Knisternde, verrauschte, vergilbte Klänge tönen abwechselnd aus vier winzigen Satellitenlautsprechern. Eine unverständliche Sprache, ein gespenstischer Raum im Dortmunder Hartware Medien Kunstverein. Zumal auf - wieder vier - Bildschirmen dann Übersetzungen des Gesprochenen zu lesen sind. Sonderbare Litaneien: "Ich ende hier, mein Leben ist nichts."
Ausschnitte aus einem Audioarchiv, das um 1930 in der damaligen deutschen Kolonie Südwestafrika von – aus heutiger Sicht fragwürdigen - Ethnologen angelegt wurde. Ein "Archiv aussterbender Rassen" entstand so, mit dem Ziel, die Primitivität indigener Völker herauszustellen. Heute sind Sprache und Stamm der Koekhebowap tatsächlich ausgestorben. Das einzige, was geblieben ist, sind diese Sprachfetzen, die jetzt scheinbar allein die Identität dieses Stamms ausmachen, als digitale Medienfiles. Erst 1997 wurde das Archiv wieder entdeckt, digitalisiert, übersetzt. Und im Württembergischen Kunstverein entstand die Neuinszenierung, die jetzt in Dortmund zu hören ist. Eine von 28 Positionen in der Schau "His Master´s Voice". Kuratorin Inke Arns:
"Das Thema ist für mich so ein Herzblut. Wir haben noch nie so viel gesprochen wie heute, im Kontext der neuen Medien. Wir reden immer so vom visuellen Zeitalter. Dabei, ich glaube, es geht gar nicht um Bilder, so sehr, sondern es geht wirklich um Sprache und die Performativität von Sprache. Es geht um Linguistik."
Und darum, wie Sprache und Stimme sich verändern, durch Chatten und E-mailen, Tutorials: emotionale Erklärvideos von Amateuren im Internet. Das Sprechen erweitert und verästelt sich digital.
"Es gibt kleinere und größere und teurere und billigere, neuere, ältere, silberne, schwarze, silberne und schwarze, du musst einfach checken, was abgeht."
Blubbert der Teenager unablässig in dem Video von Stefan Panhans "Sieben bis zehn Millionen". So viele Geräte hat der in einem Elektro Mega Store wohl "abgecheckt". Eine Video, das ironisch abrechnet mit den absurd vielen Optionen, die man bei der Wahl von Medienwiedergabegerätschaften heute hat.
Das Medium ist die Botschaft. Auch der Blick in die Ausstellung wirkt wie ein Sammelsurium sämtlicher verfügbarer Geräte, vom Tablet-PC mit Kopfhörer in der Vitrine bis zur installierten Sounddusche. Hunderte von Stunden kann man hier Medienmaterial hören, wohl der Grund, warum Inke Arns eine "Flatrate" anbietet: Wer einmal Eintritt gezahlt hat, kann kommen, so oft er will. Auch inhaltlich ist man ob der Fülle fast überwältigt. Es geht um Phonetik, Semantik, sämtliche Dimensionen von Sprache und Stimme werden durchexerziert. Eine Doku-Kunst-Arbeit stammt von der kroatisch-britischen Künstlerin Katarina Zdjelar und sticht da pointiert heraus. Die zwölf Quadratmeter große Videoprojektion einer Sitzung bei einem Logopäden.
"I was interested in the aspects of voice without words. What do we communicate with our voice in addition to the message that we communicate?"
Wie Babys zu Worten finden. Der Logopäde instruiert einen arabisch wirkenden Teenager, der sein Englisch verbessern möchte. Übungen, die die Besonderheiten der Bildung von Lauten im Englischen betonen. Gebärden deuten die Position von Lippen, Zähnen, Zunge an. Und das funktioniert ohne konkreten Wortsinn. Der Teenager indes trainiert nicht wegen der Schönheit des Englischen, sondern weil er sich – akzentfrei – bessere Chancen am Arbeitsmarkt verspricht.
Sprache und Stimme als Waffe. Die Mehrzahl der Arbeiten ist politisch motiviert. Eine knallige Textprojektion rühmt karikaturistisch die - fiktive - sexuelle Befreiung der Frau in Nordkorea, oder der Schweizer Regisseur Milo Rau inszeniert eine propagandistische Radiosendung als Video-Kammerspiel. Das so genannte "Hate Radio" aus Ruanda.
"Es geht um den Radiosender RTLM, der hat extreme Hasspropaganda gesendet. Mordaufrufe, vermischt mit aktueller Popmusik, Rateshows etc. Milo Rau hat ein Reenactment einer Radiosendung gebaut, was live im originalen Nachbau des Studios aus Kigali gespielt wird."
