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Emily Carr: „Klee Wyck – Die, die lacht“
Die künstlerische Entdeckung der "First Nations" in Kanada

1941 besaß die indigene Bevölkerung von Kanada kein Wahlrecht und wenig Wertschätzung. Da erregte ein schmales Buch von Emily Carr großes Aufsehen. Die Malerin erzählte ohne Vorurteile von ihren Begegnungen mit den Menschen und der Kultur der „First Nations“ an der Westküste Britisch-Kolumbiens.

Von Eva Pfister |
Buchcover: Emily Carr: „Klee Wyck – Die, die lacht. Reportagen“, im Hintergrund das Haus, in dem Emily Carr aufwuchs
Kanada als Gastland der Buchmesse: Emily Carrs Reportagen: „Klee Wyck – Die, die lacht“, im Hintergrund das Haus, in dem Emily Carr aufwuchs (Buchcover: Verlag Das Kulturelle Gedächtnis,Hintergrund: imago stock&people / Chris Cheadle)
Ein altes Volk an der Westküste von Vancouver Island gab Emily Carr einen neuen Namen: Die Malerin, die so unerschrocken mit Zeichenbrett, Rucksack und einem kleinen Hund durch die Wälder streifte und allen mit ihren Fragen auf die Nerven ging, war für sie "Die, die lacht", in ihrer Sprache: "Klee Wyck". Emily Carr war im frühen 20. Jahrhundert unterwegs, um Totempfähle und andere Relikte der Kultur der First Nations zu dokumentieren, bevor sie gänzlich vom Urwald überwuchert oder zerfallen waren. Wie der Name andeutet, war ihre freundliche Art, den Menschen zu begegnen, wohl ungewöhnlich in jener Zeit, als die indigenen Stämme wenig Wertschätzung erfuhren.
Auf der Suche nach Totempfählen
Emily Carr kam 1871 als Tochter englischer Immigranten in Victoria zur Welt, der Hauptstadt von Britisch-Kolumbien, das gerade in diesem Jahr eine Provinz von Kanada wurde. Ihre Eltern besaßen ein Warenhaus. Nach deren frühem Tod reichte das Erbe, um der fünften Tochter ein Kunststudium zu finanzieren. Emily studierte in San Francisco und London die traditionelle Aquarellmalerei, aber 1910 lernte sie in Paris die spätimpressionistischen Strömungen kennen. Ihre Ölbilder, die sie nach den Skizzen von unterwegs schuf, sind darum keine detailgenauen Abbilder der Totempfähle, sondern farbintensive, oft expressionistisch anmutende Gemälde von starker Atmosphäre. Und so sind auch ihre Reportagen keine ethnologischen Berichte, sondern subjektive Eindrücke einer ihr fremden Welt:
"Unweit des Hauses saß ein großer hölzerner Rabe auf einem eher niedrigen Pfahl; seine Flügel waren flach an den Seiten angelegt. Ein kleines Stück von ihm entfernt ragte ein leerer Pfahl empor. Dort hatte sein Gefährte gesessen, der allerdings schon lange verrottet war und ihn moosbewachsen und vermodert allein zurückgelassen hatte, um über die Knochen der toten Indianer zu wachen. Einstmals hatten diese beiden wunderbaren Vögel rechts und links den Eingang zu einem großen Haus voll toter Indianer bewacht, die bei einer Pockenepidemie ums Leben gekommen waren. Die wuchernde Natur verbarg Haus und Gebeine schon seit langem. Der Regen verwandelte ihren Staub in Schlamm. Diese starken jungen Bäume standen vielleicht gerade wegen der menschlichen Überreste so gut im Saft. Sie wuchsen rund um den angeschlagenen alten Raben, schützten ihn vor den reißenden Winden, jetzt, da er alt war und verfaulte, weil der Regen durch das Moos auf seinen Rücken sickerte und in die Löcher seiner Augenhöhlen tropfte. Die Grabpfähle von Cumshewa waren dunkel und farblos, das Holz stumpf vom strömenden Regen."
