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Ellwangen
Mayer: Gastrecht wurde sträflich missbraucht

Nach den Ereignissen von Ellwangen, bei denen Flüchtlinge gewaltsam eine Abschiebung verhinderten, forderte der CSU-Politiker Stephan Mayer konsequentere und effektivere Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern. Er betonte, dass dadurch aber keiner "am individuellen Grundrecht auf Aysl rütteln" wolle.

Stephan Mayer im Gespräch mit Christoph Heinemann |
    In der Landeserstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in Ellwangen werden zwei gefesselte Männer von einem maskierten Polizisten abgeführt.
    "In Ellwangen ist vor allem schiefgelaufen, dass sich mehrere Asylbewerber zusammengerottet haben", so der Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesinnenministerium Stephan Mayer (dpa-Bildfunk / Stefan Puchner)
    Christoph Heinemann: Zugetragen hat es sich in einer Landes-Erstaufnahmeeinrichtung im Ostalbkreis, genauer in Ellwangen. Dort hatten etwa 150 Migranten in der Nacht zum Montag Polizisten angegriffen, die die Abschiebung eines 23 Jahre alten Mannes aus Togo durchsetzen wollten. Die Beamten mussten den Einsatz abbrechen und den Mann wieder freilassen. Gestern rückte die Polizei abermals an und nahm den Mann in Gewahrsam. Die "Bild"-Zeitung fasste den Einsatz mit der Schlagzeile zusammen, Asylbewerber hätten die Polizei davongejagt. In den sozialen Medien sind nachdenkliche Bemerkungen zu lesen und die übliche Maßlosigkeit.
    Am Telefon ist Stephan Mayer (CSU), Wahlkreis Altötting/Mühldorf am Inn, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium des Inneren für Bau und Heimat. Guten Morgen.
    Stephan Mayer: Guten Morgen! Grüß Gott.
    "Derartige Umtriebe nicht aktzeptieren"
    Heinemann: Herr Mayer, was ist in Ellwangen schiefgelaufen?
    Mayer: In Ellwangen ist vor allem schiefgelaufen, dass sich mehrere Asylbewerber zusammengerottet haben, gedacht haben, sie könnten sich hier einen rechtsfreien Raum schaffen. Sie haben sich mehrerer Straftaten schuldig gemacht, des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte. Sie haben sich des Verdachts der Gefangenenbefreiung schuldig gemacht, des Landfriedensbruchs. Und das sind Dinge, die sind nicht tolerabel, die sind nicht hinnehmbar. Das ist, wie der Bundesinnenminister es richtig formuliert hat, ein Schlag ins Gesicht von rechtschaffenden Deutschen, und vor dem Hintergrund darf sich so was wie in Ellwangen nicht wiederholen.
    Mein Respekt und meine Anerkennung gilt wirklich den Polizeibeamten. Ich habe auch überhaupt kein Verständnis dafür, dass jetzt im politischen Raum Kritik an dem Polizeieinsatz geübt wird. Ich würde mir wünschen, dass deutlicher gemacht wird, dass wir derartige Umtriebe von Asylbewerbern oder ausweisepflichtigen Personen nicht akzeptieren und tolerieren dürfen.
    Heinemann: Welchen Anteil hat die Politik an dieser Lage?
    Mayer: Na ja. Die Frage ist, welche Politik meinen Sie. Die Politik hätte natürlich früher, ich sage auch ganz offen im Jahr 2015 reagieren müssen und es nicht zulassen dürfen, dass wir allein in den letzten drei Jahren 1,5 Millionen Asylbewerber in Deutschland aufgenommen haben.
    Heinemann: Das sehen Sie so?
    Mayer: Das war mit Sicherheit im Nachhinein so nicht richtig, um dies auch klar zu sagen. Nur wenn Sie fragen, welchen Anteil hat die Politik jetzt, dann muss man sagen, wir sind jetzt natürlich aufgefordert, dass wir derartige Dinge wie in Ellwangen nicht weiter passieren lassen. Sprich: Wir müssen konsequenter und effektiver die Personen außer Landes bringen, die ausweisepflichtig sind. Und vor allem, wenn jemand sich wirklich offenkundig gegen unsere Rechtsordnung stellt und meint, er könne dem Rechtstaat, er könne Deutschland auf der Nase herumtanzen, dann ist dies natürlich in keiner Weise akzeptabel. Diese Personen müssen zu aller vorderst auch zurückgeführt werden.