Als konkrete Anklage gegen Menschenrechtsverletzungen in Ruanda 1994. Wie bei dem "Archiv aussterbender Rassen" bleiben die Stimmen in Erinnerung, nicht Bilder. Das macht die Ausstellung schön deutlich: eine Art Emanzipation von Sprache und Stimme.
Ausschnitte aus einem Audioarchiv, das um 1930 in der damaligen deutschen Kolonie Südwestafrika von – aus heutiger Sicht fragwürdigen - Ethnologen angelegt wurde. Ein "Archiv aussterbender Rassen" entstand so, mit dem Ziel, die Primitivität indigener Völker herauszustellen. Heute sind Sprache und Stamm der Koekhebowap tatsächlich ausgestorben. Das einzige, was geblieben ist, sind diese Sprachfetzen, die jetzt scheinbar allein die Identität dieses Stamms ausmachen, als digitale Medienfiles. Erst 1997 wurde das Archiv wieder entdeckt, digitalisiert, übersetzt. Und im Württembergischen Kunstverein entstand die Neuinszenierung, die jetzt in Dortmund zu hören ist. Eine von 28 Positionen in der Schau "His Master´s Voice". Kuratorin Inke Arns:
"Das Thema ist für mich so ein Herzblut. Wir haben noch nie so viel gesprochen wie heute, im Kontext der neuen Medien. Wir reden immer so vom visuellen Zeitalter. Dabei, ich glaube, es geht gar nicht um Bilder, so sehr, sondern es geht wirklich um Sprache und die Performativität von Sprache. Es geht um Linguistik."
Und darum, wie Sprache und Stimme sich verändern, durch Chatten und E-mailen, Tutorials: emotionale Erklärvideos von Amateuren im Internet. Das Sprechen erweitert und verästelt sich digital.
"Es gibt kleinere und größere und teurere und billigere, neuere, ältere, silberne, schwarze, silberne und schwarze, du musst einfach checken, was abgeht."
Blubbert der Teenager unablässig in dem Video von Stefan Panhans "Sieben bis zehn Millionen". So viele Geräte hat der in einem Elektro Mega Store wohl "abgecheckt". Eine Video, das ironisch abrechnet mit den absurd vielen Optionen, die man bei der Wahl von Medienwiedergabegerätschaften heute hat.
Das Medium ist die Botschaft. Auch der Blick in die Ausstellung wirkt wie ein Sammelsurium sämtlicher verfügbarer Geräte, vom Tablet-PC mit Kopfhörer in der Vitrine bis zur installierten Sounddusche. Hunderte von Stunden kann man hier Medienmaterial hören, wohl der Grund, warum Inke Arns eine "Flatrate" anbietet: Wer einmal Eintritt gezahlt hat, kann kommen, so oft er will. Auch inhaltlich ist man ob der Fülle fast überwältigt. Es geht um Phonetik, Semantik, sämtliche Dimensionen von Sprache und Stimme werden durchexerziert. Eine Doku-Kunst-Arbeit stammt von der kroatisch-britischen Künstlerin Katarina Zdjelar und sticht da pointiert heraus. Die zwölf Quadratmeter große Videoprojektion einer Sitzung bei einem Logopäden.
"I was interested in the aspects of voice without words. What do we communicate with our voice in addition to the message that we communicate?"
Wie Babys zu Worten finden. Der Logopäde instruiert einen arabisch wirkenden Teenager, der sein Englisch verbessern möchte. Übungen, die die Besonderheiten der Bildung von Lauten im Englischen betonen. Gebärden deuten die Position von Lippen, Zähnen, Zunge an. Und das funktioniert ohne konkreten Wortsinn. Der Teenager indes trainiert nicht wegen der Schönheit des Englischen, sondern weil er sich – akzentfrei – bessere Chancen am Arbeitsmarkt verspricht.
Sprache und Stimme als Waffe. Die Mehrzahl der Arbeiten ist politisch motiviert. Eine knallige Textprojektion rühmt karikaturistisch die - fiktive - sexuelle Befreiung der Frau in Nordkorea, oder der Schweizer Regisseur Milo Rau inszeniert eine propagandistische Radiosendung als Video-Kammerspiel. Das so genannte "Hate Radio" aus Ruanda.
"Es geht um den Radiosender RTLM, der hat extreme Hasspropaganda gesendet. Mordaufrufe, vermischt mit aktueller Popmusik, Rateshows etc. Milo Rau hat ein Reenactment einer Radiosendung gebaut, was live im originalen Nachbau des Studios aus Kigali gespielt wird."
Als konkrete Anklage gegen Menschenrechtsverletzungen in Ruanda 1994. Wie bei dem "Archiv aussterbender Rassen" bleiben die Stimmen in Erinnerung, nicht Bilder. Das macht die Ausstellung schön deutlich: eine Art Emanzipation von Sprache und Stimme.