Gemälde von Emily Carr im Vancouver Art Gallery (Ausschnitt) - Nur die Stämme der Nordwestküstenindianer in British Columbia und Südalaska pflegten die Holzschnitzkunst und schufen im 19. Jh. eindrucksvolle Totempfähle, die sie je nach Rang vor ihren Behausungen aufstellten.
Gemälde von Emily Carr im Vancouver Art Gallery (Ausschnitt) - Nur die Stämme der Nordwestküstenindianer in British Columbia und Südalaska pflegten die Holzschnitzkunst und schufen im 19. Jh. eindrucksvolle Totempfähle, die sie je nach Rang vor ihren Behausungen aufstellten. (imago images / Harald Lange)
Die Reportagen über die Expeditionen in die Gebiete der indigenen Völker erschienen in Kanada im Jahr 1941 unter dem Titel "Klee Wyck". Emily Carr beschreibt in diesen literarischen Skizzen aber nicht nur die Totempfähle, die verlassenen Häuser und die Landschaft. Immer ist sie selbst mit im Bild, sie und die Menschen, denen sie an diesen Orten begegnete, ja, die ihr überhaupt ermöglichten, dorthin zu kommen.
Emily Carr nennt sie Indianer, und so heißen sie nun auch in der deutschen Übersetzung von Marion Hertle. In Kanada spricht man heute von "First Nations". Jimmy und Louisa sind zwei solche "Indianer", Angehörige des indigenen Volkes der Haidu, die schon vor Tausenden vor Jahren in diesem Regenwald von Britisch-Kolumbien siedelten. Sie nehmen Emily Carr und eine Missionarstochter in ihrem Boot mit auf die Queen-Charlotte-Islands zu ihrem alten Dorf Tanoo. Dort finden sich nur noch Skelette von Häusern und einige Totempfähle.
"Ein hoher, schmaler Pfahl war für Louisas Großmutter errichtet worden. Jemand hatte eine Geschichte in das Holz geschnitzt und Louisa erzählte sie uns beiläufig, als hätte sie sie schon halb vergessen. Vielleicht wusste sie auch Teile davon nicht mehr, aber womöglich war der wahre Grund für ihre Vergesslichkeit auch die Missionarstochter, die bei uns stand. Die Missionare lachten über die Pfähle und nannten sie heidnisch. Am Sockel dieses Pfahls war die Gestalt eines Mannes zu sehen; er trug einen sehr, sehr hohen Hut, der aus mehreren ringförmigen Abschnitten bestand und von großer Ehre zeugte. Ganz oben auf dem Hut saß ein Rabe. Kleine Menschengestalten bevölkerten die Ehrenringe des Hutes bis ganz nach oben. Laut Louisas Erzählung hatte der Mann einen Raben als seinen Sohn angenommen. Doch der Rabe entpuppte sich als böser Schwindler und löste eine Flut aus, die über seine Pflegeeltern hereinbrach. Als das Wasser stieg, kletterten die Neffen und Verwandten des Mannes an den Ringen seines Ehrenhuts hinauf und retteten sich so vor dem Ertrinken. Es war ein schöner Pfahl, die Farbe war ausgebleicht und nun mit grünlich- gelbem Schimmel überwachsen.
Das alte Dorf ihres Volkes muss in Jimmie und Louisa ganz andere Gefühle wachgerufen haben als bei uns. Dagegen waren meine Neugierde und der Spott der Missionarstochter banal. Oft gingen Jimmie und Louisa Hand in Hand für eine Weile weg und unterhielten sich in ihrer Sprache."
Zensur wegen Kritik an Missionaren
Das Buch "Klee Wyck" war bei Kritik und Lesern sehr erfolgreich und wurde 1942 mit dem Governor Generals Award als bestes Sachbuch ausgezeichnet. Daraus darf man jedoch nicht folgern, dass Emily Carrs Sicht auf die First Nations damals schon allgemeiner Konsens war – tatsächlich gab es für die indigenen Völker noch kein Wahlrecht, und ihre Rituale waren verboten. In einer Schulbuchausgabe erschien "Klee Wyck" 1951 in einer zensurierten Fassung. Erst im Jahr 2003 wurde die Originalfassung wieder veröffentlicht, sie liegt jetzt der ersten deutschen Publikation zugrunde, die im Verlag "Das kulturelle Gedächtnis" erschienen ist. In einem aufschlussreichen Vorwort erläutert Kathryn Bridge, die Betreuerin von Emily Carrs Nachlass, wie vor allem jene Textstellen der Zensur zum Opfer fielen, die Kritik an der Haltung der Missionare enthielten. Presbyterianische Missionare waren die ersten Weißen, die sich nach den Pelzhändlern und Goldsuchern in die Wildnis von British Columbia wagten. Sie errichteten Kirchen und Schulen, um das Heidentum zu bekämpfen und den Kindern Ordnung, Sauberkeit und Englisch beizubringen.
