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Ende des Steinkohlenbergbaus
Neue Chancen unter Tage

Wenn Ende 2018 die letzten Zechen schließen, beginnt im Ruhrgebiet die Nachbergbau. Teile der Stollen werden mit Wasser volllaufen und müssen engmaschig kontrolliert werden. Die außergewöhnlichen Bauten unter Tage bieten aber auch Chancen - besonders für die Energiegewinnung.

Von Veronika Fritz |
    Bergleute gehen in 1200 Metern Tiefe im Bergwerk durch einen Gang.
    Steinkohlenzeche Prosper Haniel in Bottrop (dpa/picture alliance/ Federico Gambarini)
    Wer unter Tage fahren möchte, muss sich vorher komplett umziehen. Alles, was irgendwie Funken erzeugen könnte, muss oben bleiben. Denn der Boden im Bergwerk Prosper-Haniel hat einen hohen Methangehalt – ein ungiftiges, aber leicht brennbares Gas. Aufnahmegeräte, Handys, Uhren und alle synthetischen Materialen dürfen also nicht mit in die Grube. Stattdessen bekommt jeder weiße Schutzkleidung.#
    "Hinter Ihnen sind die Kabinen, da werden Sie sich gleich umziehen, da hängt alles schon drin, alles anziehen, was auf dem Bild drauf ist, Jacke, Hose hängt auch schon drin und Helm und Wasser bekommen Sie gleich auch noch, Gehörschutz noch."
    Andreas Böttcher hat selber 26 Jahre unter Tage gearbeitet, jetzt geht er mit 49 Jahren in den Vorruhestand. Auf dem Weg zur Grube wird jeder noch mit einer Lampe und einem Kohlenmonoxid-Filter ausgestattet. Dann geht es in einem großen, vergitterten Aufzug in die Tiefe – insgesamt 1200 Meter. Unten sieht es aus wie in einem halbfertigen U-Bahn-Schacht: Hohe halbrunde Gänge, Metallstreben an der Decke und unzählige Kabel an den Wänden. Hier wurde bis vor kurzem Steinkohle gefördert – etwa 6.000 Tonnen pro Tag . Nun steht der sogenannte Walzenschrämmlader zum Fördern der Kohle still und das tonnenschwere Gerät wird Stück für Stück abgebaut und wieder über Tage gebracht. Am Forschungszentrum Nachbergbau in Bochum beschäftigt sich Professor Peter Goerke-Mallet damit, wie der Rückbau von Bergwerken am sinnvollsten durchgeführt werden kann.
    "Das Bergwerk Prosper Haniel schließt ja am Ende des Jahres 2018. Es geht auf dem Bergwerk zunächst mal weiter, indem der Rückbau durchgeführt wird. Die Materialien, die unter Tage eingebaut sind, wie der Schildausbau, die Rohrleitungen, die Bandanlagen, das wird alles ausgeräumt und das Bergwerk wird sozusagen leergeräumt."
    Überwachung aus dem All
    Das leere Bergwerk kann aber nicht einfach so stehen bleiben. Ein Teil des Stollens wird in Zukunft mit Wasser volllaufen. Damit das Wasser aber nicht zu hoch steigt, muss in den Bergwerken in Zukunft ständig gepumpt werden. Der Wasserstand muss dauernd überwacht werden, denn das Grubenwasser darf sich nicht mit dem Grundwasser vermischen. Die Überwachung des Nachbergbaus gehört zu Peter Goerke-Mallets Forschungsgebieten.
    "Wir haben Monitoring unter Tage, also im Bergwerk selbst, auch nach Schließung des Bergwerks sind mittlerweile Systeme installiert, bis hin zum Monitoring aus dem Weltall. Wir nutzen die Satelliten des europäischen Kopernikus-Programms, um festzustellen, was an der Tagesoberfläche ganz großflächig passiert."
    Mithilfe der Überwachung aus dem Weltall hoffen die Wissenschaftler früh auf mögliche Risiken aufmerksam zu werden. Wenn das Wasser im Bergwerk ungleichmäßige Hebungen an der Oberfläche verursacht, könnten schnell Gegenmaßnahmen getroffen werden. Zum Beispiel könnte der Wasserstand in der Grube mit den Pumpen verändert werden. Es gibt aber nicht nur Risiken, die durch den Bergbau entstanden sind, und bis in Ewigkeit überwacht werden müssen. Die außergewöhnlichen Bauten unter Tage bieten auch Chancen. Prof. Christoph Dauber forscht an der Technischen Hochschule Georg Agricola in Bochum an Möglichkeiten zur Energiegewinnung unter Tage.
    "Grubenwasser enthält ja Energie: Erdwärme, die wir sonst nutzen, und das ist natürlich auch eine Chance, die wir jetzt schon bereits nutzen. Ganz spektakuläres Beispiel ist die Beheizung der Gebäude am Standort Zollverein, wo also mit Wärme aus dem Grubenwasser die Gebäude beheizt werden."
    Neue Ideen für die Energiegewinnung
    Die tiefen Bergwerke für Geothermie-Anlagen zu nutzen: Eine Idee, die schon länger erfolgreich umgesetzt wird. In Prosper-Haniel wurde aber noch eine andere Nutzungsmöglichkeit getestet: Aus dem Bergwerk ein Pumpspeicherkraftwerk zu entwickeln. Mit einem Wasserbecken an der Erdoberfläche und einem Becken unter Tage könnte ein Wasserkraftwerk Energie speichern. An sonnigen und windigen Tagen könnte überschüssiger Strom aus erneuerbaren Energien das Wasser hochpumpen. Bei Energiebedarf könnte dieses Wasser den Schacht hinunterrauschen, Turbinen antreiben und damit Strom erzeugen.
    "Die entsprechenden technischen Recherchen haben ergeben: Das ist machbar. Im Moment scheitert das an wirtschaftlichen Zusammenhängen, Speicherenergie ist zu billig damit ist das Projekt im Moment wirtschaftlich tot, was ich sehr bedaure, weil wir uns dort einer Option hinsichtlich der Speicherung von Energie berauben."
    Der Erlös durch die gespeicherte Energie ist momentan zu gering – es finden sich also keine Investoren für das Projekt. Dauber hofft, dass sich die Umstände innerhalb des nächsten Jahres noch ändern. Ansonsten werden die Schächte in Prosper-Haniel zugeschüttet und eine Nutzung als Pumpspeicherkraftwerk ist nicht mehr möglich. Momentan ist eine Flutung und Verfüllung das wahrscheinlichste Schicksal für Prosper-Haniel. Die Schließung des letzten Steinkohlebergwerks in Deutschland bedeutet aber nicht das Ende des Bergbaus. Darauf weist Peter Goerke-Mallet hin.
    "Wir brauchen alle Rohstoffe. Wir Menschen brauchen in unserem Leben Tausend Tonnen Rohstoffe. Und diese Rohstoffe wollen wir möglichst nachhaltig gewinnen. Wir beschäftigen uns ja intensiv mit dem Bergbau-Lebenszyklus, der mit der Exploration beginnt, mit der Gewinnungsphase sich fortsetzt und in die Nachbergbauphase übergeht."
    Auch in Deutschland wird weiterhin Bergbau betrieben. Über Tage und Unter Tage. Insgesamt werden in Deutschland jährlich über 700 Millionen Tonnen Rohstoffe abgebaut – hauptsächlich Sand und Kies, aber auch Salz, Braunkohle und Gips. Nur die Steinkohle gehört jetzt nicht mehr dazu.