Der Begriff "Hessische Verhältnisse" so sagt das Lexikon, sei "eine in Deutschland verwendete Bezeichnung für Wahlergebnisse, die keine klaren Mehrheiten im Parlament erbracht haben".
Die Wählerinnen und Wähler zwischen Kassel und Darmstadt, Wiesbaden und Fulda haben bei der Landtagswahl wieder diese "hessischen Verhältnisse" hervorgebracht. Der grüne Spitzenkandidat Tarek Al-Wazir zeigt sich davon nicht sonderlich überrascht:
"Wir haben in Hessen oft eine Situation gehabt, dass mit sehr knappen Mehrheiten regiert worden ist. Vor dreißig Jahren ist glaube ich Walter Wallmann mit 56 Stimmen, das sind genau die, die man braucht, gewählt worden. Vier Jahre später Hans Eichel mit 56 Stimmen, acht Jahre später Roland Koch mit 56 Stimmen und so weiter. Also- das ist hier öfter so."
Lediglich eine Jamaika-Koalition aus CDU, Grünen und FDP bieten nun die Möglichkeit, eine klare Regierungsmehrheit für die nächsten fünf Jahre zu schaffen.
Die Grünen im Wirtschaftsministerium?
Bettina Stark-Watzinger ist Generalsekretärin der FDP Hessen und Vorsitzende des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages. Sie hält ein Jamaika-Bündnis in Hessen für möglich. Einen grünen Wirtschaftsminister Tarek AL-Wazir in einer Koalition mit CDU und Grünen wäre allerdings eine Kröte, die die Liberalen schwer schlucken könnten. Gerade im Hinblick auf den Finanzplatz Frankfurt am Main, so Stark-Watzinger:
"Warum haben wir das Thema Wirtschaftsministerium ins Gespräch gebracht, weil die Grünen sich nie für den Finanzplatz eingesetzt haben. Sie haben den Flughafen bekämpft und sie haben das, was die Stadt ausmacht, den freien Handel, nicht unbedingt gefördert. Und deswegen ist es schon so, dass man fragen muss: Wenn man dann hier in Hessen ein Wirtschaftsministerium führt? Aber wir müssen uns das Gesamtpaket angucken."
Linken-Politiker Ulrich Wilken ist Vizepräsident des hessischen Landtags. Er bedauert, dass eine rot-rot-grüne Koalition nun doch nicht möglich ist, auf die Teile der hessischen Linken in den letzten Wochen gehofft hatten. Wilken hofft jedoch für die Zukunft, dass ein solches Bündnis auch in Hessen wieder möglich sein wird. Wenn sich etwa die nun auch in Hessen stark gebeutelte SPD in Bund und Ländern wieder aus ihrer Krise erholt:
"Wir brauchen auch eine starke SPD, wie wir auch starke Grünen brauchen und darin auch eine starke Linke. Damit ein Politikwechsel in diesem Land möglich wird und endlich mal wieder eine soziale und ökologische Politik im Land gemacht wird."
Auswirkungen auf Bundesebene
Die AfD ist neben den Grünen die Siegerin der Hessen-Wahl. Sie hatte jedoch vor einigen Wochen noch mit rund 15 Prozent der Stimmen gerechnet, jetzt liegt sie knapp über 13 Prozent. Robert Lambrou, der hessische AfD-Landesvorsitzende, macht für diesen kleinen Dämpfer Volker Bouffier verantwortlich. Der habe die Partei am rechten Rand in den letzten Wochen vor der Wahl als eine Gefahr für Deutschland bezeichnet:
"Wir sind keine Gefahr für Deutschland, wir sind lediglich eine Gefahr für die CDU. Und die Wähler haben sich davon nochmal, ein letztes Mal beeindrucken lassen."
Volker Bouffier wiederum möchte, dass sich die große Koalition in Berlin von dem Ergebnis in Hessen beeindrucken lässt und den Streit beendet, der ihm am Ende so viele Stimmen gekostet hat:
"Man kann ja gar nicht anders, wenn die drei Parteien, die in Berlin die große Koalition bilden, die CSU, die SPD und die CDU in zwei Landtagswahlen rund 10 Prozent verlieren, dann ist es doch mehr als ein Weckruf. Dann ist es eine sehr deutliche Botschaft nach Berlin, das die Menschen sich wünschen, dass weniger Streit und mehr Inhalt rüber kommt. Und das gilt für alle, die dort regieren. Das gilt auch für unsere Vorsitzende"