In den zensierten Passagen beschrieb Emily Carr das Unverständnis der Missionare für die Indigenen und ihre Kultur, sowie den Druck, den sie ausübten, damit die begabteren Kinder auf Internate kamen. Zum Beispiel in "Freunde", einem Text, in dem wieder Jimmy und Louisa auftauchen:
"Der Missionar sagte: ,Es ist gut für die Indianer, wenn ein Weißer bei ihnen im Haus wohnt; wir befinden uns in einer sehr schwierigen Phase mit ihnen – der Übergang von den alten Sitten zu den neuen. Ich kann Ihnen sagen, es war einfacher, mit Wilden fertig zu werden als mit diesen halbzivilisierten Leuten … im Grunde ist es ganz unmöglich … Ich habe meine Frau und meine Kinder in den Süden geschickt…‘ ,Ist die Schule hier nicht gut?‘ ,Ich kann nicht zulassen, dass meine Kinder so viel mit Indianern zu tun haben.‘ Nach einer langen Pause sagt er: ,Ich möchte Sie bitten, Ihren Einfluss auf Louisa und ihren Mann zu nutzen, damit sie ihre Jungen auf das Gewerbe-Internat für Indianer schicken. Werden Sie das tun?‘, fragte der Pfarrer. ,Nein.‘ Die Augen des Missionars und die seiner Schwester funkelten mich durch ihre Brillen an wie Fischaugen. ,Warum nicht?‘ ,In Louisas Haus gibt es ein adoptiertes Kind, ein fauler, verabscheuenswerter Junge, der sich als Ergebnis dieser Indianer-Schule jetzt für seine indianische Herkunft schämt. Alle von Louisas vielen Kindern sind gestorben, bis auf diese zwei Jungen, und sie sind nicht besonders robust. Louisa weiß genau, wie man sich um sie kümmert – und es gibt eine Schule im Dorf. Dort kann sie sie hinschicken, dann hat sie sie bei sich und sie kann sich während ihrer kurzen Leben um sie kümmern. Warum sollte sie ihre Jungen weggeben?‘"
Schwierige Künstlerkarriere
Emily Carr konnte sich gegen die Eingriffe in ihre Texte nicht mehr wehren. Sie war schon 1945 gestorben im Alter von 74 Jahren. Von ihrem großen Ruhm erlebte sie nur die ersten Anfänge, davor glich ihr Leben als Künstlerin einem Hindernislauf. Als sie 1912 zum ersten Mal die Ölbilder von den Totempfählen und dem Regenwald der Öffentlichkeit zeigte, stieß ihre moderne Malweise auf Unverständnis; sie konnte kaum etwas verkaufen. So investierte Carr das Erbe ihrer Eltern in ein Gästehaus. Aber die Vermietung lief schlecht, die Künstlerin konnte sich keine Angestellten leisten und musste die Arbeit ganz allein machen, bis hin zum Putzen.
