EM 2024
Warum der DFB den Fußball nicht politisch aufladen sollte

Nach der Viertelfinal-Niederlage ging Bundestrainer Julian Nagelsmann mit einer politischen Rede auf die Stimmungslage im Land ein. Doch damit bringt sich der DFB in Gefahr.

Thomas Kistner im Gespräch mit Astrid Rawohl | 07.07.2024
Bundestrainer Julian Nagelsmann kämpft während der Pressekonferenz mit den Tränen.
Bundestrainer Julian Nagelsmann sorgte bei der Abschlusskonferenz mit einer politischen Ansprache für Aufsehen. Für SZ-Redakteur Thomas Kistner sorgte sie für ein Störgefühl. (dpa / picture alliance / Federico Gambarini)
Nach dem unglücklichen Aus der deutschen Fußball-Nationalmannschaft bei der Fußball-Europameisterschaft, hat Bundestrainer Julian Nagelsmann mit Tränen in den Augen und stockender Stimme ein emotionales Turnierfazit gezogen, welches weit über die sportliche Dimension hinaus ging.
"Ich habe es gestern schon gesagt, dass ich mir einfach wünsche für dieses Land, dass wir verstehen, dass gemeinsam immer besser geht", sagt der 36-Jährige. "Ich glaube, wir können alle anpacken, dass es nicht so traurig ist, wie es gerade wirkt und nicht alles schwarzgemalt werden muss, wie es gerade schwarzgemalt wird. Man kann immer Probleme sehen - und wir haben Probleme im Land. Man kann aber auch immer von Lösungen sprechen. Wenn ich dem Nachbarn helfe, die Hecke zu schneiden, ist er schneller fertig."

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Gegen die Zersplitterung der Gesellschaft für mehr Gemeinsamkeit

Nagelsmann sprach auch davon, wie die Gesellschaft immer weiter zersplittere - ein Instagrambild sei wichtiger als ein paar gemeinsame Stunden. "Wir waren lange und ewige Zeit ein Land der Vereine, wo Menschen zusammenkamen und unterschiedliche Dinge gemacht haben: von Fußball über Musikvereine bis zum Trachtenverein, ganz egal." Diese Gemeinsamkeit, gemeinsam Dinge zu bewegen, sei extrem wichtig, sagte er.
"Damit wir realisieren, in was für einem wunderschönen Land wir leben - landschaftlich, kulturell, aber auch welche Möglichkeiten haben, wenn wir zusammenhalten." Er habe noch nie einen Menschen getroffen, "der Dinge allein macht und automatisch Dinge schneller, besser, weiter macht, als mit irgendjemandem zusammen". Das gebe es ganz, ganz selten.

DFB "inhalts- und sprachlos"

Er habe ein Störgefühl gehabt, als er die Nagelsmann-Rede gehört habe, sagte der sportpolitische Experte der Süddeutschen Zeitung, Thomas Kistner im Dlf. "Da würde ein Fass geöffnet, das bisher von Seiten des sportlichen Personals immer gut verschlossen geblieben ist."
Kistner kritisierte dabei vor allem, dass nicht DFB-Präsident und der langjährige SPD-Politiker Bernd Neuendorf zur inneren Verfassung des Landes Stellung bezogen habe, sondern der noch frische und junge Bundestrainer Julian Nagelsmann. Dies zeige die Inhalts- und Sprachlosigkeit des Verbandes.

Fußballmannschaft keine Blaupause für die Gesellschaft

Man könne eine Fußballmannschaft nicht mit der Gesellschaft vergleichen, sagte Kistner. "Eine Fußballmannschaft ist eine professionelle Wirtschaftseinheit auf Zeit, sie wird von einen riesigen Apparat von Spezialisten geführt und abgeschirmt", sagte Kistner. Aus politischer Sicht sei das "11 Freunde müsst ihr sein"-Narrativ ein toller Verkaufsschlager. Man müsse damit aber aufpassen.
Ein Negativbeispiel für ein zu stark politisch aufgeladenes Turnier sei die WM 2022 in Katar gewesen, wo die Spieler am Ende mehr mit sportpolitischen Fragen beschäftigt waren, als mit den sportlichen.
Man habe es aber durch die sportlichen Erfolge geschafft, wieder ein paar abtrünnige Fans hinter der Nationalmannschaft zu vereinen. Für die WM 2026 sieht Kistner aber nicht so postiv. Neben Toni Kroos werde es noch weitere zentrale Abgänge im Team geben und zudem fehle bei der WM in Nordamerika der Heimvorteil.
Auch das Thema der ökologische Nachhaltigkeit, welches sich der DFB für die EM auf die Fahnen geschrieben hatte, ist durch die neuesten Enthüllungen über angebliche Flüge von DFB-Präsident Bernd Neuendorf mit Privatjets ebenfalls stark in Verruf geraten, sagte Kistner.