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Elektrotechnik
Einfachere Normierung dank digitalem Zwilling

Steckdosen, Ladekabel, Telefone: Für alle Geräte gibt es von Experten festgesetzte elektrotechnische Normen. In Zukunft sollen solche Normierungen einfacher ablaufen - etwa mittels digitaler Prozesse. So der Konsens während der Generalversammlung der Internationalen Elektrotechnischen Kommission in Frankfurt diese Woche.

Von Piotr Heller |
    Zwei Stromstecker sind in einem Zweifachstecker befestigt.
    Ohne normierte Steckdosen wäre die Handhabung unterschiedlicher Elektro-Geräte kaum möglich (picture alliance / dpa / Paul Zinken)
    "Es ist unser Job, nicht frustriert zu sein."
    So reagiert Bernhard Thies, wenn man ihn auf seine Arbeit anspricht. Dabei hätte der Mann vom "Verband der Elektrotechnik", VDE, durchaus Gründe, frustriert zu sein. Er arbeitet auf deutscher und europäischer Ebene an der Normung elektrotechnischer Geräte. Das heißt: Wenn er seinen Job gut macht, merkt es keiner:
    "Wenn Sie morgens aufwachen und ihr Wecker weckt Sie auf, dann funktioniert er nur mit Standards und Normen. Wenn Sie nach China telefonieren oder anderswo in die Welt, dann geht das nur mit Normen und Standards. Die Norm steckt überall, ohne dass wir das so richtig sehen."
    Autohersteller brauchen zum Beispiel eine Norm für die Ladestecker ihrer Elektroautos. Diese spezielle heißt übrigens "IEC 62196". IEC, das ist die Internationale Elektrotechnische Kommission, die sich die letzten anderthalb Wochen über in Frankfurt getroffen hat. Ein Gremium hat sich hier etwa Gedanken gemacht, wie man bei der Messung des Energieverbrauchs von Haushaltsgeräten Betrug erschwert.
    "Wir machen die Normung wie vor 100 Jahren"
    Ein anderes hat sich zur Datensicherheit bei vernetzten medizinischen Geräten ausgetauscht. Neben diesen aktuellen Themen ging es auch um zukünftige Herausforderungen, etwa um Roboter, die Hand-in-Hand mit Menschen zusammenarbeiten sollen, berichtet Bernhard Thies:
    "Jetzt ist der Roboter ja immer schön versteckt hinter einem Zaun und sobald man näher kommt, schaltet der ab. Auch diese Roboter, die zuhause dem Menschen helfen können. Das sind ja selbstlernende Systeme zukünftig. Wir suchen nach Methoden, damit der Roboter nicht etwas Falsches lernt."
    Die Normierung ist ein Spiegelbild unserer Technologie. Aber man kann noch weiter gehen und sagen, dass sie ganz allgemein die Zeiten wiederspiegelt, in denen wir leben. Und so muss sie nicht nur aktuelle Themen ins Auge fassen, sondern sich selbst verändern. Auch darum ging es in Frankfurt:
    "Wir machen die Normung wie vor 100 Jahren. Wir haben nur das Papier ersetzt durch PDF und Word."
    Ein Beispiel: Wenn man heute etwa einen Schaltschrank entwirft, baut man ein Exemplar, prüft, ob es allen Normen entspricht, und produziert es dann in Serie. Das wird sich in Zukunft ändern, erklärt Karsten Hunger vom VDE:
    "Zukünftig im Rahmen der Industrie 4.0 wird die Sache so, dass wir Los-Größe eins oder zwei haben. Das heißt, ein Schaltschrank wird nur einmal produziert. Und wenn Sie sich vorstellen, dass man diesen ganzen Prüfprozess und die Nachbesserungen an jedem einzelnen Schaltschrank immer wieder neu machen müsste, wäre das viel zu teuer."
    Wesentliche Prozesse sollen zukünftig digitalisiert ablaufen
    Daher hat sich der VDE den so genannten digitalen Zwilling überlegt. Für jedes Produkt soll es in Zukunft eine digitale Version geben. Die wird dann auf Einhaltung der entsprechenden Normen getestet, bevor irgendwas gebaut wird, erklärt Hunger:
    "Wir können den digitalen Zwilling als Datei auswählen. Im nächsten Schritt noch Projektdaten auslesen. Und dann sehen Sie hier die verschiedenen Prüfungen, die wir durchgehen. Zugänglichkeit, dann haben wir Wasserbeständigkeit. Und hier sehen Sie, wie die Datei geprüft wird auf diese vier Anforderungen. Die ersten drei werden erfüllt, das funktioniert. Die letzte Prüfung, die Erwärmung. Da erscheint ein rotes Kreuz, wir haben nicht bestanden."
    Bisher dauert ein solcher Prüf-Prozess viel länger. Noch ist der digitale Zwilling nur ein Konzept. Die Normen müssten dafür in maschinenlesbarer Form vorliegen, die sich die Hersteller aus einer Cloud herunterladen. Und überhaupt, so eine Idee des VDE, könnte man die Prozesse hinter der Normierung, die Arbeiten der Gremien etwa, zu einem großen Teil in der Cloud und in der virtuellen Realität stattfinden lassen. Konzepte dieser Art werden in Frankfurt auch vorgestellt. Ausgerechnet hier, auf dem größten Treffen für Normierungs-Experten, entstehen Technologien, die solche Treffen in Zukunft zum Teil überflüssig machen könnten.