    "Es sind Fehler gemacht worden"
    Heinemann: Darf ich das so zusammenfassen, was Sie gerade gesagt haben? Ellwangen ist ein Beispiel für den gescheiterten Teil der CDU/CSU-Flüchtlingspolitik?
    Mayer: Nein, so kann man das beileibe nicht zusammenfassen.
    Heinemann: So ähnlich haben Sie es nur eben ausgedrückt.
    Mayer: Nein, ich habe gesagt, es sind Fehler gemacht worden. Diese Fehler sind aber nicht alleine in Deutschland gemacht worden, weil Deutschland nicht alleine verantwortlich ist für diese epochale Migrationskrise, die uns im Jahr 2015 ereilt hat. Es sind insgesamt Fehler gemacht worden. Nur ich glaube, das sind auch nicht die entscheidenden Fragen, die jetzt gestellt werden müssen, weil sie uns zum jetzigen Zeitpunkt auch nicht weiterbringen. Die entscheidenden Fragen sind die: Was muss jetzt gemacht werden, damit sich so was wie in Ellwangen nicht wiederholt.
    Ankereinrichtungen "nicht überdimensioniert"
    Heinemann: Was muss denn gemacht werden?
    Mayer: Ich bin der festen Überzeugung, wir müssen hier wesentlich konsequenter und effektiver die Personen außer Landes bringen, die ausweisepflichtig sind.
    Heinemann: Das hören wir seit 2015.
    Mayer: Na ja, das mag sein. Aber das wird jetzt insbesondere auch seit der neuen Bundesregierung und seit unser neuer Bundesinnenminister Horst Seehofer im Amt ist, denke ich, in Berlin anders tonaliert, und es wird auch anders vorangetrieben. Die Einrichtung der Ankerzentren, der Ankereinrichtungen ist aus meiner Sicht gerade die richtige Antwort darauf, dass wir hier konsequenter die Personen außer Landes bringen, die kein Bleiberecht haben. Ich habe auch kein Verständnis dafür, wenn jetzt aus dem Bereich der Opposition Kritik an der Einrichtung der Ankerzentren geübt wird. Die Dimension der Einrichtung in Ellwangen jetzt auch als Beleg oder als Rechtfertigung ein Stück weit zu nehmen dafür, dass sich so etwas ereignet, halte ich auch für vollkommen verfehlt. Die Einrichtung in Ellwangen umfasst 500 Personen. Das ist aus meiner Sicht in keiner Weise überdimensioniert. Und auch, um dies klar zu sagen: Die Ankereinrichtungen sollen mit 1.000 bis maximal 1.500 Personen nicht überdimensioniert sein. Ganz im Gegenteil!
    "Abschiebezahlen sind zu niedrig"
    Heinemann: Die Kritik kommt ja nicht nur aus der Opposition. Die Polizeigewerkschaft sagt, wir wollen keine Lagerpolizei werden. Sie sagt, die Bundespolizei ist jetzt schon überlastet. Trübt im Innenministerium die Angst vor der Landtagswahl in Bayern den Blick für das Machbare?
    Mayer: Das hat mit Verlaub mit der Landtagswahl in Bayern überhaupt nichts zu tun, sondern das hat einzig und allein damit was zu tun ...
    Heinemann: Sind Sie sicher?
