Man nehme: Ein Fotomodell, eine Krankheitsgeschichte und einen reichen Papa – das kann auch nicht schaden:
Fertig ist das perfekte Rezept für die angesagteste Köchin Großbritanniens. Sie heißt: Ella Woodward, ist 23 Jahre, Model und Tochter eines ehemaligen Labour-Ministers. 2,5 Millionen Menschen besuchen monatlich ihr Blog "Deliciously Ella". 500.000 Fans folgen ihr auf Instagram.
Für den "Daily Telegraph" schreibt sie eine Kochkolumne. Ihr erstes Kochbuch, das jetzt in Deutschland erschienen ist, hatte zuvor in Großbritannien die Spitze der Buchcharts gestürmt. Erstaunlich eigentlich, wenn man bedenkt, dass all ihre Rezepte ohne Fleisch, ohne Milchprodukte, ohne Industriezucker auskommen. (*)
Willkommen in der Feel-good-Welt
Nicht mehr. Willkommen in der Welt der Feel-good-Köchinnen: junge Frauen wie die Hemsley Sisters, Anne Jones oder Calgary Avansino. Sie schreiben Food-Blogs, haben kürzlich Kochbücher herausgebracht und sehen strahlendschön aus. Sie wollen zeigen, wie man mithilfe guter Ernährung sich gut fühlen und gut aussehen kann, wie sie. Eine Ausbildung als Köchin oder Ernährungsberaterin haben sie nicht vorzuweisen.
Wobei: Wenn jemand die Vorzüge gesunder Ernährung glaubwürdig propagieren kann, dann Ella Woodward. Mit 19 Jahren diagnostizierte man bei ihr die seltene Nervenkrankheit POTS – Herzrasen, Übelkeit, Schwindel.
"Ich war vier Monate im Krankenhaus und danach lag ich sechs Monate zu Hause im Bett", erinnert sich Woodward – in Leggings, Yoga-Top und mit pink lackierten Fingernägeln auf ihrem sandfarbenen Sofa in ihrem Zuhause in London.
"Ich musste alle möglichen Medikamente nehmen. Irgendwann konnte ich es nicht mehr ertragen und habe begonnen, mich mit Leuten zu befassen, die ihre Krankheiten mithilfe von gesundem Essen überwunden hatten."
Zum Beispiel mit der US-amerikanischen Bestsellerautorin Kris Carr, die ihren Krebs angeblich überwunden hat, indem sie auf vegane Kost umstieg. Carrs Buch "Crazy, Sexy, Diet" steht in Woodwards Regal.
"Und ich dachte, was die können, kann ich auch."
Dafür musste Ella Woodward erst einmal kochen lernen.
Bloggen wollte sie über ihre Kocherfahrungen auch. Obwohl sie nicht gut schreiben kann, wie sie sagt. Sie gehörte zu den Langsamsten in ihrer Klasse auf einem Internat für die Gutbetuchten.
"Ich konnte nicht kochen, ich mochte nicht einmal gesundes Essen. Ich hatte wirklich null Ahnung. Und deshalb habe ich begonnen, den Blog zu schreiben, damit ich einen Grund hatte, um das mit dem Kochen wirklich durchzuziehen. Und dann hatte ich nach sechs Monaten auf einmal mehrere hunderttausend Besucher."
Ein Stil, der ankommt
Ihre Herangehensweise: chaotisch, experimentell.
Ihre Rezepte: einfach. In ihre Töpfe kommen nicht mehr als eine Handvoll Zutaten. Sehr oft sind Bohnen dabei.
Ihr Schreibstil: So, wie sie spricht. Überenthusiastisch. Alles ist "awesome" - "großartig". Alle Nahrungsmittel "liebt" sie.
Das kommt an. Verständlich, irgendwie: Werden selbst die enthusiastischsten Hobby-Köche mit den schier endlosen und exotischen Zutatenlisten von Koch-Göttern wie dem international viel beachteten Israeli Yotam Ottolenghi an ihre Geduldsgrenze gebracht.
Woodwards Kochkurse in London sind ausgebucht. Sie war Gast der zuschauerträchtigen US-Show "Good Morning America". Ihr Kochbuch ist in mehreren Sprachen erschienen.
Und doch hört sie auch Kritik: Etwa, dass sie statt normaler Butter als Ersatz Cashew-Butter verwendet – das sei doch etwas für verwöhnte Mittelklasse-Twentysomethings!
Essen gehört dazu
Immerhin, eine gewisse Hartnäckigkeit muss man ihr anrechnen. Zwei Jahre hat es gedauert, bis sich ihre Gesundheit merklich besserte. Erst seit kurzer Zeit nimmt sie gar keine Medikamente mehr.
In Woodwards Küche kocht eine ihrer Assistentinnen die neuesten Rezepte nach. Am Esstisch sitzen drei weitere Frauen über Laptops gebeugt. Zwischendurch trotten sie in die Küche, um die Gerichte zu testen.
Mittendrin steht Ella Woodward – immer ein Lächeln auf den Lippen – sie ist es offenbar gewohnt, Helfer in der Küche zu haben.
Woodward läuft von Topf zu Topf und tunkt ihren Esslöffel hinein. Das Rezept für eine erfolgreiche Kochkarriere braucht auch diese Zutat: einen guten Appetit.
(*) Anders als ursprünglich in unserem Bericht beschrieben, bezeichnet sich Ella Woodward selbst nicht als Veganerin. Wir haben unseren Text entsprechend korrigiert.