Nachhaltigkeit bei der EM 2024
Jede vierte Team-Reise während der Gruppenphase war ein Flug

Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft reist heute für das Achtelfinale gegen Dänemark von Herzogenaurach nach Dortmund – mit dem Flugzeug, obwohl die EM-Organisatoren ja eigentlich ein nachhaltiges Turnier versprochen haben. Und es ist längst nicht der einzige Flug.

Von Maximilian Rieger | 29.06.2024
Auf dem Foto ist zu sehen, wie die spanische Fußballmannschaft am Stuttgarter Flughafen ankommt und von Personal empfangen wird.
Die spanischen Fußballer nutzten für alle Reisen während der Gruppenphase immer das Flugzeug. (IMAGO / Pressefoto Baumann / IMAGO / Julia Rahn)
Es gibt nicht viele Schweizer, die die Deutsche Bahn loben – Adrian Arnold gehört aber mit dazu: „Die Bahn ist sehr komfortabel, wir haben sehr viel Beinfreiheit für die Spieler, es ist ökologisch nachhaltig“, findet der Mediendirektor des Schweizer Fußballverbandes.
Die Schweizer haben die meisten Reisen bei dieser EM bisher mit dem Zug absolviert – zweimal von Stuttgart nach Köln und einmal nach Frankfurt. Nicht im Sonderzug, sondern in reservierten Erste-Klasse-Wagen im ICE. Das Material bringen zwei Kleinbusse zum Stadion.

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Und bis auf eine Verspätung von 25 Minuten habe alles gut funktioniert – und auch den Spielern scheint’s gefallen zu haben: „Die haben gespielt hauptsächlich, in Vierer-Abteilen oder Achter-Abteilen, Karten gespielt, Brandy Dog gespielt, Schach gespielt – ein bisschen wie Klassenfahrt.“

Nur sechs Teams nutzten die Bahn

Mit der Bahn zum EM-Spiel – es geht also. Die Schweizer sind trotzdem eine Ausnahme. Nur fünf weitere Teams haben in der Gruppenphase ebenfalls den Zug genutzt. Das zeigt eine Auswertung der Reisebewegungen durch den Deutschlandfunk.
Die meisten Strecken haben die Teams im Bus zurückgelegt. Auf jeder vierten An- oder Abreise zu einem Spiel haben sie aber auch das Flugzeug genutzt – obwohl der europäische Fußballverband UEFA im Vorfeld viel von Nachhaltigkeit geredet hat.
„Ich bin der Auffassung, dass es im Jahr 2024 - und wenn man so eine Werbung macht für die nachhaltigste EM – möglich sein muss, tatsächlich auf alle Kurzstreckenflüge innerhalb Deutschlands zu verzichten. Dass muss möglich sein“, kritisiert Barbara Metz, Bundesgeschäftsführerin der Deutschen Umwelthilfe.

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Insgesamt wurde die Anzahl der Flüge reduziert

Die EURO 2024 GmbH, die das Turnier organisiert, verweist darauf, dass man die Anzahl der Flüge deutlich reduziert habe. Bei der EM 2016 in Frankreich seien noch 75% der Reisen mit dem Flugzeug absolviert worden.
„Tatsächlich gibt es eine Verbesserung und das muss man positiv bewerten“, sagt Metz. „Sie haben tatsächlich reduziert, aber eben noch nicht das, was man als nachhaltigste Variante sehen müsste, nämlich dass es gar keine Flüge mehr gibt.“
Auch Forscher des Öko-Instituts hatten in einer Studie für die UEFA vor dem Turnier vorgeschlagen, dass Teams komplett auf Kurzstreckenflüge verzichten sollten.

Vorbildfunktion der Teams sollte nicht unterschätzt werden

Den überwiegenden Teil der CO2-Emissionen des Turniers verursachen zwar die Fans mit ihren An- und Abreisen. Gerade deswegen sollten die Verbände aber als gutes Vorbild vorangehen und auf Flüge verzichten, hieß es in der Studie.
Diese Empfehlung hat der spanische Verband komplett ignoriert. Das spanische Team ist zu allen Gruppenspielen von Stuttgart nach Düsseldorf und Berlin geflogen.
Auch die Engländer, Slowenen und Türken sind ebenfalls  für kurze Strecken ins Flugzeug gestiegen. Die kürzeste Reise: Ein 25-Minuten Flug der türkischen Mannschaft von Hannover nach Hamburg.
Stefan Wagner, Gründer der Organisation Sports for Future, hätte sich deswegen eine Vorgabe der UEFA gewünscht.
„Wenn wir es wirklich ernst meinen, dann geht es eben am Ende nur mit verbindlichen Regeln für alle und nicht alleine mit Good Will. Ich glaube, dass ist die Quintessenz aus allen positiven, aber auch negativen Beispielen.“

Schweizer Verband: "Immer noch der Sport im Zentrum"

Von einer solchen Vorgabe halten aber die Verbände wenig – auch Adrian Arnold vom Schweizer Verband nicht.
„Letztendlich steht immer noch der Sport im Zentrum, aber innerhalb dieses Sports aber eben auch Überlegungen über Nachhaltigkeit oder über angenehmeres Reisen. Das sind Faktoren, die dann wirklich an dieser zweiten Stelle kommen sollten.“
Auch deswegen sind die Schweizer dann doch einmal geflogen, von Köln nach Stuttgart nach dem Spiel gegen Schottland. Ohne diesen Flug hätten die Schweizer im eng getakteten Turniermodus nur einen vollen Trainingstag bis zum nächsten Spiel gehabt. So weit geht die Liebe zur Deutschen Bahn dann doch nicht.
Dass der sportliche Erfolg für die Verantwortlichen im Zweifel wichtiger ist als der Klimaschutz, kennt auch Stefan Wagner, der unter anderem die TSG Hoffenheim zu Nachhaltigkeitsfragen berät.
„Normalerweise könnte man sagen: Ist ja Quatsch, man verliert kein Spiel wegen einer Bahnfahrt. Zumindest hoffe ich das bei so fitten jungen Menschen. Aber trotzdem muss man das dann durchhalten können und das ist glaube ich noch nicht stark genug im System drin. Dass der Oberste sagt: Das ist so, fertig.“

Debatte um Kurzstreckenflüge muss weiter angestoßen werden

Auch der DFB, der ebenfalls das Thema Nachhaltigkeit rund um die EM stark betont, verzichtet nicht auf das Flugzeug – nach drei Busfahrten in der Gruppenphase ist das Team für das Achtelfinale nach Dortmund geflogen: 36 Minuten Flug statt viereinhalb Stunden Bahnfahrt. Für Barbara Metz von der Deutschen Umwelthilfe eine verpasste Chance.
„Natürlich ist es so, dass die deutsche Mannschaft eine Vorbildfunktion hat. Das ist ein Riesenhebel rein in unsere Gesellschaft. Und das macht natürlich was, wenn die sagen könnten: Wir haben komplett auf Flüge verzichtet.“
Diese Message wird der DFB nicht mehr aussenden können. Die Hoffnung von Stefan Wagner ist jetzt, dass die Kurzstreckenflüge die Debatte um die Verkehrswende in Deutschland verstärken.
„Der Fußball ist ja nicht der einzige Akteur in der Gesellschaft, der solche kurzen Strecken oder für solche Anlässe irgendwo hinfliegt. Das tun wir im Geschäftsleben, das tun wir bei Kurztrips. Und deswegen ist die gesamtgesellschaftliche und die systemische Frage die entscheidende. Aber wenn der Fußball dafür sorgen kann, diese Debatte anzustoßen, dann ist es eben ein Wert für sich.“

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