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Elvis Presley
Gott macht einen Hüftschwung

Elvis Presley liebte schwarze und weiße Gospelmusik. Als er ein Star war, verehrten ihn seine Fans wie ein Messias. Taschentücher mit seinem Schweiß wurden wie Reliquien verehrt. Der Literaturwissenschaftler Heinrich Detering spricht 40 Jahre nach Elvis' Tod über frommen Töne im Rock'n-Roll.

Von Alfried Schmitz |
    Undatierte Aufnahme von Elvis Presley in der Armee. (1958-1960 als Sergant).
    Elvis hatte sein Leben lang eine besondere Beziehung zur Gospelmusik (picture alliance / dpa)
    "Elvis kommt aus dem tiefen Süden, dem Old South und ist ein frommer Mann gewesen. Es gibt ja hinreißende Aufnahmen, sowohl Ton- als auch Filmaufnahmen, wie er mit seinen Kumpels Gospelsongs singt. Es ist für ihn, glaube ich, diese religiöse Tradition der weißen und der schwarzen Gospels des Südens sehr stark mit seiner eigenen Kindheit assoziiert, mit Gefühlen von Geborgenheit, Heimat, Zugehörigkeit zu seiner Mutter, die er ja über alles geliebt hat. Das war für ihn und blieb für ihn immer der Rückzugsraum", sagt Heinrich Detering.
    Diese Aufnahme von "Just a little talk with Jesus" entstand bei einer Jam-Session, an der im Dezember 1956 neben Elvis Presley auch seine Kollegen Carl Perkins und Jerry Lee Lewis beteiligt waren. Das Gospelstück stammt vom 1907 geborenen Cleavant Derricks, der als Pastor und Chorleiter in vielen schwarzen Baptisten-Gemeinden im Süden der USA aktiv war. An der religiösen Musik der schwarzen Kirchengemeinden in seiner Heimatstadt Tupelo, im US-Bundesstaat Mississippi, war Elvis Presley schon als Kind interessiert. Heinrich Detering sagt:
    "Seine Mutter Gladys hat als Baumwollpflückerin Geld verdienen müssen und hat natürlich mit Schwarzen zusammengearbeitet. Und wir wissen aus sehr glaubwürdigen, zuverlässigen, gut recherchierten Aussagen, wie früh er sich schon aufgemacht hat aus den weißen Kirchen, mit ihrer weißen Gospelmusik und rüber zu laufen zu den schwarzen, um entweder dort zu sitzen oder wenigstens durch die Tür oder durchs Fenster zu schauen und zu hören, wie dort gesungen wird und zu sehen, wie dort getanzt, sich bewegt wird, welche Inszenierung von Körperlichkeit es gibt."
    Sein Vorbild: Martin Luther King
    Elvis Presley wird am 8. Januar 1935 geboren. Seine Eltern sind einfache Leute, weiße Unterschicht, protestantisch geprägt, sehr religiös. Ihre Heimatgemeinde ist Bestandteil der evangelikalen Vereinigung "Assemblies of God". Elvis geht regelmäßig zu den Gottesdiensten und singt im Kirchenchor. Die Beziehung zur Gospelmusik wird ihn sein Leben lang begleiten. Auch als er ein Weltstar ist, sein Geld mit Rock’n’Roll verdient und sein lasziver Hüftschwung zu seinem Markenzeichen geworden ist, bleiben religiöse Lieder wichtiger Bestandteil seiner Konzerte. Er preist Gott, besingt die Hoffnung auf ein ewiges Leben ...
    Anders als viele seiner evangelikalen weißen Glaubensbrüder und -schwestern im Süden der USA, ist Elvis Presley ein Gegner von "Rassentrennung" und der Diskriminierung der schwarzen Bevölkerung. Der schwarze Baptistenprediger und Bürgerrechtler Martin Luther King wird für ihn zum Vorbild. Da er selbst kein großer Redner ist, setzt Presley auf die Wirkung der Musik und nutzt die Konzertbühne als Podium, um seine religiösen und gesellschaftlichen Ansichten zu verbreiten.
