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Elfenbeinküste
Geld macht gefügig

Auch die Elfenbeinküste wird immer häufiger zum Ziel terroristischer Anschläge. Bisher kamen die Attentäter aus dem Ausland, doch islamistische Gruppierungen werben gezielt arbeitslose einheimische Jugendliche an – mit rund 300 Euro monatlich.

Von Katrin Gänsler |
    Man sieht Menschen an einem Strand, es liegen Kleidungsstücke im Sand.
    Nach dem Angriff von Islamisten stehen Menschen am Strand von Grand-Bassam. (AFP / Issouf Sanogo)
    Der Rhythmus ist einfach und markant zugleich und die Textzeile sehr einprägsam. "Keine Terroristen", singt die ivorische Musikgruppe Akanzou Group am Strand von Grand Bassam. Der kilometerlange weiße Sandstrand mit den hohen Palmen hat traurige Berühmtheit erlangt, als dort am 13. März bei einem Anschlag der islamistischen Terrorgruppe Al Qaida im Islamischen Maghreb 22 Menschen ums Leben kam. Auch Sänger Lavisse Abou Decky denkt mit Schrecken an jenen Sonntag zurück:
    "Es war unglaublich tragisch. Ich kann nur sagen: Ich danke Gott, dass ich noch am Leben bin. An jenem Tag habe ich gegen 11.45 Uhr mit ein paar Freunden Attiéké – einen Maniokbrei – gegessen. Hinter dem Restaurant hatten sich die Terroristen versteckt. Stellen Sie sich mal vor, sie wären davor gewesen. Die ganzen Gäste wären dort gewesen, die ganzen Attiéké-Verkäufer."
    Riskante Entwicklung
    Seit dem Blutbad ist der Strand leer, und niemand will mehr den sonst so beliebten Badeort in der Nähe der Wirtschaftsmetropole Abidjan besuchen. Das Attentat hinterlässt jedoch noch mehr: eine große Ratslosigkeit. Die Elfenbeinküste, wo rund 23 Millionen Menschen leben, musste zwar in den vergangenen Jahrzehnten zahlreiche schwere Krisen überstehen – jedoch nie religiös motivierten Terrorismus. Sänger Lavisse Abou Decky:
    "Ja, das war eine große Überraschung für Grand Bassam. Seit es die Elfenbeinküste gibt, hat es noch nie einen Anschlag gegeben. Der Strand von Grand Bassam steht jedem offen. Er ist für jeden da, der eine gute Zeit haben will. Und die Menschen kommen und genießen es. Solch eine Barbarei hat niemand erwartet."
    Dabei hatte es bereits in den Nachbarländern Mali und Burkina Faso sehr ähnliche Attentate mit Dutzenden Toten gegeben. In der Elfenbeinküste gibt es nun eine neue Diskussion. Es wird ständig betont, dass Ausländer die Anschläge verübt haben. Viele Menschen wollen sich so vom Terrorismus distanzieren. Tatsächlich kamen die mutmaßlichen Täter aus Mali. Arsène Brice Bado hält das für eine riskante Entwicklung. Er ist Jesuit und Politikwissenschaftler am Zentrum für Forschung und Aktion für den Frieden in Abidjan.
    "Es stimmt, die Frage nach Ausländern bringt in der Elfenbeinküste große Probleme. Leider wird sie durch das Attentat noch verschärft. Tatsächlich hat die Elfenbeinküste einen großen Migrantenanteil. Mit dem Anschlag heißt es nun: Es sind wieder die Ausländer, die uns Probleme bereiten."
    Bado fordert deshalb detaillierte Analysen. Seiner Ansicht nach sind radikalreligiöse Gruppierungen attraktiv für junge Menschen, ganz gleich, ob sie aus der Elfenbeinküste, dem Senegal oder Niger stammen. Sein erstes Fazit lautet:
    "Der klassische Bildungskanon funktioniert nicht mehr. Das hinterlässt eine Leere. Früher gab es ein traditionelles Sozialsystem, das funktioniert hat. Aber das existiert nicht mehr, weil wir in der Moderne angekommen sind."
    Vom Telefonladen zum Terrorismus
    Doch auch das moderne System funktioniert für den Politikwissenschaftler häufig nicht. Vielen Familien fehlt das Geld für den Schulbesuch. Aber auch ein guter Abschluss garantiert in Anbetracht der hohen Arbeitslosenzahlen anschließend noch längst keinen guten Job. Für Mamadou Fofana, der das Netzwerk zur Sicherung und Erhaltung des Friedens – kurz WANEP – leitet, ist das eine explosive Mischung.
    Es stammt offenbar aus dem Niger, könnte sich aber schnell in der ganzen Region verbreiten. Junge Arbeitslose erhalten von islamistischen Grupperungen eine Art Startkapital, um sich eine Selbstständigkeit aufzubauen. So werden sie indirekt für den Terror rekrutiert:
    "Wir beobachten ein System, das uns viele Sorgen bereitet. Arbeitslose Jugendliche erhalten Besuch von jemandem, der viel Geld hat. Er bietet an, dass sie sich damit einen kleinen Telefonladen aufbauen können, zum Schluss heißt es: Wir geben Euch 200.000 CFA monatlich: Eines Tages werden wir euch brauchen."
    Populär ist das System im Niger. Fofana befürchtet, dass es sich schnell in der ganzen Region ausbreiten wird. Damit binden radikale Gruppieren Jugendliche und junge Erwachsene an sich und schaffen eine Art stille Reserve. Im Alltag muss sich niemand um sie kümmern. Im Ernstfall wissen die Milizen jedoch, sie verfügen über einen großen Pool an Gefolgsleuten, auf den sie sofort zurückgreifen können. Wer monatlich umgerechnet 300 Euro empfängt, ist loyal. Solche Tendenzen beobachtet Mamadou Fofana im Moment jedoch nur in muslimischen Kreisen.
    "Es ist einfacher, junge Menschen aus dem muslimischen als aus dem christlichen Milieu zu rekrutieren. Schaue ich mir unsere Region an, muss ich sagen: Christen sind besser organisiert und gebildet. Sie studieren sehr viel mehr. Bei uns aber lernen sie nichts. Es heißt nur: Ich bin Muslim, weil auch meine Familie muslimisch ist."
    "Sagt nein"
    Trotzdem ist die Religion ein wichtiger Identitätsfaktor. Könnten deshalb gemäßigte Imame Einfluss nehmen? Gerade in der Elfenbeinküste wird schließlich gern betont, anders als in den Nachbarländern habe man mit radikalen Tendenzen nichts zu tun. Jesuit Arsène Brice Bado schüttelt jedoch mit dem Kopf.
    Weder die Priester in den Kirchen noch die Imame in den Moscheen haben heute viel Einfluss auf die Jugendlichen. Das sind die Medien, das Fernsehen. In einem Land wie der Elfenbeinküste schauen sich junge Menschen nicht einmal mehr nationale Fernsehsender an. Die internationalen Sender sind viel beliebter.
    Verteufeln will er moderne Medien jedoch nicht, im Gegenteil. Ganz ähnlich geht es Sänger Lavisse Abou Decky. Gerade das Internet bietet ihm schließlich eine gute Möglichkeit, seine Botschaft weltweit zu verbreiten. Nach Grand Bassam sei das wichtiger denn je zuvor:
    "Die Elfenbeinküste sagt nein zum Terrorismus, Frankreich sagt nein, Burkina Faso sagt nein, Mali sagt nein."