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Else Lasker-Schüler
Die Unbehaustheit einer großen Dichterin

An Elberfeld, heute ein Stadtteil von Wuppertal, hat Else-Lasker-Schüler zeitlebens gehangen. Aber das Verhältnis zu ihrer Heimatstadt blieb schwierig über ihren Tod hinaus - nachzulesen im Buch von Ulrike Schrader. Ein genaues Bild vom Überlebenskampf der exilierten Dichterin in der Schweiz zeichnet dagegen Ute Kröger.

Stefan Koldehoff im Gespräch mit Angela Gutzeit |
    Buchcover links: Ulrike Schrader (Hrsg.): „Verzauberte Heimat“, Buchcover rechts: Ute Kröger: „Viele sind sehr sehr gut zu mir“
    Wuppertal und Zürich - Einblicke in das Leben einer exzentrischen Künstlerin (Buchcover links: Peter Hammer Verlag, Buchcover rechts: Limmat Verlag)
    Eigentlich waren es Zwischenstationen auf ihrem Lebensweg, dessen prägende Orte Berlin und Jerusalem hießen. In Elberfeld, im heutigen Wuppertal, wurde die Dichterin Else Lasker-Schüler 1869 geboren. In Zürich hielt sie sich zwischen 1917 und 1939 immer wieder auf. Die beiden Bücher, die nun aus Anlass ihres 150. Geburtstags erschienen sind, beschreiben die Bedeutung der bergischen Industriestadt und der schweizerischen Metropole für die jüdische Expressionistin. Dabei nähern sie sich ihr auf unterschiedliche Weise an.
    Der von Ulrike Schrader herausgegebene Band "Verzauberte Heimat – Else Lasker-Schüle und Wuppertal" orientiert sich an den Orten der Heimatstadt und ordnet ihnen Texte, Anekdoten und Erinnerungen zu. Ausführlich bebildert und durch kluge Texte verbunden, erschließt sich dadurch eine Stadt, in der sich Else Lasker-Schüler vor allem durch die Wärme des Elternhauses geborgen fühlte. "Es ist gar keine schlechte Idee" von Ulrike Schrader, meinte Stefan Koldehoff im Gespräch mit Angela Gutzeit, "durch dieses Elberfeld des ausgehenden 19. Jahrhunderts zu wandern" und Orte aufzusuchen, an denen Freunde wie der Dichter Paul Zech gewirkt haben" und in Zuge dessen das Bild dieser Industriestadt, dieses deutschen Manchester entstehen zu lassen. Auch in ihren späten Jahren erinnerte sie sich immer wieder an den Garten in der Elberfelder Sadowastraße, an die Zuneigung von Mutter und Vater, an die Geschwister. "… aber ich liebte diese Stadt, weil ich sie vom Schoß meiner Mutter aus sah. Von jeder Höhe der vielen Hügel schwebt noch ihr stolzer Blick wie ein Adler; und meines Vaters lustige Streiche stürmen eben um die Ecke der Stadt", schrieb sie noch 1910 in der Septemberausgabe der Zeitschrift "Der Sturm". Zu diesem Zeitpunkt lebte sie längst als erfolgreiche Dichterin in Berlin, war von ihrem ersten Ehemann, dem Arzt Berthold Lasker, geschieden und hatte den Schriftsteller, Galeristen und Komponisten Georg Lewin geheiratet, dem sie den Namen "Herwarth Walden" gab.
    Sorge um den Sohn
    Das Kind aus Elberfeld, das dort in seiner eigenen Welt leben durfte, beschreibt auch die Schweizer Germanistin Ute Kröger in ihrem Band. "Es war Krieg 1917", meinte Koldehoff auf die Frage, was Lasker-Schüler eigentlich in die Schweiz getrieben hatte, "und sie hatte einen Sohn, Paul, 1899 geboren, Vater nie bekannt geworden, der sollte nie zum Militär müssen." Auch im Nachbarland verschloss die Dichterin die Augen vor der Wirklichkeit, sah – wie es im Buch heißt – "eine andere Welt unter den Augenlidern", verweigerte bürokratische Aufenthaltsbestimmungen und fälschte mehrfach ihr Alter – auch, um jüngere Verehrer für sich einzunehmen und schnorrte sich auch permanent durchs Leben, so Koldehoff. Zeitweise geriet sie deshalb sogar unter Spionageverdacht und konnte aus Berlin nicht wieder einreisen.
    Anders als Ulrike Schrader, die assoziativ und geografisch vorgeht, folgt Kröger chronologisch den Spuren der Dichterin im Nachbarland
    Drei große Abschnitte beschreibt die Autorin: das Kümmern um das Kind und die dadurch permanenten Geldnöte; den Aufbau eines Netzwerks aus einflussreichen Persönlichkeiten, die Else Lasker-Schüler immer wieder finanziell und organisatorisch unterstützen; und schließlich das Exil in der Schweiz, als in Deutschland die Nationalsozialisten in die Regierung gewählt wurden. Ein gelungenes Buch, dass mit seinen detaillierten Schilderungen ein umfassendes Bild der Persönlichkeit der Autorin bietet.
    Ulrike Schrader (Hrsg.): "Verzauberte Heimat. Else Lasker-Schüler und Wuppertal"
    Peter Hammer Verlag, Göttingen. 132 Seiten, 22 Euro.
    Ute Kröger: "Viele sind sehr sehr gut zu mir. Else Lasker-Schüler in Zürich 1917-1939"
    Limmat Verlag, Zürich. 272 Seiten, 34 Euro.