    Heinrich Detering: "Da sah man ein schwarzes, weibliches Gospelensemble, ein männliches Gospelensemble, man sah ein großes Swing-Orchester und man sah eine Rock'n'Roll-Band. Das heißt, man hatte schon in der visuellen Anordnung auf der Bühne ganz unterschiedliche Repräsentanten von Race, Class, Gender repräsentiert. Elvis verbringt seine Bühnenshow damit, zwischen diesen Gruppen, zwischen diesen Teilen der Bühne zu vermitteln."
    Bei der "American Trilogy" verbindet Elvis Presley bei seinen Konzerten, die aus dem amerikanischen Bürgerkrieg stammenden Süd- und Nordstaaten-Hymnen "I wish I was in Dixie" und "Glory Hallelujah" mit dem aus der schwarzen Community stammenden religiösen Lied "All my trials". Diese musikalische Verknüpfung versteht Elvis Presley als Friedensbotschaft, mit der er die starken Gegensätze zwischen Nord und Süd, zwischen Schwarz und Weiß überbrücken möchte. Heinrich Detering:
    "Das hat eine enorm politische Tragweite, wenn man die Zeit und die Orte in den Blick nimmt, an denen Elvis das inszenierte. Es hat zugleich natürlich etwas zu tun mit der Überhöhung des Künstlers, denn die eigentliche Synthese fand ja nicht wirklich statt, Elvis gelang es ja nicht wirklich, Schwarz und Weiß, Nord und Süd, Jung und Alt zu versöhnen, aber in seiner Person, in der Inszenierung eines beinah messianischen Königs auf der Bühne, des King, der sein Reich verkündete, das nicht mehr von dieser Welt war, daraus wurde dann diese immense Überhöhung der Person Elvis zu einer religiösen Gestalt."
    Dazu trug auch die Gestaltung der Konzerte von Elvis Presley bei, die vor allem während seiner letzten großen Karrierejahre etwas religiös Kultisches hatten. Sie begannen mit dem überirdischen Richard Strauss-Werk "Also sprach Zarathustra", folgten wie bei einem Gottesdienst einem festen feierlichen Programm-Ablauf und endeten schließlich in einem Höhepunkt, der einer sakralen Zeremonie glich.
    Schweißtücher als Berührungsreliquien
    Während des letzten Songs seiner Konzerte, querte Elvis Presley, einem immer wieder kehrenden Ritual folgend, die Bühne. Dicht hinter ihm sein Freund und Vertrauter Charlie Hodge. Heinrich Detering:
    "Über seinen Unterarm eine große Zahl von weißen Tüchern gelegt. Und Elvis, während er mit der einen Hand das Mikrophon hält und singt, greift ohne hinzuschauen mit der anderen Hand ein Tuch nach dem anderen ab, wischt sich damit einmal über die Stirn und wirft es unter die Zuschauer. Eine große Zahl von Schweißtüchern wird auf diese Weise verteilt. Das hat etwas von der Verteilung von Berührungsreliquien oder vielleicht noch näher, es hat etwas von einem sakramentalen Akt, einer Eucharistie -Feier, die da am Schluss gefeiert wird. Denn die Zuhörer, die Zuhörerinnen vor allen Dingen, die in den Empfang eines solchen Schweißtuches kommen, gewinnen nun auch körperlich Anteil am Körper dieses heiligen Künstlers, dieser gottgleichen Gestalt."
    Obwohl Elvis Presley seine protestantisch puritanische Bodenhaftung während seiner Karriere oftmals verloren zu haben schien, seinem baptistisch geprägten Glauben blieb er bis zum Tod treu. Zeit seines Lebens war er ein großer Bewunderer des evangelikalen weißen TV-Predigers Rex Humbard gewesen. Der war auch am 18. August 1977 bei Elvis Presleys Trauergottesdienst als Gastprediger eingeladen worden. Dabei erinnerte Humbard, wie auch später in einem TV-Interview, an eine Begegnung mit Elvis Presley Anfang der 1970er in Las Vegas, bei dem schließlich beide gemeinsam beteten.