschäfte.
"Es gibt natürlich eine große Szene, gerade im Bereich modulare Synthesizer. Das hat sich sehr rasant entwickelt in den letzten Jahren. Es interessieren sich da einfach immer mehr Leute dafür, und das ist auch ein sehr spannendes Thema."
Das Festival wurde eröffnet mit einem Konzert des Altmeisters Manuel Göttsching. Sein Album "E2-E4" begründete 1981 das Comeback des Synthesizers, erklärt Tom R. Schulz von der Elbphilharmonie.
"The Göttfather" - einer der Wegbereiter des Techno
"Das Ganze ging aus von Manuel Göttschings "E2-E4". Dann haben wir gesagt: Mensch, da gibt es ja doch noch eine Szene von Leuten, die auch von früher sozusagen die Pioniere sind. Die die Pioniere einer elektronischen Musik sind, die dann eben sich in viele Bereiche verästelt hat. Manuel Göttsching wird in England "The Göttfather" genannt, weil sie ihn für den Mitwegbereiter des Techno halten!"
Den Organisatoren der Elbphilharmonie ist es gelungen, einige der ganz großen Namen auf der Bühne zu versammeln: Martyn Ware von The Human League, Adrian Utley von Portishead und Will Gregory von Goldfrapp zum Beispiel. Und so sind die Fans teilweise sehr weit angereist. So wie Olivia Hegarty aus London.
"Es ist cool, von ganz nah zu sehen, wie die Maschinen benutzt werden. Mir gefällt die Nähe der Synthesizer in Action."
Nur eins stört sie: Die Bühnen des Festivals waren von Männern dominiert. Es trat nur eine einzige Frau auf: die chinesische Musikperformerin Pan Daijing.
"Auf der Bühne sind viele weiße Männer. Aber immerhin ist das Publikum ein bisschen diverser als das nebenan beim klassischen Konzert im Großen Saal."