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Ende einer New Yorker Legende
Das Inventar des "Four Seasons" wurde versteigert

US-Präsidenten durften im "Grill Room" Platz nehmen. Wer nicht so bedeutend war, musste sich mit einem Tisch in "Sibirien" zufriedengeben: Das legendäre New Yorker Restaurant "Four Seasons" hat Geschichte geschrieben. Sein Interieur kam nun unter den Hammer.

Von Jürgen Kalwa |
    Geschirr und anderen Gebrauchs- und Einrichtungsgegenstände aus dem Restaurant "Four Seasons" in New York werden versteigert. Der Besitzer musste wegen hoher Mieten aufgeben.
    Alles wurde versteigert - auch die Teller, von denen einst US-Präsidenten im "Four Seasons" aßen. (picture alliance/dpa/Christina Horsten)
    Man saß in zwei Räumen mit sechs Meter hohen Decken und ebenso hohen Fenstern. Das Essen war gut. Aber die Gesellschaft noch viel besser. Denn wer ins "Four Seasons” kam, der wollte nicht einfach nur essen gehen. Der wollte sich als Teil der Upper Class von New York fühlen. Wollte sehen und gesehen werden, sagt Richard Wright, der Auktionator und Spezialist für Interior Design und Möbel. "Es wurde 1959 eröffnet und war ein Emblem für Amerikas Macht und den Optimismus jener Zeit. Hier entstand damals der Begriff ‘Power Lunch’. Wofür es eine Bastion war. Viele Reiche, Mächtige und Berühmte haben hier gegessen und Hof gehalten.”

    Alle Präsidenten waren hier – außer Nixon

    Viele Anekdoten ranken sich um das berühmte Restaurant, die der Schweizer Gastronom Alex von Bidder gerne zum Besten gibt. Er hat in den siebziger Jahren als Mitarbeiter im "Four Seasons” begonnen und übernahm es vor 21 Jahren als Miteigentümer:
    "Es waren alle Präsidenten hier, außer Nixon. Der berühmteste Besuch, wahrscheinlich: John F. Kennedy."

    Der kam am Abend seines 54. Geburtstags, dem 19. Mai 1962:
    "Er hatte viele Gäste hier, aber hat nicht mit denen gegessen. Er war in einem kleinen Saal und hat ein Turkey Sandwich gegessen und ein Bier getrunken. Und von hier sind sie zum Madison Square Garden gegangen. Und das ist natürlich noch berühmter, weil jemand ‘Happy Birthday’ gesungen hat.”

    Nicht weniger bemerkenswert: die Episode, in deren Mittelpunkt ein namhafter Maler stand, der vor der Eröffnung des Restaurants den Auftrag erhielt, eine Serie von großen flächigen Wandgemälden zu erstellen. Das war niemand anderer als Mark Rothko, der damals allerdings den subversiven Plan ausheckte, etwas zu gestalten, was "jedem Hurensohn, der in diesem Raum isst, den Appetit verdirbt”.
    Julian Niccolini, gemeinsam mit von Bidder Eigentümer des "Four Seasons” – findet die Geschichte heute eher lustig:

    "Er hat in seinem Studio einen Raum gehabt, mit dem er exakt die Atmosphäre des Restaurants nachgebaut hat. Die Bilder hat er nie abgeliefert. Aber das Geld behalten. 50.000 Dollar. 1959 sicher viel Geld. Es waren traurige, dunkle Motive. Ich habe sie mal in Texas gesehen, wo sie jetzt hängen, und dachte: Mein Gott, bin ich froh, dass er die nie abgeliefert hat.”
    Zumal man das Vakuum mit Arbeiten anderer Stars der Kunstszene füllen konnte. Zum Beispiel riesigen Picasso-Wandteppich "Le Tricorne” aus dem Jahre 1919.
    Taxis umkreisen das Seagram-Building in New York. In dem Gebäude residierte das legendäre Restaurant "Four Seasons".
    Teures Pflaster: Im Seagram-Building residierte das "Restaurant Four Seasons". Die Besitzer mussten wegen explodierender Mieten aufgeben. (picture alliance/dpa/Christina Horsten)

    Ein Meister der Atmosphäre

    Wie man in diesem Rahmen Atmosphäre schuf, das wusste vor allem Niccolini. Ein Meister darin, mit sanfter Hand den Gästen eine Sitzordnung aufzuzwingen, die sein Beitrag zur gesellschaftlichen Hackordnung von Manhattan war. Wo saßen die wichtigen Leute? Im sogenannten "Grill Room” an einem der drei runden, etwas abgeschirmten Tische unterhalb der Empore. Oder man bemühte sich um einen begehrten Tisch im zweiten Saal, dem sogenannten "Pool Room”, mit seinem stattlichen, flachen Wasserbecken in der Mitte, in dem einst Sophia Loren ein erfrischendes Bad genommen haben soll.

    Alle anderen Tische hingegen wurden nur "Sibirien” genannt. Und das Minderwertigkeitsgefühl, das Gäste beschlich, die sich für wichtig hielten, aber nicht so behandelt wurden, hatte auch einen Namen: Table envy.
    Dass in einer Stadt so voller Energie und dem Interesse an ständigem Wechsel ein Restaurant überhaupt so lange so gut laufen konnte, gleicht einem kleinen Wunder. Das Ende kam nun auch nur aus einem einzigen Grund, erzählt Alex von Bidder:
    "Wegen unserem neuen Besitzer vom Gebäude. Der wollte unsere Miete vervierfachen, von einem bisschen über eine Million im Jahr auf vier Millionen. Er wollte einfach das Lokal übernehmen, ohne uns dafür zu bezahlen.”