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EMA empfiehlt Zulassung
Vor- und Nachteile des Corona-Impfstoffs von AstraZeneca

Die Europäische Arzneimittelagentur EMA hat die Zulassung des AstraZeneca-Impfstoff empfohlen - ohne Altersbegrenzung nach oben. Ob das Vakzin auch Menschen über 65 Jahre schützt, ist allerdings noch unklar. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Vektorimpfstoff von AstraZeneca im Überblick.

Von Arndt Reuning |
Corona-Impfstoffdose mit Spritze (Symbolbild)
Das schwedisch-britische Pharmaunternehmen AstraZeneca hat einen Vektorimpfstoff gegen das Coronavirus entwickelt. (imago images / Martin Wagner)
Die Europäische Arzneimittelbehörde EMA hat den Einsatz des COVID-19-Impfstoffs von AstraZeneca genehmigt. Ein Ausschuss empfahl eine bedingte Zulassung des Impfstoffs. Die finale Entscheidung muss nun noch von der Europäischen Kommission gefällt werden - dies gilt als Formsache. Es wäre die dritte Zulassung für einen COVID-19-Impfstoff in der Europäischen Union neben den Vakzinen von Biontech/Pfizer und Moderna.
Eine Altersobergrenze für die Impfungen mit dem AstraZeneca-Impfstoff nannte die EMA nicht. Die Behörde wies aber darauf hin, dass es noch nicht genügend Daten über die Wirksamkeit des Präparats bei älteren Menschen gebe, um zu beurteilen, wie effektiv es bei diesen sei.
Corona-Impfstoffe in der Übersicht
Im Wettlauf um die Entwicklung eines Corona-Impfstoffs melden immer weitere Unternehmen vielversprechende Ergebnisse. Die EU-Behörde EMA hat bisher drei Stoffe zugelassen – von Biontech/Pfizer, Moderna und AstraZeneca.

Wie wirkt der Impfstoff von AstraZeneca?

Es handelt sich um ein gentechnisch verändertes Erkältungsvirus, das sich im menschlichen Körper nicht vermehren kann. Dieses Virus dient als eine Fähre, die die genetische Information zum Aufbau des Spike-Proteins in die Zellen einschleust, verankert in seinem eigenen Genom. In Muskelzellen werden dann diese charakteristischen Eiweißmoleküle gebildet, die SARS-CoV-2 auf seiner Oberfläche hat. Dadurch wird dem Immunsystem eine Infektion vorgespiegelt: Es wird mit der Visitenkarte des Coronavirus bekannt gemacht und kann schon mal die Produktion von Antikörpern und T-Zellen ankurbeln – um auf den Ernstfall vorbereitet zu sein.
Dieses Erkältungsvirus, das als trojanisches Pferd genutzt wird, ist ein Adenovirus. Das Besondere daran: Das ist ein Virus, das normalerweise nur Schimpansen befällt. Das ist wichtig, um die menschliche Immunabwehr zu umgehen. Diese Genfähre soll ja nicht vorzeitig durch bereits vorhandene Antikörper abgefangen werden und deshalb haben die Forscher solche Viren gewählt, gegen die Menschen keine natürliche Immunität besitzen.
Das Virus, das als Fähre fungiert, wird als Vektor bezeichnet, das Vakzin deshalb als Vektorimpfstoff. Das ist eine moderne Impfplattform, aber das Konzept ist nicht mehr ganz so neu wie das der mRNA-Impfstoffe. Es gibt zum Beispiel schon einen Ebola-Impfstoff, der nach diesem Prinzip funktioniert.

Welche Vor- und Nachteile hat der Vektorimpfstoff?

Ganz praktisch: Der AstraZeneca-Impfstoff muss nicht so kühl gelagert werden wie die mRNA-Impfstoffe. Es reicht, ihn im Kühlschrank aufzubewahren. Dort ist er dann stabil über Monate hinweg. Ein großer Unterschied ist der Herstellungsprozess: mRNA-Impfstoffe werden synthetisch hergestellt, das ist vor allem Chemie. Vektorimpfstoffe hingegen werden biotechnologisch erzeugt – in Zellkulturen. Die Saatviren wachsen in diesen Säugetierzellen heran in Bioreaktoren. Nach einer gewissen Zeit müssen sie dann geerntet werden und aufgereinigt - im Vergleich zu den mRNA-Impfstoffen ein komplexer und langwieriger Vorgang. Aber dafür sind diese Vakzine dann eben auch ziemlich robust und auch deutlich preiswerter.
Der Nachteil: Nach allem, was wir bisher wissen, ist der Impfstoff von AstraZeneca deutlich weniger wirksam als die mRNA-Vakzine von Biontech und Moderna.

Wie zuverlässig schützt der Impfstoff von AstraZeneca?