    Mayer: Ja, da bin ich mir sehr sicher. Das hat einzig und allein damit was zu tun, dass wir jetzt die richtigen politischen Antworten geben müssen, dass wir in der Sache jetzt richtig entscheiden müssen. Und es wird doch keiner unabhängig davon, ob jetzt Landtagswahlen in diesem Jahr noch sind, und vor allem, wo sie sind, es wird doch keiner behaupten können, dass dies derzeit alles exzellent und hervorragend läuft. Die Abschiebezahlen sind zu niedrig, die sind in allen Bundesländern zu niedrig. Wir bekommen 230.000 ausweisepflichtige Personen nur deutlich unzureichend außer Landes. Dies hat doch mit Verlaub mit der Landtagswahl in Bayern nichts zu tun. Wenn man jetzt seitens des Bundesinnenministeriums darauf reagiert und klarmacht, wir müssen wesentlich konsequenter, schneller die Verfahren durchführen, die Personen, die kein Bleiberecht haben, gar nicht mehr auf die Landkreise, auf die kreisfreien Städte verteilen, sondern sie von den Ankereinrichtungen unmittelbar wieder ins Heimatland zurückführen, dann sind dies doch in der Sache jetzt richtige Antworten und Entscheidungen. Und das hat mit Verlaub mit der Landtagswahl in Bayern 0,0 zu tun. Ganz im Gegenteil!
    "Ankereinrichtungen werden keine Gefängnisse"
    Heinemann: Sollte der Bundesinnenminister nicht vielleicht erst mal mit der Bundespolizei sprechen, bevor er sie in die Ankerzentren abkommandiert?
    Mayer: Erstens wird die Bundespolizei nicht abkommandiert in die Ankerzentren. Zweitens spricht der Bundesinnenminister sehr intensiv mit der Bundespolizei. Die Gewerkschaft der Polizei, um dies auch klar zu sagen, bei allem Respekt vor der Gewerkschaft der Polizei, ist nicht die Bundespolizei insgesamt, und mit der Bundespolizei, aber auch mit der Gewerkschaft der Polizei wird seitens des Bundesinnenministeriums sehr intensiv gesprochen und die Gewerkschaft der Polizei weiß ganz genau, dass sie nicht Lagerpolizei wird. Wir wollen, um dies auch noch mal ausdrücklich zu sagen, diese Ankereinrichtungen nicht als Inhaftierungsanstalten definieren und konfigurieren. Ganz im Gegenteil! Dies werden keine Gefängnisse, sondern wir brauchen natürlich, um dies klar zu sagen, eine Residenzpflicht in diesen Ankereinrichtungen. Wir wollen ja die Verfahren schnell durchführen. Deshalb müssen auch die Asylbewerber jederzeit handhabbar sein und auch zu bekommen sein, wenn es darum geht, mit ihnen Anhörungen, Interviews durchzuführen, mit ihnen Gespräche durchzuführen, in denen es darum geht, wie es mit ihnen weitergehen soll. Wir brauchen natürlich eine Residenzpflicht in den Ankereinrichtungen.
    Aber, um dies noch mal klar zu sagen: Diese Ankereinrichtungen werden keine Gefängnisse. Sie werden keine Inhaftierungslager, wie es teilweise jetzt diffamierend gemeint wird. Und sie werden auch keine Abschiebezentren. Ganz im Gegenteil! Wir wollen auch die Verfahren derer, die eine Bleibeperspektive haben, schnell durchführen, um sie dann dezentral verteilen zu können und auch schnell mit den ersten Integrationsmaßnahmen beginnen zu können. Wir wollen aber vor allem natürlich auch die Verfahren derer schneller durchführen, die keine Perspektive haben, in Deutschland zu bleiben. Das hat mit Inhaftierung überhaupt nichts zu tun.
    Heinemann: Herr Mayer, kann man spannungsfrei viele junge Männer in engen Unterkünften unterbringen?
