Eine Fußball-Europameisterschaft ist auch immer ein Schaufenster. Ein Marktplatz für neu emporkommende Talente und Transfers, die im Zuge oder im Nachgang eines Turniers über die Bühne gehen.
Für St. Pauli-Präsident Oke Göttlich ist die Mehrzahl der Spieler der 24 EM-Teilnehmer für den frisch gebackenen Erstligisten aber nicht finanzierbar. „Selbst bei Teams, die vermeintlich klein klingen wie Georgien oder Albanien, sind die in einer Schublade unterwegs, die man sich als Erstligist auch nicht leisten kann, zumindest wenn man 14 Jahre vorher zumindest in der 2. Liga gespielt hat", sagte Göttlich im Deutschlandfunk.
EM zieht qualitativ "hinten raus" an
Der FC St. Pauli war in der abgelaufenen Saison nach 13 Spielzeiten in der 2. Liga wieder in die 1. Bundesliga aufgestiegen. Hat damit aber nicht die finanziellen Mittel wie etablierte Bundesligisten.
Der 48-Jährige zeigte sich positiv über die spielerische Entwicklung des Turniers. Habe es zu Beginn noch wenig interessante Spiele gegeben, nehme es zum Ende Fahrt auf, sagte der Hamburger. „Das Turnier gewinnt hinten raus so ein bisschen an Qualität“, sagte er. „Ich finde ja, qualitativ merkst Du Nationalteams an, dass sie eben nicht so häufig zusammenspielen, es sind wahnsinnig tolle individuelle Leistungen da und unfassbar tolle Spieler, die man sehen kann.“
Nationalteams im Nachteil
Damit bezog sich der Sportfunktionär auf die nicht so stark verhandene Eingespieltheit und Struktur einer Nationalmannschaft im Vergleich zu einer Klubmannschaft, die in einer Saison jeden Tag auf dem Trainingsplatz miteinander üben könne und an ihren Abläufen arbeite. Eine Nationalmannschaft kommt während eines Turniers nur für wenige Wochen zusammen und verfüge so über nur wenig gemeinsame Trainingseinheiten.
Für den Hamburger ist Spanien der Top-Favorit auf den EM-Titel. Die Iberer würden als Team ein bisschen über allen anderen Teams bei dieser EM schweben, sagte Göttlich. „Da sieht man eben und das macht so unheimlich viel Spaß, wie systemische Arbeit funktioniert, wenn man über Jahrzehnte permanent Jugendarbeit betreibt“, lobte Göttlich die Nachwuchs- und Verbandsarbeit der Spanier.
Länderspiele offener als Klubspiele
Der aktuelle spanische Nationaltrainer Luis de la Fuente kenne durch seine Arbeit seit 2013 im spanischen Verband alle Spieler schon als Jugendspieler und habe die Mannschaft systematisch aufbauen können. Göttlich wagte aber die Prognose, dass wenn Julian Nagelsmann schon ein Jahr früher Bundestrainer gewesen wäre, das deutsche Viertelfinale gegen Spanien noch etwas knapper abgelaufen wäre.
Länderspiele hätten für den Hamburger vor allem einen großen Vorteil gegenüber Klubmannschaften. „Es ist nicht alles Geld, was zählt, das ist so schön zu sehen.“ Länderspiele seien einfach offener und unberechenbarer als Spiele zwischen Klubmannschaften, wo sich am Ende doch die Mannschaften mit dem höchsten Kaderwert durchsetzen. Es sei nicht richtig prognostizierbar, ob England gegen Georgien klar gewinne und wie bestimmte Partien ausgehen.
Tolle Fankultur bei der EM
Als Fazit aus dieser EM wünsche er sich, dass viel weniger über die Schiedsrichter diskutiert werde. Die Entscheidungen der Schiedsrichter sollten akzeptiert werden. Die neue Regel, dass nur noch die Kapitäne der beiden Mannschaften mit dem Unparteiischen sprechen dürfen, begrüßte er und wünsche sich, dass diese in den Liga-Alltag übernommen werde.
Göttlich freute sich zudem, dass die Fankultur bei dieser EM so sichtbar geworden sei und die Anhänger die Liebe zu ihrem Sport zeigen konnten. Eine Grundvoraussetzung sei dazu, wenn die Turniere in einem fußballbegeisterten Land wie Deutschland oder England stattfinden. Er erwähnte auch positiv, dass es in den vier Wochen Europameisterschaft generell nur sehr wenige negative Vorfälle gegeben habe, aber das Turnier schon noch einmal den Finger in die richtigen Wunden gelegt hat, wo sich Deutschland noch einmal richtig anstrengen dürfe. Göttlich sprach dabei vor allem den Investitionsstau bei der Bahninfrastruktur an.
Die Auftritte der Nationalmannschaft haben begeistert und es habe Spaß gemacht. Durch die EM sei rausgekommen, dass Deutschland zusammen mit anderen Nationen feiern könne. Die Gemeinschaft in Europa sei das wichtigste Ziel für die nächsten Jahrzehnte in Europa.