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EM 1989
Der Durchbruch für den Frauenfußball

Vor 25 Jahren wurden die deutschen Fußball-Frauen erstmals Europameisterinnen. Erst mit dem Erfolg bei der EM 1989, die in der Bundesrepublik stattfand, nahm die Akzeptanz zu. Seither wurden die deutschen Frauen achtmal Europa- und zweimal Weltmeisterinnen.

Von Eduard Hoffmann |
    Deutsche Spielerinnen jubeln nach dem Endspiel der 3. Europameisterschaft durch ein 4:1 gegen Norwegen.
    Deutsche Spielerinnen jubeln nach dem Endspiel der 3. Europameisterschaft durch ein 4:1 gegen Norwegen. (picture-alliance / dpa)
    "Bereits in der 22. Minute hatte Ursula Lohn ihren ersten großen Auftritt, 1:0. Die 22.000 Zuschauer feuerten an, wollten mehr, und die Tore purzelten geradezu."
    Mit 4:1 gewannen die bundesdeutschen Fußball-Frauen am 2. Juli 1989 das Finale der Europameisterschaft. Im ausverkauften Osnabrücker Stadion an der Bremer Brücke hatten die hoch favorisierten Norwegerinnen nicht den Hauch einer Chance.

    "Im Siegestaumel schoss die eingewechselte Angelika Fehrmann nach abgewehrtem Schuss das 4:1."
    Schon die Halbfinalbegegnung gegen Italien war ein Fußball-Krimi und musste ins Elfmeterschießen gehen. 8.000 Zuschauer feierten in Siegen die DFB-Elf und ihre Matchwinnerin: Torfrau Marion Isbert. Nachdem sie dreimal pariert hatte, verwandelte die Hausfrau und Mutter den entscheidenden Elfmeter selber zum 4:3 Endstand. Millionen Fernsehzuschauer hatten bei der ARD mitgefiebert. Es war das erste Frauenfußballspiel, das in Deutschland live übertragen wurde. Vom Endspiel allerdings sendete dann das Fernsehen nur eine kurze Zusammenfassung.
    Das Finale war schnell ausverkauft. Von überall aus der Republik machten sich Jung und Alt auf nach Osnabrück. Martina Voss, seinerzeit dribbelstarke Stürmerin und heute Schweizer Nationaltrainerin, erinnert sich immer wieder gerne an die unglaubliche Euphorie: "Wir waren in Kaiserau untergebracht und fuhren dann von dort aus nach Osnabrück und kamen da an, und dann standen 3.000 Menschen vor den Toren und kamen gar nicht mehr rein, weil das Stadion ausverkauft war."
    "Wunderbar, Freude über Freude, ein wahnsinniger Erfolg für die deutsche Mannschaft."
    Was den Männern ein Jahr zuvor nicht gelungen war, das schafften jetzt die Frauen – sie wurden Europameisterinnen. Ein Meilenstein auf ihrem steinigen Weg. 1955 hatte der DFB ihnen ausdrücklich das Fußballspielen verboten. Begründung: "Im Kampf um den Ball verschwindet die weibliche Anmut, Körper und Seele erleiden unweigerlich Schaden und das Zurschaustellen des Körpers verletzt Schicklichkeit und Anstand."
    Erst 1970, als die bundesweit rund 60.000 aktiven Fußballerinnen damit drohten, einen eigenen Verband zu gründen, lenkte die Altherrenriege des DFB widerwillig ein und hob das Verbot auf. Fortan waren Die "Damen" zwar geduldet, gefördert wurde der Frauenfußball jedoch nicht. Das änderte sich erst nach dem überraschenden Gewinn der Europameisterschaft 1989.
    Die EM verschaffte dem Frauenfußball in Deutschland erstmals eine große öffentliche Bühne. Ressentiments und Ängste verloren sich, die Frauen spielten attraktiven Fußball.
    "Und eben auch, dass viele junge Mädchen angefangen haben, sich dann in den Vereinen anzumelden oder die Eltern haben es dann befürwortet oder erlaubt, und damit boomte das halt ganz einfach, der Mädchen- und Frauenfußball."
    "Also für die, die das miterlebt haben im Frauenbereich, wird es immer das tollste Erlebnis sein, es war wirklich ein Durchbruch." Die heutige Bundestrainerin Silvia Neid und DFB-Vizepräsidentin Hannelore Ratzeburg hatten damals hautnah miterlebt, welche Bedeutung der EM-Erfolg für die weitere Entwicklung des Mädchen- und Frauenfußballs hatte.
    Zum ersten Mal nahmen auch die Medien gebührend Notiz und berichteten umfassend. Alle waren voll des Lobes, selbst eingefleischte Frauenfußball-Gegner wie das Fachmagazin "Kicker".
    DFB-Präsident Hermann Neuberger blieb allerdings bei der alten Denke, indem er sich die Spielerinnen „ein bisschen gazellenhafter und weiblicher" gewünscht hätte. Gleichzeitig schwamm er mit auf der Begeisterungswelle und behauptete sogar: "Wir setzen uns immer schon für den Damenfußball ein, von Anfang an, [...] wir waren nur am Anfang gegen Wildwuchs."
    Der reiche Verband ließ sich dann auch nicht lumpen und spendierte jeder Europameisterin ein 40teiliges Kaffee- und Tafelservice. Dennoch: beim DFB hatte man das Potential des Frauenfußballs erkannt und auch die Notwendigkeit der Förderung. Ende 1989 richtete der Verband einen eigenen Ausschuss für Frauen- und Mädchenfußball ein, und 1990 ging die Frauenfußball-Bundesliga an den Start.