Nachhaltigkeit bei der EM
Vorbildfunktion verflogen

Die Fußball-EM sollte ein nachhaltiges Turnier werden. Die Teams sollten dafür als Vorbild dienen und auf Kurzstreckenflüge verzichten. Die Reisedaten zeigen: Das hat nicht geklappt. Dabei hätte es Chancen gegeben, den CO2-Ausstoß zu reduzieren.

Von Maximilian Rieger | 14.07.2024
Wehende Fahnen der UEFA Euro 2024, im Hintergrund ist ein Flugzeug im Landeanflug zu sehen.
Fußballer im Anflug: Viele Mannschaften reisten trotz Nachhaltigkeits-Forderungen per Flugzeug zu den Spielen der Europameisterschaft. (picture alliance / M.i.S. / Bernd Feil)
Die niederländische Fußball-Nationalmannschaft kennt jetzt das Gefühl, wenn aus einem Klischee Wirklichkeit wird. Eigentlich wollte das Team von Wolfsburg mit dem Zug zum Halbfinale nach Dortmund fahren.
Der ICE hat allerdings vor Wolfsburg einen Wildunfall. Aus Sicherheitsgründen muss der Zug zwei Stunden lang überprüft werden. Die Pressekonferenz mit dem niederländischen Nationaltrainer Ronald Koeman fällt aus, das Team fliegt am Ende von Braunschweig nach Dortmund.
„Wir waren noch nicht richtig weg vom Hotel, saßen im Bus und sind dann zurück. Dort konnten sich die Spieler ausruhen. Das hätten sie sonst im Zug machen müssen. Deshalb finde ich es sogar besser, so hier in Dortmund anzukommen“, sagte Koemann nach der Ankunft.

Fast 40 Prozent mit Flugzeugen

Koeman ist längst nicht der einzige, der kein Problem mit dem Fliegen hat. Eine Deutschlandfunk-Auswertung aller An- und Abreisen während der EM zeigt, dass nur in neun Prozent der Fälle der Zug genutzt wurde. Beliebtestes Reisemittel war der Teambus. In fast 40% haben die Verbände aber auch Flugzeuge gechartert.
„Der Anteil ist natürlich immer noch recht hoch, obwohl es Empfehlungen von der UEFA gab, in denen empfohlen wurde, mit dem Zug zu fahren und nicht das Flugzeug zu nutzen“, sagt Pamela Wicker von der Universität Bielefeld. Sie ist eine der Wissenschaftlerinnen, die die Nachhaltigkeitsbemühungen rund um die EURO evaluieren.

UEFA rät zum Verzicht auf Flüge 

Die UEFA hat tatsächlich in ihrer Anleitung für die nationalen Verbände den teilnehmenden Mannschaften „dringend geraten“, auf das Flugzeug zu verzichten. Stattdessen sollten die Teams das Angebot der Deutschen Bahn nutzen, die einer der Sponsoren des Turniers ist. Um den nationalen Verbänden zu verdeutlichen, wie klimaschädlich Fliegen ist, hatte die UEFA auch ein Rechenbeispiel hinzugefügt: Eine Reise von Stuttgart nach Köln mit dem Flugzeug würde 14 Tonnen CO2 verursachen – eine Reise mit Bus und Zug nur ein Zehntel davon.
Der spanische Verband hat sich davon unbeeindruckt gezeigt – bis auf das Viertelfinale in Stuttgart sind die Spanier zu jedem Spiel geflogen, teilweise auch genau die Strecke aus dem UEFA-Beispiel.

Spanien fliegt fast durchgehend

Vor dem Halbfinale gegen Frankreich war die spanische Mannschaft sogar nur 23 Minuten in der Luft, so lange dauert der Flug von Stuttgart nach München. Und das trotz Klimakrise.

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„Die Flüge der Teams die schlagen in der gesamten Klimabilanz des Turniers dann gar nicht so sehr zu buche, weil es mengenmäßig gar nicht so viele sind, aber das wichtige ist natürlich die Vorbild- und Signalwirkung“, erklärt Wicker.

Auch England fliegt viel

Auch Finalgegner England ist Vielflieger. Wie die Spanier haben auch sie sich weit entfernt von den Spielorten einquartiert. Damit unterlaufen sie die Bemühungen der UEFA, die Wege kurz zu halten.
Dafür hatte der europäische Fußballverband die Spielorte in drei Cluster aufgeteilt – und nur in zweien haben die Teams in der Gruppenphase gespielt. Ideal war der Spielplan aber nicht: Österreich hatte zwei Partien in Berlin – und eine in Düsseldorf, zu der sie geflogen sind, um mehr Zeit zur Regeneration zu haben.  
Die UEFA hat daher eine Chance verpasst, findet Peter Crisp, Aktivist bei der Kampagnengruppe „Fossil Free Football“: „Wenn es den Organisatoren wirklich wichtig wäre, dass die Teams nachhaltiger reisen, dann müssten sie ihre Macht nutzen – denn sie gestalten die Spielpläne und könnten sicherstellen, dass die Spiele geografisch näher beieinanderliegen und es auch insgesamt weniger Spiele gibt, damit die Teams nicht sofort weiterhetzen müssen.“
Die Tendenz geht aber in die andere Richtung. Durch die Champions-League-Reform hat die UEFA ihren wichtigsten Klubwettbewerb um 64 Spiele ausgeweitet.