Haus von Emily Carr in James Bay, Victoria
Haus von Emily Carr in James Bay, Victoria (All Canada Photos)
Erst 1927 brach eine bessere Zeit für Emily Carr an: sie nahm an einer Ausstellung der National Gallery of Canada teil und erfuhr die Unterstützung der "Gruppe der Sieben", eines Künstlervereins, der sich für moderne Malerei einsetzte. Eine zweite Schaffensperiode setzte ein, in der Carr auch mit kubistischen und konstruktivistischen Elementen arbeitete, ohne wirklich abstrakt zu malen, denn, wie sie selbst erklärte, war sie zu sehr der Erde verhaftet mit ihren Formen und ihrer Pflanzenwelt, mit ihrem Licht und den Farben. Diese Faszination ist auch in ihren Texten zu spüren, etwa im Porträt ihrer Indianerfreundin Sophie:
"Im Mai, wenn das Dorf vor Kirschblüten ganz weiß war und das blaue Wasser des Burrard Inlet fast bis an Sophies Türschwelle kroch – nur ein Streifen grauer Sand und ein Plankenweg trennte den Fjord noch davon –, wenn es viel schöner war, Vancouver über das Wasser zu betrachten, als sich in der Stadt aufzuhalten – dann nahm ich die Fähre zum North Shore am liebsten, um Sophie zu besuchen. Hinter dem Dorf erhob sich eine Bergkette, die von den zwei alten "Löwen" gekrönt wurde, und diese Zwillingsspitze, leuchtete sehr weiß und blau. Die näherliegenden Berge zeigten alle Schattierungen von frischem Blattwerk, angefangen mit zartem Graugrün wurden sie immer grüner und grüner bis man beim Näherkommen sah, dass das Dorfgras jedes andere Grün übertraf.
Literarische Skizzen für den kanadischen Rundfunk
Bis Mitte der 30er-Jahre reiste Emily Carr durch Britisch-Kolumbien, sie besaß einen Caravan, den sie "Elefant" taufte, und der ihr und ihren Malutensilien ebenso Platz bot wie ihren Hunden und Affen, mit denen sie ständig zusammenlebte. 1937 erlitt sie einen ersten Herzinfarkt, und als sie nicht mehr malen konnte, begann sie auf der Basis ihrer alten Notizbücher literarische Skizzen zu schreiben, die zuerst im Rundfunk gesendet wurden.
"Ich kannte keine Regeln fürs Schreiben. Ich stellte zwei für mich selbst auf. Sie entsprachen in etwa meinen Prinzipien beim Malen: Komm so direkt zum Punkt wie möglich; verwende nie ein großes Wort, wenn ein kleines genügt."
So entstand die Sammlung "Klee Wyck" und danach weitere Bücher mit autobiographisch geprägten Skizzen, die bisher nur auf Englisch vorliegen. Durch die Rundfunkarbeit wurde Emily Carr in Kanada einem breiten Publikum bekannt. Ihr malerisches Werk wurde nach ihrem Tod als wichtiger Beitrag zum nationalen Erbe angesehen. Aber in den 70er-Jahren begann eine neue Rezeption, in der man sie verstärkt auch als Schriftstellerin wahrnahm. Margret Atwood erwähnt sie in ihrem 1972 erschienen Buch "Survival", einer Einführung in die kanadische Literatur. Im Unterschied zu anderen weißen Autoren, so schreibt Atwood, hätte Carr die Menschen der First Nations nicht als Projektionsfläche benutzt, die mit Angst oder Sehnsucht besetzt war. Bei ihr gebe es keine Indianer als kraftvolle Bändiger der Natur – und auch keine gefährlichen Barbaren.
Tatsächlich beschreibt Emily Carr die indigenen Menschen in ihrem Sosein, ohne Wertung und auf Augenhöhe. Mit einigen war sie befreundet, wie mit Sophie, die sie kennenlernte, als sie ihr einen Korb abkaufen wollte, aber aus Geldmangel nur mit Kleidern bezahlen konnte. So kam sie zum ersten Mal zu ihr nach Hause in ein "Indianerreservat".
"Der Boden des Hauses war sauber geschrubbt. Er war Sitzgelegenheit, Tisch und Bett für die Familie. Es gab einen Stuhl; die Petroleum-Lampe stand darauf. Sophie schob die Kinder in die Ecken, breitete meine alten Kleider auf dem Boden aus, um sie zu begutachten und war zufrieden. Mit diesem in beiderseitigem Einvernehmen geschlossenen Handel begann eine lange, über vierzig Jahre währende Freundschaft. Ich habe Sophie glücklich, traurig, krank und betrunken gesehen. Ich habe sie gefragt, warum sie dieses oder jenes tat – ließ mir indianisches Verhalten, das ich nicht verstand, erklären – und ihre Antwort war stets: 'Nette Frauen machen das so.' Das war Sophies Ideal: nett sein! Jedes Jahr bekam Sophie ein Baby. Und beinahe jedes Jahr trug sie eines zu Grabe. Die kleinen Gräber waren über den ganzen Friedhof verstreut. Nie waren mehr als drei ihrer einundzwanzig Kinder gleichzeitig am Leben. Als Sophie Anfang fünfzig war, waren alle ihre Kinder tot und sie hatte keine Tränen mehr. Sie begann zu trinken."
