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En Sommernachtsdroom

Das Hamburger Ohnsorg-Theater ist umgezogen und hebt den Vorhang nun in eimen neuen Haus. Zur Erföffnung gab es Shakespeares "Ein Sommernachtstraum" - natürlich "op Platt".

Von Hartmut Krug |
    Shakespeares "Ein Sommernachtstraum" hat natürlich nichts zu tun mit den Schenkelklopf-Klamotten, mit deren Fernsehfassungen sich das Ohnsorg-Theater ein deutschlandweites Publikum gewonnen hat. Und die plattdeutsche Fassung der Shakespearschen Komödie, mit der das neue Haus des Ohnsorg-Theaters eröffnet wurde, ist wirklich in Platt, - und nicht wie die Fernsehaufzeichnungen im massenkompatibel abgeschliffenen Missingsch.
    Kurt Tucholsky sagte: "Missingsch ist das, was herauskommt, wenn ein Plattdeutscher hochdeutsch sprechen will. Er krabbelt auf der glatt gebohnerten Treppe der deutschen Grammatik empor und rutscht alle naselang wieder in sein geliebtes Platt zurück."
    Nein, Shakespeare wurde wirklich auf Plattdütsch gesnackt. Wenn Theseus, der Herzog von Athen, in Schlegels Übersetzerworten das Stück eröffnet, klingt das so:

    "Nun rückt, Hippolyta, die Hochzeitsstunde mit Eil heran ... ."

    Auf Platt klingt dies statt poetisch verzärtelt recht erdgebunden und direkt:

    "Süh, smuck Hippolyta, uns Hochtietsstünn treckt fix nu ran ... .festlich Pracht."

    Ja, es wurde nur Platt geredet, - auf der Bühne. Die Reden zur Eröffnung des schicken neuen Theaters im Bieberhaus, einem Kontorhaus von 1909 direkt neben dem Vorplatz des Hauptbahnhofs und schräg gegenüber vom Schauspielhaus, sie wurden auf Hochdeutsch gehalten, und in der Pause hörte man im verglasten Foyer kein einziges plattdeutsches Wort. Das Ohnsorg-Theater ist ein Phänomen: Während immer weniger Menschen Platt sprechen, wollen es immer noch viele im Theater hören. Um Zuschauerzuspruch braucht sich das (neben der Schweriner Fritz Reuter Bühne) einzige plattdeutsche Theater Deutschlands bei einer Auslastung von stets über 90 Prozent nicht zu sorgen. Gegründet von Richard Ohnsorg im Jahr 1902, residierte es seit 1936 in den Großen Bleichen, mitten im zentralen Einkaufs- und Büroareal Hamburgs. Die vorzeitige Auflösung des dortigen Mietvertrages hat sich eine Baugesellschaft mit dem Einbau des Theaters in das Bieberhaus (Baukosten: 14,5 Millionen) erkauft.

    Und so waren alle glücklich bei der Premiere, auch der lobredende Oberbürgermeister. Das über vier Stockwerke reichende, eine kleine Studiobühne und den großen Saal für 412 Zuschauer in Parkett und Rang umfassende Theater ist ein Schmuckstück.
    In dem zum Auftakt Shakespeare von Regisseur Michael Bogdanov nicht platt gemacht wurde, um dieses, nun ja, schlichte Wortspiel zu wagen. Zu erleben war eine handwerklich solide und schauspielerisch ansehnliche Inszenierung. Bogdanov inszeniert die zeitlose Liebesverwirrkomödie, ohne psychologische und gendermäßige Tiefenbohrungen zu versuchen. Zwar besitzt der Herzog einen Bodyguard mit Sonnenbrille und Pistole, die jungen Leute tragen Turnschuhe und ein Paar radelt im Athener Wald hintereinander her und voreinander weg, - mehr aktualisierende Anspielungen aber gibt es nicht. Die verwirrten Streitereien der vier jungen Leute stehen im Mittelpunkt und werden sportiv, direkt und sehr komisch gegeben, von vier wunderbar gegeneinander abgesetzten Typen. Hier gibt das Plattdeutsche den Figuren und der Handlung eine Lebendigkeit, die nie derb, sondern stets zupackend deutlich, witzig und frisch wirkt.

    Die Aufführung bedient den Zuschauer mit darstellerischer und sprachlicher Selbstverständlichkeit, ohne auf Poesiererei und Posiererei zu setzen. Schade nur, dass sich die laientheatrige Handwerkerschar um einen schön aufgedrehten Zettel nicht sonderlich in den Vordergrund zu spielen vermag. Zwar bietet sie uns einige unterhaltsame Spielsituationen dar, wirkt dabei insgesamt mehr nett als komödiantisch virtuos.

    Die Szenen mit der Elfenkönigin Titania, im Blätterregen auf fast leerer weißer Bühne, sind von deutlichen sexuellen Anspielungen bestimmt. Da will Titania Zettel unbedingt hoch kriegen und schwebt, auf dem eselsköpfigen Zettel sitzend heftig kopulierend, zum Hochzeitsmarsch in den Himmel, um sich später mächtig erschöpft und derangiert an ihr Lager leiten zu lassen.

    Puck ist ein selbstbewusster junger Mann (Erkki Hopf) im weißen Kapuzendress, ein Typ von heute. So unangestrengt wie die ganze Inszenierung, die von einem Quintett, seitlich vor der Bühne sitzend, live begleitet wurde. Was der Aufführung fehlt, ist Härte, ist die Dunkelheit, ist die existenzielle Verwirrtheit, in die die Menschen zeitweilig fallen. Aber man kann der heftig umjubelten Aufführung ob ihrer Harmlosigkeit nicht böse sein, weil sie mit einigen ungemein ansehnlichen Schauspielern immerhin einen Klassiker auf unterhaltsame und theatralisch niveauvolle Weise darbietet.

    Schales Schenkelklopf-Volkstheater, wie man es in der Vergangenheit vom Ohnsorg-Theater aus dem Fernsehen gewohnt ist, war das nicht. Ohnehin ist der Spielplan durchaus nicht von allerleichtester Kost bestimmt: In den letzten Jahren gab es nicht nur den Faust, sondern auch "Utmustert", also Arthur Millers "Tod eines Handlungsreisenden". Und im neuen Haus sind unter anderem "Ladykillers", Feydeaus "De Floh in't Ohr", aber auch das Musical "De lütte Horrorladen" geplant. Neues Volkstheater auf Platt eben.