"If I give the promise to Ukraine, 'we stand with you as long as you need us', then I want to deliver. No matter what my German voters think, but I want to deliver to the people of Ukraine." Das ist der Satz, mit dem die Außenministerin den Twitter-Sturm ausgelöst hat. Übersetzt könnte man sagen: "Wenn ich der Ukraine verspreche, dass wir sie unterstützen, so lange sie uns braucht, dann möchte ich das auch einhalten. Egal was meine deutschen Wähler denken, ich will das Versprechen den Menschen in der Ukraine gegenüber einhalten".
Geschnittenes Video und falsches Zitat
Es gehört zu den Grundsätzen der repräsentativen Demokratie, dass eine gewählte Politikerin ihrem Gewissen verpflichtet ist - und nicht dem, was Wählerinnen und Wähler gerade denken. Dennoch sorgt Baerbocks Formulierung für heftige Empörung. Kurz nach der Podiumsdiskussion wurde ein Ausschnitt aus Baerbocks Redebeitrag in den sozialen Medien verbreitet, etwa in Telegram-Gruppen und auf Twitter. Das Video, das zwei Redeabsätze der Politikerin durch einen Schnitt inhaltlich miteinander verknüpft, wurde binnen weniger Stunden tausendfach geteilt und gelikt.
Bei Betrachtung der Tweets fällt auf, dass viele augenscheinlich pro-russische Accounts den Beitrag geteilt und teilweise mit einem falschen Zitat versehen haben. Zusammengefasst und übersetzt wurde die Aussage Baerbocks darin so: "Ich werde die Ukraine an die erste Stelle setzen, 'egal was meine deutschen Wähler denken' oder wie schwer ihr Leben wird".
Rücktrittsforderungen aus der AfD
Auch Politiker von AfD, CDU und Linken gingen darauf ein. Die AfD-Vorsitzende Weidel schloss sich den Rücktrittsforderungen an Baerbocks Adresse an und twitterte: "Wer ausdrücklich auf die Interessen der Wähler in Deutschland pfeift, hat in einem Ministeramt nichts mehr verloren".
Die Linken-Bundestagsabgeordnete Dagdelen kritisierte auf Twitter, eine Außenministerin, die nach dem Motto "Ukraine first, Bürger egal" handle, sei ein "Totalausfall".
Und der CDU-Außenpolitiker Röttgen bescheinigte der Außenministerin einen "Schein-Heroismus", weil die Mehrheit der Deutschen zur Unterstützung der Ukraine bereit sei. "Demokratische Politiker müssen versuchen, die Anderen mit guten Argumenten zu überzeugen und nicht mit Basta", kommentierte Röttgen bei Twitter.
Auswärtiges Amt spricht von gezielter Desinformation
Das Auswärtige Amt reagierte auf die Entrüstung in den sozialen Medien mit dem Vorwurf, es handle sich um gezielte Desinformation. Es verbreitete einen Twitter-Kommentar des Ministeriumsbeauftragten für strategische Kommunikation, Ptassek. Darin heißt es: "Der Klassiker: Sinnentstellend zusammengeschnittenes Video, geboostert von pro-russischen Accounts und schon ist das Cyber-Instant-Gericht fertig, Desinformation von der Stange. Ob wir uns so billig spalten lassen? Glaube nicht".
Die Grünen-Vorsitzende Lang bezeichnete die auf Twitter verbreiteten Aussagen als "aus dem Kontext gerissen" und betonte, man müsse sich genau überlegen, ob man sich an russischer Propaganda und rechten Kampagnen beteiligen wolle.
Die SPD-Politikerin Chebli twitterte, die Kampagne gegen Baerbock zeige, wie wichtig der Kampf gegen Desinformation sei. Sie bedrohe das Zusammenleben und die Demokratie.
Den kompletten Redebeitrag von Außenministerin Baerbock können Sie hier einsehen (YouTube-Link, Zeitmarker 1:24:33).