Emily Carr als feministische und nationale Ikone Kanadas
1979 erschien eine erste ausführliche Biographie über Emily Carr, die nun auch von der Frauenbewegung entdeckt wurde: als Vorbild einer selbständigen Frau, die sich mit Mut und Abenteuerlust in die Wildnis wagte, sowie einer unabhängigen Künstlerin, die auch in ihrem Werk einen starken Fokus auf die Frauen setzte. Carr malte und beschrieb ihre Zeitgenossinnen der First Nations und sie schilderte mit ebenso großer Faszination die magische Ausstrahlung von weiblichen mythischen Figuren. Zum Beispiel von der Göttin D’Sonoqua – der wilden Frau der Wälder:
"Ihr Kopf und Rumpf waren in den Stamm einer Rotzeder geschnitzt. Sie schien Teil des Baumes zu sein, so als sei sie aus seinem Herzen erwachsen, und der Schnitzer hatte nur die äußere Schicht abtragen müssen, um sie freizulegen. Ihre Arme standen heraus, waren am Stamm befestigt und weit aufgeworfen in einer runden, verlockenden Bewegung. Ihre Brüste waren zwei strenge, geschnitzte Adlerköpfe. … Die Augen waren zwei schwarze Kreise, die von zwei größeren, weißen Kreisen umrahmt wurden, und die in tiefen Augenhöhlen unter breiten, schwarzen Augenbrauen lagen. Ihr starrer Blick bohrte sich in mich, als musterte mich das Leben der alten Zeder selbst, und es wirkte, als könnte die Stimme des Baumes aus ihrer großen runden Mundhöhle mit den vorstehenden Lippen hervorquellen. Ihre Ohren waren rund und standen ab, um alle Geräusche einzufangen. Die salzige Luft hatte das Rot ihres Rumpfes, ihrer Arme und Beine nicht ausgebleicht. Ihre Hände waren schwarz, die stumpfen Fingerspitzen strahlend weiß bemalt. Sehr lange stand ich da und betrachtete sie.
… ihr Starren war so viel mächtiger als meines, dass ich meine Augen kaum aus der Umklammerung dieser leeren Augenhöhlen reißen konnte. Die Macht, die ich spürte, lag nicht in dem Ding selbst, sondern in einer ungeheuerlichen Kraft, an die der Schnitzer geglaubt hatte."
Die kanadische Künstlerin Emily Carr auf einem undatierten Foto
Die kanadische Künstlerin Emily Carr auf einem undatierten Foto (The Canadian Press)
Emily Carr hatte durchaus Sinn für Spiritualität, und ihr Verhältnis zur Natur und zu den First Nations war nicht ganz frei von Romantisierung. Dass sie dabei aber bodenständig blieb, und nie die Realität vergaß, macht ihre besondere Stellung als Künstlerin aus. Heute ist sie in Kanada eine Ikone. Gefragt, welche Frau sie gerne auf einer kanadischen Banknote sehen würde, antwortete Margaret Atwood: Emily Carr. In den Museen wird ihr Werk hoch in Ehren gehalten, und die Kunsthochschule von Vancouver trägt ihren Namen. Auf der Kasseler documenta von 2012 waren erstmals in Deutschland Bilder von Emily Carr zu sehen - und jetzt ist "Die, die lacht" - "Klee Wyck" - auch im deutschen Literaturbetrieb angekommen.
Emily Carr: "Klee Wyck – Die, die lacht. Reportagen"
aus dem kanadischen Englisch von Marion Hertle
mit einem Vorwort von Kathryn Bridge
herausgegeben von Peter Graf
Verlag Das Kulturelle Gedächtnis, Berlin. 176 Seiten, 20 Euro.