Stefan Römermann: Morgen beginnt der EU-Klimagipfel. Dabei soll es unter anderem um die Ziele für die Klima- und Energiepolitik bis 2030 gehen. Wie ambitioniert diese Ziele genau werden, darüber wird momentan noch fleißig gerungen. Fest steht aber wohl schon jetzt, dass die EU vor allem auf den Emissionshandel setzen möchte, um den CO2-Ausstoß zu begrenzen. Darüber möchte ich jetzt sprechen mit Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Sie ist Expertin für Energiewirtschaft und Nachhaltigkeit. Frau Kemfert, wie teuer ist es denn, wenn ich eine Tonne CO2 in die Luft blasen möchte. Was muss ich da so bezahlen?
Claudia Kemfert: Im Moment sehr wenig. Der Emissionshandel funktioniert ja leider nicht, weil wir zu viele Zertifikate im System haben. Es gibt einen Überschuss an Angebot und die Nachfrage ist sehr gering. Derzeit zahlt man - ich habe jetzt heute nicht reingeschaut - ungefähr sechs Euro pro Tonne CO2, und das ist viel zu niedrig, um wirklich finanzielle Anreize zu geben, in eine klimaschonende Investition hineinzugehen.
Kemfert: Kosten pro Tonne CO2 müssten steigen
Römermann: Wie teuer müssten denn die Zertifikate sein, damit es wirklich was bringt?
Kemfert: Damit es wirklich was bringt, müssten sie deutlich steigen. Wir haben errechnet, dass wir mindestens 20, aber sogar bis zu 40 Euro pro Tonne CO2 benötigen müssten oder haben müssten, um Investitionen in klimafreundliche Technologien zu bekommen, insbesondere auch nicht mehr in die Kohle hineinzugehen und auch nicht mehr so viel Kohle zu verfeuern. Dafür bräuchte man mindestens einen CO2-Preis von 40 Euro pro Tonne CO2, und davon sind wir sehr, sehr weit entfernt. Selbst mit den jetzt vorgeschlagenen Reformen wird man diesen Preis sicherlich nicht erreichen können.
Römermann: Was müsste man denn Ihrer Meinung nach tun, um den Emissionshandel jetzt endlich auf Trab zu bringen und ihn tatsächlich auch zu einem wirkungsvollen Instrument im Klimaschutz zu machen?
Kemfert: Um ihn wirklich wirkungsvoll zu machen, müsste man die überschüssigen Zertifikate aus dem System herausnehmen, also nicht nur die jetzt anvisierten Zertifikate, sondern über zwei Milliarden Tonnen haben wir zu viel im System. Dann muss die Emissionsobergrenze, das sogenannte Cap, deutlich früher angepasst werden. Man will ja jetzt auf EU-Ebene ab 2021 reagieren; das ist viel zu spät. Hier hat die Bundesregierung eigene Vorschläge schon gemacht, dass man früher damit beginnt, also 2017, und das ist auch absolut sinnvoll, dass man dann schon die überschüssigen Zertifikate auch dauerhaft aus dem System herausnimmt und nicht ankündigt, die kommen dann irgendwann wieder, denn die Marktakteure antizipieren das und damit reagiert der Preis nicht und der Emissionshandel kann auch nicht wirkungsvoll funktionieren.
Mindestpreis für CO2
Römermann: Es gab auch den Vorschlag, dass man eine Art Mindestpreise festlegen sollte für die Emissionszertifikate. Wäre das vielleicht eine Lösung und wie ließe sich das umsetzen?
Kemfert: England macht derzeit so etwas, dass es einen Mindestpreis für CO2 einführt. Das geht rein theoretisch, ist aber nicht im Sinne des Emissionshandels, sage ich jetzt mal, sondern das ist dann auch wirklich wieder ein eigener Schritt, der im Moment in einzelnen Ländern vorangebracht wird. Wichtig wäre es, dass man in der Tat über den Emissionsrechtehandel einen Preis generiert, und das geht schon, indem man den Emissionshandel reparieren würde. Ein Mindestpreis ist rein theoretisch auch möglich, dass man so etwas anvisiert, aber schwer zu verbinden mit dem jetzigen Emissionsrechtehandel. Insofern sollte man doch erst mal wirklich alles tun, um den Emissionsrechtehandel zu reparieren.
Römermann: Müsste der eventuell auch noch auf weitere Bereiche ausgedehnt werden? Es ist ja zum Beispiel der Verkehrssektor bisher, glaube ich, komplett ausgenommen.
Kemfert: Ja. Rein theoretisch ist das durchaus machbar und auch möglich. Der Verkehrssektor will das sogar jetzt selber oder unterstützt das jetzt sogar auch selber. Aber das ist natürlich etwas, was sehr kompliziert ist in der praktischen Umsetzung. Aber von der Theorie her, muss man sagen, ist das immer der richtige Weg, dass man auch den Verkehrssektor und alle Sektoren mit einbezieht, dass man möglichst auch viele Länder auch international mit einbezieht. Da sind wir jetzt im Moment allerdings nicht. Jetzt haben wir den Emissionsrechtehandel, der funktioniert für die Energiewirtschaft und für die Industrie, und man kann jetzt überlegen, dass man auch noch im Verkehrssektor diesen mit einbezieht. Grundsätzlich falsch ist es nicht. Ich halte es nur derzeit für wenig praktikabel.
Man sollte die überschüssigen Zertifikate sehr viel früher rausnehmen
Römermann: Die Frage wäre noch: Es scheint jetzt in der Diskussion zu sein, dass die Emissionen jährlich um 2,2 Prozent sinken. Reicht das Ihrer Meinung nach aus, um die, ich sage mal, doch relativ ambitionierten Ziele zu erreichen, oder müsste da noch mehr passieren?
Kemfert: Es müsste deutlich mehr passieren. Das reicht überhaupt gar nicht aus. Man wird damit kaum erreichen, dass der Preis deutlich steigen wird. Zudem kommt das auch viel zu spät. Man müsste diesen Schritt sehr, sehr viel früher tun. Die EU will das ja 2021 erst starten, aber man sollte die überschüssigen Zertifikate sehr viel früher rausnehmen, auch diesen Cap, den Sie ansprechen, die Emissionsminderung deutlich früher senken, und zwar deutlich über dieses Niveau hinaus. Denn wir dürfen ja nicht vergessen: Wir haben in Europa uns vorgenommen, die Treibhausgase bis zum Jahr 2050, um 80 Prozent zu senken. Das wird man mit dem jetzt anvisierten Plan, auch mit dieser Emissionserhöhung nicht erreichen können. Insofern muss man hier sehr viel mehr tun und nicht nur bei den Emissionen für deutlich höhere Ziele eintreten, nämlich deutlich höher als diese 40 Prozent, die man jetzt angesprochen hat, um das zu erreichen.
Römermann: Frau Kemfert, vielen Dank für das Gespräch. Ich muss Sie an der Stelle leider unterbrechen.
Kemfert: Sehr gerne.
Römermann: Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung - vielen Dank nach Berlin.
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