Stephanie Gebert: Die Ergebnisse der Studie zum Homeoffice und die Konsequenzen, die das nach sich ziehen muss - da wollen wir noch mal genauer drauf schauen; mit der Autorin der Studie, der Arbeitszeitforscherin Yvonne Lott. Ich grüße Sie!
Yvonne Lott: Hallo, ich grüße Sie!
Gebert: Dass Menschen im Homeoffice durchschnittlich länger arbeiten, ist jetzt keine neue Erkenntnis; dass das auch auf Eltern zutrifft, liegt nahe. Haben Sie die Zahlen trotzdem erstaunt?
Lott: Mich hat es eigentlich nicht erstaunt, weil ich auch viele internationale Studien kenne, die eben auch genau dazu auch kommen. Was mich so ein bisschen erstaunt hatte war, dass es doch so sehr dieses Bild ist: Die Väter arbeiten mit Homeoffice länger; und die Frauen, die nutzen das Homeoffice mehr für Kinderbetreuung. Also dass es so klar sich in den Zahlen zeigt, das hat mich vielleicht schon ein bisschen überrascht.
Entgrenzung zwischen Beruf und Privatleben
Gebert: Über die Familienarbeit würde ich gleich nochmal ausführlicher sprechen wollen; vorher aber die Frage: Wissen wir, woher dieser Druck kommt? Beide, sowohl Männer als auch Frauen im Homeoffice arbeiten mehr. Woher kommt dieser Druck, dass ich mehr tue, wenn ich das nicht im Büro machen muss?
Lott: Es hat mehrere Gründe. Ein wichtiger Grund ist sicherlich die starke Präsenznorm, die noch in Betrieben vorherrscht und das Wissen darüber, dass das, wenn ich jetzt im Homeoffice arbeite, also zuhause arbeite, vielleicht auch nicht unbedingt normal ist; es ist vielleicht sogar auch teilweise nicht wirklich erwünscht. Ich fühle mich vielleicht nicht so legitim, das wirklich zu nutzen, mache es dann aber trotzdem. Und ich gebe dann, weil ich eben weiß - okay, es ist eigentlich nicht normal - dann gebe ich eben etwas zurück, und das zurückgeben sind dann die längeren Arbeitszeiten. Ein weiterer Grund: Es kommt eben schneller zu einer Entgrenzung zwischen Beruf und Privatleben, weil einfach auch die Beschäftigten zuhause diese Grenze ja auch selber ziehen müssen. Also ich muss selber gucken, wie trenne ich das Berufliche, wie trenne ich das Private? Und das kann natürlich auch einfach mal nicht gelingen - gerade da, wo vielleicht auch einfach hohe Leistungsanforderungen an Beschäftigte gestellt werden, oder wo auch einfach Überstunden immer noch als Signal für hohes Arbeitsengagement gelten.
Kinderbetreuung als Karrierehindernis
Gebert: Schauen wir nochmal auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Da zeigt sich in Ihrer Studie deutlich, dass Frauen im Homeoffice noch mehr Zeit für die Kinderbetreuung verwenden als ihre Partner. Ihre Folgerung ist: Homeoffice zementiert tradierte Rollenmuster. Aber ist es nicht eher so, dass sich mit Homeoffice diese Muster deutlicher zeigen, die eh schon vorhanden sind; dass Frauen also mehr Zeit für Hausarbeit und Kinderbetreuung aufwenden oder eben der erste Ansprechpartner sind?
Lott: Ich würde jetzt auch nicht sagen, die Kausalität geht nur in eine Richtung. Also es zeigt sich natürlich mehr. Wofür ich einfach sensibilisieren will, ist: Wir haben ja gerade auch eine Debatte über die Flexibilisierung von Arbeitszeiten, also es wird ja auch teilweise gefordert, einfach auch die Arbeitszeitgrenzen komplett, die täglichen, zu streichen und nur noch auf eine wöchentliche Arbeitszeit zu gehen. Und da sage ich, da müssen wir aufpassen, weil sobald ich sozusagen liberalisiere und einfach die Beschäftigten frei laufen lasse - das kann eben auch nach hinten losgehen. Ich würde trotzdem auch sagen, dass wenn eben die Arbeitszeiten flexibilisiert werden oder Homeoffice angeboten wird, dass es trotzdem dazu führen kann, dass es nochmal die traditionelle Arbeitsteilung verstärkt, weil es sozusagen natürlich dann den Anreiz gibt, dann für eine Gruppe zu sagen: Okay, dann nutze ich das jetzt auch und kümmere mich jetzt halt auch eher um die Kinder. Was ja auch erst mal prinzipiell nicht verkehrt ist; es wird nur eben nicht belohnt und es wird dann häufig eben auch eher mit Karrierehindernissen quittiert.
Gebert: Das ist das eine; grundsätzlich könnte man aber sagen: Privatangelegenheit ist es ja nun mal, wie Eltern untereinander aufteilen, wer für was zuständig ist - Sie fordern trotzdem Regeln?
Lott: Ja, ich sehe das auch anders. Also Reproduktionsarbeit ist ja auch einfach eine gesellschaftliche Aufgabe. Der Staat hat da ja auch Regelungen geschaffen wie die Elternzeit zum Beispiel, das Elterngeld, das soll ja alles auch dazu dienen, einfach auch Eltern unter die Arme zu greifen. Und ich finde, das ist eine wichtige Sache und es ist eine gesellschaftliche Angelegenheit. Und natürlich ist kein Mensch gezwungen, jetzt die Arbeit so oder so aufzuteilen. Aber es geht einfach um Angebote; und ich denke, Regeln können da auf jeden Fall helfen, auch diese Formen des Arbeitens einfach so gut wie möglich für die Beschäftigten zu gestalten.
Schweden als positives Vorbild
Gebert: Und Sie sagen auch, es müsste politische Änderungen geben, um die Anreize zu vergrößern, dass Väter sich mehr für die Kinderbetreuung engagieren; engagieren können. Sie machen auch konkrete Vorschläge, wie das geht, nämlich mehr Partnermonate beim Elterngeld. Erklären Sie uns doch bitte anhand dieses Beispiels, was sich dadurch ändern würde.
Lott: Genau - also wir wissen ja, was für positive Effekte auch gerade längere Elternzeiten von Vätern haben können. In Schweden zum Beispiel, wo es die Partnermonate schon sehr viel länger gibt als jetzt in Deutschland, da haben Studien, auch Langzeitstudien gezeigt, dass Männer, die mehr Partnermonate gemacht haben, tatsächlich sich auch auf Dauer dann eher an der Hausarbeit beteiligen, auch sich stärker um die Kinder sorgen. Und darum ist dann der logische Schluss zu sagen: Ok, diese zwei Vätermonate, die wir momentan haben, also die zwei Partnermonate sind ja prima - wenn wir jetzt das noch verlängern würden, dann wäre vielleicht der Anreiz noch größer und dann eben auch der Effekt noch einmal größer dann, dass es eben eher zu einer partnerschaftlichen Arbeitsteilung kommt; also die Männer dann einfach auch mehr sich zuhause engagieren.
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