Bisher gibt es nur eine Veröffentlichung zu Ergebnissen aus der Phase III der klinischen Studie, wo mit tausenden und zehntausenden von Probanden die Wirksamkeit überprüft wird. Bei der AstraZeneca-Studie gab es nun eine Untergruppe von rund 2.800 Teilnehmern. Die haben eine andere Dosierung erhalten: Zuerst nur die halbe Dosis, und dann vier Wochen später die volle. Und hier hat der Impfstoff eine Wirksamkeit von 90 Prozent unter Beweis gestellt – also vergleichbar mit Biontech und Moderna.
Das Problem war hier: Diese Dosierung war nicht absichtlich so erfolgt. Das war ein Versehen bei der Herstellung. Das war im Studienprotokoll nicht vorgesehen. Nun hat die Firma aber versucht, diese Daten zu retten und das Ganze als glücklichen Zufall zu betrachten. Aber von der Methodik her ist das höchst fragwürdig. Man kann nicht einfach während der laufenden Studie vom Protokoll abweichen und einer modifizierten Fragestellung nachgehen.
Denn ein Problem war hier die Zusammensetzung dieser Untergruppe. Die war mit dem Rest der Phase-III-Gruppe nicht zu vergleichen, schon allein vom Alter nicht. Niemand in der Untergruppe war älter als 55 Jahre. Aufgrund dieser Daten lässt sich also nicht bewerten, ob der Impfstoff denn die Hauptrisikogruppe überhaupt schützt.
Die Bundestagsabgeordnete Kordula Schulz-Asche spricht in ein Mikrofon, hinter ihr eine grüne Wand.
"Wir erwarten keine Verzögerung bei der Impfkampagne"
Die Grünen-Politikerin Kordula Schulz-Asche verweist darauf, dass in der Gruppe, die zuerst geimpft wird, nicht nur Hochbetagte sind. Die Jüngeren, etwa Pflegepersonal, könnten auch mit dem AstraZeneca-Vakzin geimpft werden.

Warum hat die Ständige Impfkommission den Impfstoff von AstraZeneca nur für Menschen unter 65 Jahren empfohlen?

Offenbar war auch in gesamten Rest der Probanden der Anteil an älteren Teilnehmern eher gering. Er lag bei sechs Prozent. Und es gab innerhalb dieser sechs Prozent zu wenige Infektionen in der Impfgruppe und der Kontrollgruppe. Statistisch gesehen sind die vorgelegten Daten nicht aussagekräftig. Das heißt, man weiß nicht, ob das Vakzin auch Menschen über 65 schützt oder nicht. Ergebnisse aus der Phase II legen zwar nahe, dass der Impfstoff tatsächlich auch in diesem Alterssegment wirkt. Aber so wie es aussieht, waren die mageren Daten aus Phase III, auf die es dann eben ankommt, der Ständigen Impfkommission (STIKO) nicht ausreichend. Und die EMA kam zum gleichen Schluss.

Warum beschränkt die EMA die Zulassungsempfehlung nicht auf Menschen unter 65 Jahren?

Sie beruft sich dabei auf die Ergebnisse aus der Phase II, wo eine Immunreaktion auch bei Älteren nachgewiesen wurde. Außerdem verweist sie auf die Erfahrung mit ähnlichen Impfstoffen, die eine Immunreaktion nahe legen. Außerdem laufen zurzeit noch Studien mit dem AstraZeneca-Impfstoff auch bei älteren Probandinnen und Probanden. Das war der EMA wohl ausreichend.

Wie lässt sich erklären, dass Impflinge besser geschützt waren, die weniger von dem Vakzin bekamen?

Es könnte sein, dass die Teilstudie nicht sehr aussagekräftig ist, weil die halbe Erstdosis nur an eine sehr kleine Gruppe verimpft worden war. Es könnte aber auch daran liegen, dass eine niedrige Dosis eher der Virenmenge ähnelt, die bei einer natürlichen Infektion in den Körper eindringt. Das Immunsystem würde also unter realistischeren Bedingungen auf den Erreger trainiert.
Oder, was auch eine Rolle spielt bei den Vektorimpfstoffen: Nach der ersten Impfung baut der Körper nicht nur eine Immunität auf gegen SARS-CoV-2, sondern auch gegen den Vektor selbst, also gegen das Adenovirus, das das Corona-Gen in die Zellen einschleust. Wird beim ersten Impftermin nur die halbe Dosis injiziert, dann ist möglicherweise auch die Abwehr gegen den Vektor beim zweiten Termin nicht ganz so stark.
Aus diesem Grund setzt der russische Impfstoff Sputnik V auf zwei verschiedene Adenovirus-Vektoren. Bei der ersten Impfung wird Serotyp 26 geimpft, bei der zweiten dann Serotyp 5. So soll das Vakzin die Vektor-Immunität umgehen. Und AstraZeneca hatte am 11. Dezember angekündigt, zukünftig mit dem Gamaleja-Institut zusammenarbeiten zu wollen, wo der russische Impfstoff entwickelt wurde – um die Wirksamkeit des eigenen Produkts zu erhöhen.

Was weiß man über Nebenwirkungen des AstraZeneca-Impfstoffs?

Er ist gut verträglich, von älteren Personen tatsächlich sogar etwas besser. In der Studie sind Nebenwirkungen aufgetreten. Schmerz an der Einstichstelle, leichtes Fieber, Kälteschauer, Muskelschmerzen, Kopfschmerzen und Unwohlsein. Alles Anzeichen dafür, dass das Immunsystem der Geimpften tatsächlich anspringt und eine Abwehr aufbaut. Diese Symptome wurden in der Phase-I-Studie festgestellt.
RNA, Illustration
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In Phase III traten auch bei wenigen Probanden schwerere Nebenwirkungen auf. Die Studie musste zweimal gestoppt werden, weil Probanden eine seltene neurologische Erkrankung entwickelt hatten, eine sogenannte transverse Myelitis. Das wurde dann begutachtet und man kam zu dem Schluss, dass höchstwahrscheinlich keine Verbindung zum Impfstoff bestand. Sodass die Studie dann fortgesetzt werden konnte.