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Emissionshandel
"Keine Anreize für Investitionen in Klimaschutz"

Zur Begrenzung des CO2-Ausstoßes will die EU die Verschmutzungsrechte verknappen. Es seien zu viele dieser CO2-Zertifikate ausgegeben worden, sagte Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung im DLF. Dadurch hätten Investitionen in den Klimaschutz keinen Reiz. Die EU reagiere zu spät.

Claudia Kemfert im Gespräch mit Stefan Römermann |
    Wasserdampfschwaden steigen aus den Kühltürmen des Braunkohlekraftwerkes der Vattenfall AG in Jänschwalde (Brandenburg). (Aufnahme von 2015)
    "Der Markt wurde mit internationalen Zertifikaten überschwemmt", so Claudia Kemfert vom DIW. (picture alliance / dpa/ Patrick Pleul)
    Stefan Römermann: Ein Kompromiss soll den Emissionshandel wieder in Schwung bringen und die Industrie zu mehr Klimaschutz bewegen. Das EU-Parlament hat ihn gestern beschlossen. Dabei sollen vor allem die Verschmutzungsrechte, die sogenannten CO2-Zertifikate, künstlich verknappt werden. Ob das wirklich hilft, darüber möchte ich jetzt sprechen mit Claudia Kemfert, Energieökonomin am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Frau Kemfert, bevor wir jetzt richtig tief einsteigen - das Kernstück dieser neuen Regeln ist ja offenbar die Marktstabilitätsreserve. Können Sie vielleicht noch mal kurz für Laien erklären, was das ist und wie das funktionieren soll?
    Claudia Kemfert: Ja gerne, Herr Römermann. Es ist die Idee dahinter, dass man die überschüssigen Zertifikate - es gibt ja zu viele Zertifikate im Markt -, dass man die überführt in die sogenannte Marktstabilitätsreserve, die dann so funktioniert wie eine Art Zentralbank. So muss man sich das vorstellen. Wenn es zu viele Zertifikate gibt, wird ein Überschuss in diese Reserve überführt. Und umgekehrt, sollte es zu wenige geben, wird dann auch umgekehrt agiert. Das ist die Idee dahinter und jetzt versucht man, über diese Kompromisslösung den Markt wieder funktionsfähig zu machen. Das heißt, dass der Preis für CO2 wieder steigen soll.
    Abwarten, wie stark der Überschuss vermindert werden kann
    Römermann: Und ist das denn tatsächlich jetzt auch sicher, dass der Preis wirklich steigt?
    Kemfert: Nein, sicher ist das ganz bestimmt nicht, weil es geht ja darum, dass man jetzt erst mal diese gigantischen Überschüsse etwas abbaut, die sich angesammelt haben in den letzten Jahren mit über zwei Milliarden Tonnen CO2. Davon schöpft man jetzt etwas ab und hat auch schon einige Zertifikate beiseitegelegt, die dann jetzt auch in diese Reserve überführt werden. Das Ganze wird ab 2019 beginnen und dann muss man sehen, wie stark dieser Überschuss sich überhaupt vermindern kann. Darum geht es ja. Das heißt, Preisreaktionen wird man jetzt erst mal auch nicht in einer größeren Größenordnung sehen, vielleicht etwas, aber nicht in der Größenordnung, wie man es eigentlich bräuchte, um wirklich auf klimaschonende Technologien umzuschwenken.
    Römermann: Die Reform tritt jetzt 2019 in Kraft. Reicht das, oder ist das schon wieder zu spät?
    Kemfert: Im Grunde ist es viel zu spät, aber es ist erst mal besser als nichts. Zu spät ist es, weil wir ja schon seit Jahren jetzt damit kämpfen, dass der Preis für CO2 so niedrig ist, weil wir ja seit Jahren Überschüsse immer weiter anhäufen und der Markt überschwemmt wurde auch mit internationalen Zertifikaten. Man hat zu viele Zertifikate verteilt und all das hat dazu geführt, dass der Emissionshandel zwar funktioniert, aber es keine Anreize gibt, in klimaschonende Technologien zu investieren. Deswegen muss man agieren und insofern ist es spät, nicht zu spät, aber besser als nie.
    Römermann: Claudia Kemfert - eine kurze Einschätzung von der Energieökonomin am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Vielen Dank für das Gespräch.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.