    Mayer: Ja, das kann man, weil es das anderswo auch gibt. Aber, um auch noch mal klar zu sagen: Ich wehre mich dagegen, dass jetzt dem Staat, dass jetzt der aufnehmenden Gesellschaft, sprich Deutschland die Schuld zugeschoben wird, dass sich Derartiges wie in Ellwangen jetzt ereignet hat. Da haben mehrere Asylbewerber, mehrere Migranten ihr Gastrecht sträflich missbraucht, meinten, sie könnten hier mit dem Staat, mit der Polizei Schlitten fahren. Ich lasse hier nicht zu, dass so versucht wird, den Eindruck zu vermitteln, na ja, da wäre der Staat, da wäre Deutschland selber "schuld". So ist das jetzt nicht formuliert worden, aber wenn man es mal überspitzt formuliert, dann steckt ja ein bisschen subtil dieser Vorwurf hinter diesen Behauptungen, und das trifft aus meiner Sicht beileibe nicht zu. Wir brauchen hier eine konsequente Antwort des Staates auf diese Umtriebe. Da ist aus meiner Sicht das Gastrecht sträflich missbraucht worden von mehreren ausweisepflichtigen Personen, und jetzt ist die richtige Antwort entsprechend gefordert.
    Personen ohne Bleiberecht "nicht mehr dezentral verteilen"
    Heinemann: Durchführungen von Abschiebungen werden auf der rechtlichen Seite durch zweierlei erschwert: Dadurch, dass Menschen ohne Papiere einreisen können, und durch den einklagbaren subjektiven Rechtsanspruch. Kann man in Zeiten so zahlreicher Migration beides aufrecht erhalten?
    Mayer: Man kann beides aufrecht erhalten. Man kann einerseits aus meiner Sicht sehr wohl konsequent die illegale Migration nach Deutschland steuern und vor allem auch reduzieren und trotzdem dem Gedanken der Humanität auch Rechnung tragen. Keiner will am individuellen Grundrecht auf Asyl rütteln. Wir werden die Verfahren weiter verkürzen. Wir sind jetzt schon ganz gut, um dies auch mal klar zu sagen. Bei Neuanträgen beträgt mittlerweile die durchschnittliche Verfahrensdauer bis zum Erlass des Asylbescheides 2,9 Monate. Wir sind jetzt unter drei Monaten. Dann schließt sich bei den meisten, 90 Prozent derer, die nicht zufrieden sind mit ihrem Asylbescheid und die dagegen klagen, ein Klageverfahren an. Da ist die durchschnittliche Verfahrensdauer acht bis neun Monate. Da kann man durchaus noch ein bisschen besser werden. Wir wollen insgesamt die Verfahren weiter komprimieren und dann vor allem die Personen, die hier kein Bleiberecht haben, gar nicht mehr dezentral verteilen, weil ich glaube, in dieser dezentralen Verteilung liegt mit der Hauptgrund dafür, dass es dann zur Integration von Personen kommt, die kein Bleiberecht in Deutschland haben.
    Heinemann: Dann lautet die Botschaft aber, wir lassen zum Beispiel die Schulen weiter verrotten und geben das Geld aus, um Leute los zu werden, die eigentlich hier nicht hin gehören und die wir vorher ins Land gelassen haben?
    Mayer: Das ist mit Verlaub auch schon wieder eine absolut falsche und nicht zutreffende Schlussfolgerung. Für die Sanierung und Modernisierung der Schulen, mit Verlaub, sind die Bundesländer zuständig. Was die konsequente Rückführung anbelangt, wird der Bund den Ländern wesentlich stärker unter die Arme greifen. Wir legen hier auch einen großen Wert darauf, dass vor allem schon vorhandene Einrichtungen jetzt auch genutzt werden als Ankereinrichtungen. Und wenn der Bundesinnenminister dann richtigerweise den Ländern anbietet, wenn ihr Hilfe braucht, ihr könnt die Bundespolizei mit zurate ziehen und zur Unterstützung bekommen - wohl gemerkt nicht als Inhaftierungspolizei; das habe ich ja deutlich gemacht: Es geht nicht um Inhaftierungslager -, dann habe ich auch kein Verständnis dafür, dass die Länder sagen, nee, wir wollen die Unterstützung des Bundes nicht in Anspruch nehmen. Ich lasse auch diese, finde ich, viel zu kurze Schlussfolgerung nicht zu, wir würden hier Steuergelder missbrauchen und Gelder missbrauchen, die anderweitig benutzt werden könnten.
    Heinemann: Stephan Mayer, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesinnenministerium. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören.
    Mayer: Bitte schön!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.