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Ende: Ich sehe "Momo" und "Die unendliche Geschichte" in gewissem Sinn als Pendants

24. Dezember 1981: Michael Ende über die Hauptfiguren seiner Bestseller "Momo" und "Die unendliche Geschichte".

    Michael Ende: Ich sehe diese beiden Bücher in gewissem Sinn sogar als Pendants, als zwei Seiten eines und desselben Problems. Obwohl das nicht so offensichtlich vielleicht ist.

    Die Momo betrifft eigentlich die Auseinandersetzung mit der Außenwelt. Daher kommt es auch, dass die Momo zum Beispiel selbst gar keine Veränderung durchmacht, die Momo ist eigentlich, wenn Sie genau hinschauen, von Anfang bis Ende die gleiche und man kann sich auch gar nicht vorstellen, wie die Momo sich weiterentwickeln würde, wenn sie älter würde: Wird das nun eine Frau, wird das eine Familienmutter oder was wird die eigentlich? Das spielt auch für die Geschichte keine Rolle. Sie taucht am Anfang der Geschichte auf und sie verschwindet mit der Geschichte wieder. Momo muss auch keine Veränderung erleben in sich selbst, das ist kein Entwicklungsroman.

    Bastians Geschichte ist eine ganz andere, Bastian ist auf der Suche nach sich selbst. Deswegen geht Bastian auch nicht nach außen, sondern er geht eigentlich nach innen. Er macht eine große Reise in sein eigenes Inneres. Bei dieser Reise ins eigene Innere durchlebt er viele Veränderungen, viele Verwandlungen, auch durchaus schlimme Verwandlungen, die auch notwendig sind auf diesem Weg nach innen. Bis er schließlich eben das findet, was sein wahrer Wille ist.

    Das ist etwas ganz anderes als, was die Momo suchen und finden muss, aber in gewissem Sinn meine ich, dass diese beiden Bücher sich gegenüberstehen und sich ergänzen. Wenn es ein Triptychon wäre, würde noch der mittlere Teil fehlen, und vielleicht wird es mir noch in meinem Leben gelingen, diesen mittleren Teil zu schreiben.

    Sendezeichen aus 50 Jahren DLF
    50 Jahre Deutschlandfunk